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Internet statt Bankfiliale: Immer mehr und klassische Kunden nutzen Kreditplattformen im Netz

Pressemitteilung vom 7. September 2011

Statt in einer Bankfiliale suchen immer mehr Menschen im Internet nach Möglichkeiten, sich Geld zu leihen. Insgesamt werden 2010 bereits Kredite im Wert von rund einer Milliarde Euro nicht von professionellen Finanzinstituten, sondern von Privatleuten im Netz vergeben - über sogenannte Internet-Kreditplattformen. Zwar machen Online-Kreditplattformen immer noch nur einen sehr kleinen Teil des weltweiten Kreditmarktes aus, aber sie sind kein Sonderphänomen mehr. Einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zufolge erfreuen sich die Plattformen großer Zuwachsraten und locken zunehmend klassische Bankkunden an.

„Längst leihen sich nicht mehr nur Pioniere und Internetexperten Geld im Netz, sondern auch immer mehr ganz normale Kreditnehmer “, so das Fazit der drei DIW-Forscherinnen Nataliya Barasinska, Nicola Jentzsch und Dorothea Schäfer. Erstmals wurde die Kundenstruktur der größten deutschen Kreditplattform (Smava) untersucht und mit den Kunden klassischer Finanzinstitute verglichen. Für den Vergleich wurde auf Angaben der DIW-Langzeitstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) zu traditionellen Konsumentenkreditnehmern zurückgegriffen. Der Studie zufolge unterscheiden sich die Gruppen heute bereits viel weniger voneinander als noch vor wenigen Jahren. „Wie sich das Geschäft der Internetplattformen in Zukunft entwickelt, wird massiv davon abhängen, wie sich die Ausfallraten der Kredite entwickeln“,  urteilt DIW Forschungsdirektorin Dorothea Schäfer.

Ein Kredit im Internet kann viele Vorteile haben: keine unangenehmen Fragen des Bankangestellten, geringere Abhängigkeit vom persönlichen Urteil und möglicherweise auch weniger Beschränkungen zum Beispiel in Bezug auf das Alter. Wer auf einer Internetplattform einen Kredit sucht, gibt an, wofür er das Geld will und welchen Zinssatz er zu zahlen bereit ist. Dann entscheidet kein professionelles Finanzinstitut, sondern ein privater Geldgeber, welchen Teil der Summe er zu diesen Konditionen finanzieren möchte. „In der Regel sind das nicht 100 Prozent, sondern meist kommen mehrere Kreditgeber zusammen“, erklärt Schäfer. Auf Deutschlands bedeutendster Internetplattform Smava wurden bislang rund 6 500 Kredite mit einer Gesamtsumme von 50 Millionen Euro vergeben. Vergleicht man demographische Faktoren, unterscheiden sich Smava-Kunden immer weniger von den klassischen Bankkunden. „Wir hatten erwartet, dass vor allem junge Personen und deutlich mehr Männer die Plattformen nutzen – so ist es beim Internet allgemein. Tatsächlich zeigen sich in der Altersstruktur aber nur wenige Unterschiede“, berichtet Schäfer.

Sehr junge Leute sind unter den Kreditnehmer sowohl in der virtuellen als auch in der realen Welt seltener vertreten. „Das liegt vor allem daran, dass man auf jeden Fall ein eigenes Einkommen nachweisen muss, um einen Kredit zu bekommen.“ Ältere Leute über 65 Jahre waren entgegen der Vermutung unter den Kunden der Internet-Plattformen sogar häufiger vertreten als unter traditionellen Kreditnehmern, obwohl diese Altersgruppe das Internet generell weniger nutzt. „Banken sind mit der Kreditvergabe an Ältere manchmal sehr vorsichtig. Vielleicht ist es für die Älteren also einfacher, sich über die Plattformen Geld zu leihen.“ Immer noch deutlich höher ist mit rund 72 Prozent der Anteil der männlichen Plattform-Kunden. „Frauen fällt es schwerer, Vertrauen in fremde Menschen zu haben. Möglicherweise halten sie sich deshalb auf anonymen Online-Kreditplattformen stärker zurück“, vermutet Dorothea Schäfer.

 

Stichwort SOEP

Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist die größte und am längsten laufende multidisziplinäre Langzeitstudie in Deutschland. Das SOEP ist Teil der Forschungsinfrastruktur in Deutschland und wird unter dem Dach der Leibniz-Gemeinschaft (WGL) von Bund und Ländern gefördert. Angesiedelt ist das SOEP am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Für das SOEP befragen jedes Jahr etwa 600 Interviewerinnen und Interviewer vom Umfrageinstitut TNS Infratest Sozialforschung mehr als 20 000 Menschen in rund 11 000 Haushalten. Die so erhobenen Daten geben unter anderem Auskunft über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung und Gesundheit. Forscherinnen und Forscher im In- und Ausland nutzen die SOEP-Daten für ihre Studien. Bis heute sind mehr als 6000 Veröffentlichungen auf Basis der SOEP-Daten erschienen

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