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Qualitätsstandards für Obst und Gemüse: Risiko für Kleinbauern? DIW Berlin: Gesetzliche Mindeststandards können bilateralen Abhängigkeiten entgegenwirken

Pressemitteilung vom 20. Mai 2009

Pestizide in Paprika, Gammelfleisch und BSE haben den Einzelhandel in Bewegung gebracht – immer stärker setzen Einzelhandelsketten auf eigene Qualitätsstandards. Dies nützt dem Verbraucherschutz. Doch wie eine jetzt veröffentlichte DIW-Studie zeigt, können diese privaten Standards insbesondere Bauern in Entwicklungsländern schaden: Kleinbauern, die sich ganz dem Qualitätsregime einzelner Ketten unterwerfen, geraten schnell in Abhängigkeiten. Die DIW-Studie plädiert deshalb für höhere staatliche Qualitätsauflagen: „Staatliche Standards verbinden Verbraucherschutz mit einem Schutz der Produzenten vor einseitiger Abhängigkeit“, sagte DIW-Agrarexpertin Vanessa von Schlippenbach. „Individuelle Standards für den Einzelhandel werden damit überflüssig.“
Als Greenpeace im Jahr 2005 die stark giftige Pestizidbelastung von Obst und Gemüse aus deutschen Supermarktregalen aufdeckte, hatten führende Einkaufsketten wie Lidl, real und Metro mit Umsatzeinbrüchen und einem erheblichen Imageschaden zu kämpfen. Um das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen, verschärften die Einzelhändler gegenüber ihren Zulieferern die Anforderungen an Qualität und Produktionsprozesse. Dieser Fall steht beispielhaft für die zunehmende Bedeutung individueller Qualitätsanforderungen des Einzelhandels. „Die Einhaltung dieser Auflagen kann insbesondere für Kleinbauern aus Entwicklungsländern eine enorme Barriere bedeuten, mit ihren Produkten überhaupt auf den Markt zu gelangen“, sagte von Schlippenbach. Darüber hinaus seien sie gefährdet, in die Abhängigkeit einzelner Supermarktketten zu geraten. Einzelhändler bestimmen die Handelsbeziehungen auf dem Weltmarkt Die Produktion von Obst und Gemüse ist hohen Qualitätsrisiken ausgesetzt. „Die Qualität von Nahrungsmitteln können Verbraucher zum Teil erst nach dem Kauf prüfen und bestimmte Sicherheitsaspekte – wie etwa die Einhaltung bestimmter Schadstoffgrenzen – überhaupt nicht“, sagte Isabel Teichmann, Co-Autorin der DIW-Studie. Um Risiken wie Pestizidbelastungen und Verunreinigungen durch Schädlinge vorzubeugen, würden Einzelhändler daher verstärkt individuelle Vorgaben über Produktionsprozesse und Produktkennzeichnungen machen. Häufig gingen diese Auflagen allerdings so weit, dass Zulieferer ihren gesamten Produktionsablauf auf bestimmte Abnehmer ausrichten müssten. „Dieser Aufwand schränkt die Anzahl möglicher Handelspartner von vornherein stark ein und erhöht das Risiko, in die Abhängigkeit einzelner Großabnehmer zu geraten“, so Teichmann. Gesetzliche Standards erleichtern Kleinbauern den Markteintritt Um dem entgegenzuwirken, sprechen sich die DIW-Experten für eine Harmonisierung der Standards aus. Sind die weltweiten Standards für Lebensmittel ausreichend hoch, reduziert dies den Anreiz für die Einzelhandelsketten, eigene Standards zu setzen. „Eine Vereinheitlichung der Standards kann die Zahl der Abnehmer erhöhen und damit das Risiko ausgebeutet zu werden verkleinern“, sagte DIW-Agrarökonomin von Schlippenbach. „Das wäre ein großer Schritt, damit auch Kleinbauern mit ihren Produkten eine faire Chance auf dem Weltmarkt haben.“

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