Direkt zum Inhalt

CCTS – eine ‚Energiebrücke’ ins Nichts?

Pressemitteilung vom 8. September 2010

Hohe Unsicherheiten bei der CO2-Abscheide-, Transport- und Speichertechnologie – Gesetzentwurf unzureichend


8. September 2010 - Das DIW Berlin warnt vor einem Scheitern der CCTS-Technologie und kritisiert den vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung als unzureichend. „Die CO2-Abscheidung ist als ‚Energiebrücke’ in Deutschland ungeeignet“, sagte DIW-Forschungsdirektor Christian von Hirschhausen bei der Vorstellung einer aktuellen Studie. „Die Technologie, auf die man vor einigen Jahren noch sehr große Hoffnungen setzte, hat sich als sehr unsicher und gleichzeitig sehr teuer herausgestellt.“
Technische, ökonomische und institutionelle Faktoren würden den Einsatz der CO2-Abscheidung in Deutschland und Europa verhindern, so von Hirschhausen. Damit stehe auch die globale Bedeutung von CCTS für den Klimaschutz in Frage. Als Gründe für ein mögliches Scheitern nannte er unter anderem Schwierigkeiten bei der technischen Umsetzung der CO2-Abscheidung, ungelöste regulatorische Fragen des Transports, eine deutliche Absenkung der zu erwartenden Speicherpotentiale sowie die starke Ablehnung der gesamten Prozesskette durch die Bevölkerung und einige Landespolitiker.

Vielzahl von technischen Hindernissen

Die CCTS-Technologie wird bisher nur in kleinem Maßstab in verschiedenen Industrien eingesetzt. Eine Anwendung der Prozesse auf große Emittenten wie Kohlekraftwerke wirft eine Vielzahl an Fragen auf, die ausschließlich in größeren Demonstrationsprojekten beantwortet werden können. Dies betrifft alle Stationen der Prozesskette – also Abscheidung, Transport und Speicherung.
Der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzentwurf bleibt weit hinter den notwendigen Maßnahmen zurück, um eine großtechnische Erprobung der gesamten CCTS-Prozesskette zu ermöglichen. Der DIW-Experte bezeichnete den Entwurf als Demonstrationsgesetz. Das vorgesehene Speichervolumen von drei Millionen Tonnen CO2 schließe die Nutzung eines Speichers für Emissionen mehrerer Kraftwerke praktisch aus. „Damit lassen sich keine Skalenerträge realisieren“, so von Hirschhausen. Weltweit werden 100 Demonstrationsprojekte im Kraftwerks- und Industriebereich, 10 000 Kilometer Transportpipeline und Speicherkapazitäten von 1,2 Milliarden Tonnen CO2 benötigt, wie aus dem sogenannten „Blue Map Szenario“ hervorgeht. Ein weiter Weg: Bis Ende Juni sind lediglich sieben Demonstrationsprojekte in Betrieb gegangen.

Höhere Stromerzeugungskosten

Wegen der hohen Investitionskosten werden mit der CCTS-Technologie die Stromerzeugungskosten steigen. Schätzungen gehen von einer Zunahme zwischen 48 und 92 Prozent aus. Da über zukünftige CO2-Preise jedoch kaum verlässliche Prognosen gemacht werden können, bleibt der wirtschaftliche Nutzen des CCTS-Einsatzes unklar. Aus diesem Grund wiederum ist auch unklar, wie groß die Pipeline-Netze zum Transport sein müssten, um sie ökonomisch sinnvoll auszulasten.

Speicherkapazität geringer als erwartet

Ein weiteres Problem: Neue Studien sehen immer weniger Speicherpotential für Kohlendioxid in Deutschland, zudem zielen aktuelle Versuche nicht auf eine dauerhafte Speicherung ab. Eine solche wurde bisher etwa in Norwegen und Algerien erprobt.
Zugenommen hat in den letzten Monaten der Protest von Bürgern, die in der Nähe möglicher CO2-Ablagerungsgebiete leben. Tatsächlich wäre austretendes Kohlendioxid in großen Mengen giftig für Mensch und Umwelt. Forscher betrachten das Schadensrisiko in Zusammenhang mit CCTS jedoch als gering. Dennoch sah sich Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) aufgrund des öffentlichen Widerstands gegen ein Demonstrationsprojekt genötigt, einen früheren Gesetzentwurf abzulehnen.

„Energiekonzept der Bundesregierung ist unrealistisch“

Angesichts der Verzögerungen kritisiert DIW-Forscher von Hirschhausen das Energiekonzept der Bundesregierung: „Die schwarz-gelbe Koalition geht von einer kommerziell verfügbaren CCTS-Technologie schon im Jahr 2025 aus – bei dem vorliegenden Gesetzentwurf und den Verzögerungen in der Umsetzung ist das sehr unrealistisch. Daher sind auch die Ergebnisse der Energieszenarien, in denen vor allem Steinkohle-CCTS eine große Rolle spielt, unrealistisch.“ Er appelliert, die finanziellen Mittel besser einzusetzen, etwa für erneuerbare Energien. Perspektivisch bedeutendere Technologien sollten größere Anteile erhalten, so von Hirschhausen. „Die Überbewertung der CO2-Abscheidetechnologie ist völlig unangemessen.“

 

Hintergrund: Gesetzgebungsverfahren

Den zweiten Gesetzentwurf zur CO2-Abscheide-, Transport- und Speichertechnologie (CCTS) hat die Bundesregierung am 14. Juli 2010 auf den Weg gebracht. Ein erster Anlauf war 2009 am Widerstand der unionsgeführten Länder Bayern und Schleswig-Holstein gescheitert. Grundlage ist ein Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission vom Januar 2008, der im Dezember des gleichen Jahres durch das Europäische Parlament gebilligt wurde und nach der Annahme durch den Europäischen Rat im April 2009 in Kraft getreten ist. Die Bundesregierung muss die EU-Vorgabe umsetzen, bei Verzögerungen drohen Strafzahlungen.
 

Links

keyboard_arrow_up