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Der Verbraucher, das unbekannte Wesen

Pressemitteilung vom 23. Juni 2011

DIW Berlin schlägt ein von der Wissenschaft getragenes Verbraucherpanel vor

Es gibt zwar unzählige Daten über den Konsum in Deutschland, aber die deutsche Verbraucherpolitik agiert ohne systematische Kenntnis über die Ursachen des Verbraucherverhaltens, schreibt das DIW Berlin in seinem aktuellen Wochenbericht. Dies sei umso gravierender, da Bereiche wie Gesundheitsvorsorge und Krankenversorgung, Altersvorsorge oder Telekommunikation immer komplexer, aber zugleich auch intransparenter werden. „Was fehlt, ist ein repräsentativer und kontinuierlicher Blick auf das Verbraucherverhalten und seine Ursachen über einen längeren Zeitraum“, sagte DIW-Expertin Kornelia Hagen. Eine zum Beispiel von der Deutschen Forschungsgemeinschaft qualitätsgeprüfte und wissenschaftlich unabhängige Längsschnitterhebung würde Aussagen über Verhaltensweisen und Verhaltensänderungen von Verbrauchern erlauben und so eine wirksame Verbraucherpolitik erst ermöglichen.

Für die Verbraucherpolitik sind Informationen über die Marktbeziehungen zwischen Anbietern und Verbrauchern von entscheidender Bedeutung. Um Schäden von Verbrauchern abzuwenden, die durch das Verhalten von Anbietern und irrationales Verhalten von Verbrauchern selbst entstehen, werden Informationen über Auswahl, Entscheidung, Kündigung, Wechsel und Beschwerden benötigt. Die amtliche Statistik liefert solche Informationen nicht. Kommerziell erhobene Daten sind zwar vorhanden, zum Beispiel aus der Marktforschung, jedoch sind diese zumeist weder unabhängig noch verbraucherorientiert. Für den Verbraucherschutz unbrauchbar sind auch reine Zufriedenheitsbefragungen, die das konkrete Verbraucherverhalten ausklammern. Kommerzielle Daten werden zumeist auch nur für eine kleine Verbrauchergruppe und/oder einen begrenzten Zeitraum erhoben.

Insgesamt wird also das Verbraucherverhalten nur bruchstückhaft und nicht repräsentativ abgebildet. „Die Verbraucherpolitik befindet sich oftmals im Blindflug, da der Verbraucher in vielfacher Hinsicht ein unbekanntes Wesen ist“, sagt Kornelia Hagen und nennt als typisches Beispiel die Riester-Rente: Auch zehn Jahre nach ihrer Einführung weiß man nicht, warum Verbraucher die Zulage nicht beantragen, warum sie nicht bis zur Rente durchsparen oder warum sie erst gar keinen Riester-Vertrag abschließen. Und das, obwohl es sich um Produkte handelt, für die Riestersparer eine staatliche Förderung erhalten können und die für viele Bürger von existenzieller Bedeutung sind.

Eine von den Akteuren der Politik unabhängige, wissenschaftsgetragene Verbraucherstudie könnte auch international ein Leuchtturm der Verbraucherforschung sein. Vieles spricht für eine Panelstudie, also eine wiederholte Befragung derselben repräsentativen Stichprobe von Verbrauchern. Vorbilder dafür wären etwa das das Deutsche Mobilitätspanel, das Nationale Bildungspanel (NEPS) oder auch das Sozio-oekonomische Panel (SOEP). Wertvolle Anstöße für die inhaltlichen Schwerpunkte eines solchen Panels könnten die Verbraucherorganisationen aus ihrer praktischen Beratungsarbeit liefern. Finanziert werden müsste eine solche Studie als „Forschungs-Infrastruktur“. Als Geldgeber kommen das Verbraucherministerium wie auch andere Fachressorts und das Ministerium für Bildung und Forschung in Frage. Ein solches Panel müsste auf Basis eines wettbewerblichen Ausschreibungsverfahrens etabliert werden, wobei die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – wie beim Nationalen Bildungspanel NEPS – die Qualitätskontrolle übernehmen könnte.

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