Pressemitteilung vom 20. Mai 2015
Menschen, die regelmäßig einen Gottesdienst besuchen, leiden weniger unter einem Jobverlust als andere. Außerdem gewöhnen sie sich schneller an ein Leben ohne Arbeit. Das belegt eine Studie, die kürzlich Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Universität Amsterdam auf der Basis von Daten der Längsschnitterhebung Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) erstellt haben. „Wer einmal pro Woche eine Kirche, Moschee oder Synagoge besucht, ist nach drei Jahren Arbeitslosigkeit nahezu genauso zufrieden mit seinem Leben wie zuvor“, sagt der Jenaer Psychologe Clemens Lechner, einer der Autoren. Weniger religiöse Menschen leiden hingegen deutlich unter einer Arbeitslosigkeitserfahrung. Die Studie wurde kürzlich im Journal for the Scientific Study of Religion veröffentlicht.
Das SOEP befragt seit seinem Gründungsjahr 1984 jährlich mehr als 10.000 Personen zu ihrer Lebenszufriedenheit. Auf einer Skala von 0 bis 10 geben die Befragten an, wie zufrieden sie derzeit alles in allem mit ihrem Leben sind. Die Zahl null bedeutet „ganz und gar unzufrieden“, zehn hingegen steht für „ganz und gar zufrieden“. Die Zufriedenheitsforschung (in den Medien meist „Glücksforschung“ genannt) hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Forschungsfelder auf der Basis von SOEP-Daten entwickelt. „Daten zur persönlichen Lebenszufriedenheit sind eine wichtige Größe bei der Messung von Lebensqualität“, sagt SOEP-Direktor Jürgen Schupp. „Wer umfassende Aussagen zur Lebensqualität treffen möchte, muss neben den objektiven Lebensbedingungen auch die subjektive Lebenszufriedenheit im Blick haben.“
Wie mehrere frühere Studien auf der Basis von SOEP-Daten gezeigt haben, zählt ein Jobverlust zu den Lebensereignissen, die die Zufriedenheit der Menschen am stärksten beeinträchtigen. Clemens Lechner und sein Co-Autor, der Soziologe Thomas Leopold von der Universität Amsterdam, haben nun erstmals auf der Basis der für Deutschland repräsentativen SOEP-Daten gezeigt, dass Religiosität den Schock nach einem Jobverlust lindern kann.
Die Berechnungen der Wissenschaftler belegen für das erste Jahr nach dem Jobverlust: Je häufiger Menschen ohne Arbeit an religiösen Veranstaltungen teilnehmen, desto weniger ist ihre Lebenszufriedenheit durch den Jobverlust beeinträchtigt. Bei den Befragten, die einmal wöchentlich einen Gottesdienst besuchten, ging die gemessene Lebenszufriedenheit weniger als halb so stark zurück wie bei denjenigen, die nie einen Gottesdienst besuchen.
Darüber hinaus zeigen die SOEP-Daten: Auf längere Sicht können Menschen ohne Arbeit den Jobverlust umso schneller verarbeiten, je häufiger sie in die Kirche, die Moschee oder die Synagoge gehen. Wer einmal pro Woche an einer religiösen Veranstaltung teilnimmt, ist drei Jahre nach dem Jobverlust fast wieder genauso zufrieden mit seinem Leben wie zuvor. Menschen, die seltener oder nie einen Gottesdienst besuchen, sind zu diesem Zeitpunkt fast noch genauso unzufrieden wie ein Jahr nach Verlust des Arbeitsplatzes.
Warum sind Besucher von Gottesdiensten besser gegen den Schock durch den Verlust des Arbeitsplatzes gewappnet? „Arbeitslose finden in religiösen Gemeinschaften Unterstützung in ihrer schwierigen Lebenssituation“, vermutet Clemens Lechner. Darüber hinaus sei der Glaube eine Quelle von Trost und Zuversicht. Denn nach Auffassung vieler Gläubigen sind vor Gott alle Menschen gleich – unabhängig davon, ob sie wirtschaftlich erfolgreich sind oder nicht.
Für ihre Untersuchung hatten die Forscher Daten von 5446 im SOEP befragten Menschen ausgewertet, die im Zeitraum von 1990 bis 2012 arbeitslos wurden und anschließend bis zu drei Jahre ohne Arbeit blieben.
Kontakt zum Wissenschaftler:
Dr. Clemens Lechner, Center for Applied Developmental Science (CADS), Friedrich-Schiller-Universität Jena, E-Mail: clemens.lechner@uni-jena.de
Themen: Arbeit und Beschäftigung , Wohlbefinden