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Staat soll toxische Papiere zum Null-Wert übernehmen

Pressemitteilung vom 24. März 2009

Das DIW Berlin dringt auf die schnelle Schaffung einer Bad Bank in Deutschland. „Bisher ist es in Deutschland nicht gelungen, die Krise im Finanzsektor, zu beherrschen,“ sagte DIW-Präsident Klaus Zimmermann. „Wir müssen die giftigen Wertpapiere schnell aus dem System herauslösen, damit die Banken endlich wieder ihre dienende Rolle für die Realwirtschaft einnehmen können.“ Im Vorfeld des Weltfinanzgipfels in London legte das DIW Berlin außerdem einen Reformkatalog für die globalen Finanzmärkte vor. DIW-Chef Zimmermann zog eine negative Bilanz der seit der Zuspitzung der Krise unternommenen Schritte. „Bisher ist weder absehbar, wie die akute Krise in den Griff zu bekommen ist, noch mit welchen Reformen eine Wiederholung verhindert werden kann,“ sagte Zimmermann bei der Vorstellung neuer Forschungsergebnisse zur Finanzmarktkrise in Berlin. „Auf keinen Fall darf der politische Handlungsdruck nachlassen, an beiden Fronten zugleich Ergebnisse zu erzielen.“ Das DIW Berlin will damit einen weiteren Anstoß für die Debatte über neue Regeln für die globalen Finanzmärkte geben (siehe Dossier). „Dabei stehen wir vor einem Dilemma“, räumte der DIW-Präsident ein: „Allein die Aufarbeitung der Finanzkrise wird mehrere Forschergenerationen beschäftigen. Gleichzeitig müssen wir im Finanzsystem mit Hochdruck das politische Ziel umsetzen: Keine Märkte, keine Produkte, keine Akteure ohne Regulierung und Überwachung.“
Bankenkrise in Deutschland noch nicht bewältigt In Deutschland drängt das DIW Berlin auf eine schnelle Bad-Bank-Lösung - die Bankenkrise betrachtet das Institut noch nicht als bewältigt. Dies zeigt auch ein Blick auf die Zahlen: Das gesamte Kapital der hiesigen Banken beträgt mit Rücklagen derzeit etwa 415 Milliarden Euro. Allein die Ausfälle aus den Problemaktiva werden hingegen auf 200 bis 300 Milliarden Euro geschätzt – das sind zwischen acht und zwölf Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Ausfälle in dieser Größenordnung – derzeit keineswegs unrealistisch – würden eine starke Erosion der Kapitalbasis der Banken bedeuten. Und sie würden die gesamte Wirtschaft schwer treffen. Finanzmärkte im Umbruch: Krise und Neugestaltung Das neue Vierteljahrsheft zur Wirtschaftsforschung ist ganz der Analyse der Finanzmarktkrise gewidmet. Es enthält Forschungsergebnisse unter anderem zur Leistung der EZB, zur Krisenresistenz von Privathaushalten und zu Bilanzvorschriften. Daneben untersuchen die Autoren tiefere Ursachen wie Herdentrieb und die „Illusion vom Hausbesitz für alle“. Die Autoren skizzieren Auswege aus der Krise und formulieren Reformvorschläge. Außerdem dokumentiert das Vierteljahrsheft die nach wie vor aktuellen Empfehlungen von Klaus Zimmermann und anderer führender Ökonomen zur „Rettung unserer Arbeitsplätze und Ersparnisse“ vom Oktober 2008. Ohne Bad Bank droht eine schwere Kreditklemme Werden die drohenden Ausfälle nicht beherrscht, so droht folgendes Szenario: Die Aufsichtsbehörden sind gezwungen, eine Bank zu schließen, deren Kernkapital unter die Grenze von vier Prozent fällt. Die Erwartung einer drohenden Schließung würde die Marktteilnehmer verunsichern und die betroffenen Banken von den Kapitalströmen weiter isolieren. Banken müssen ihre Kreditvergabe reduzieren, wenn ihnen das nötige Eigenkapital zur Unterlegung fehlt. Damit wächst die Wahrscheinlichkeit, dass Unternehmen außerhalb des Bankensektors in eine Kreditklemme geraten. Außerdem tendieren Bankmanager überschuldeter Institute dazu, ein sehr riskantes Investitionsverhalten an den Tag legen – in der Hoffnung, sich mit einem Erfolg doch noch retten zu können. Denn die eingeschränkte Haftung sorgt dafür, dass das Verlustrisiko nicht auf den Bankmanager zurückfällt. Angesichts dieser drohenden Entwicklung verfolgt das DIW Berlin mit seinem Modell für eine Bad Bank drei zentrale Ziele: „Im Vordergrund steht, dass die Banken endlich wieder ihren Job machen – dies gelingt nur, wenn wir die unkalkulierbaren Risiken aus dem System herauslösen“, sagte DIW-Forschungsdirektorin Dorothea Schäfer. Zweitens sind die Gesamtkosten aus der Bankenrettung für den Steuerzahler zu minimieren. „Drittens schließlich dürfen wir Bankmanagern keinerlei Anreiz bieten, sich bei hoch riskanten Geschäften auf den Staat als Retter zu verlassen,“ so Dorothea Schäfer. Verluste für den Steuerzahler sollen so gering wie möglich sein Das DIW-Modell sieht fünf Eckpfeiler für die geforderte Bad Bank vor: - Verkaufspreis null: Die Problemaktiva werden vor Auslagerung auf der Basis des gegenwärtigen Verkaufspreises wertberichtigt. Unverkäufliche Aktiva gehen an den Staat zu einem Preis von null. - Staat stockt Eigenkapital auf: Der Staat rekapitalisiert die verbleibende „Good Bank“ mittels Anteilserwerb, im Extremfall kommt es zur Übernahme durch den Staat. - Staat verwertet Problempapiere: Die Bad Bank wird durch den Staat mit Eigenkapital ausgestattet – der Staat wird also Eigentümer. Die weitere Verwertung der Problemaktiva erfolgt durch den Staat auf eigene Kosten. Verbleiben nach Abzug der Betriebskosten Überschüsse aus der Verwertung der Problemaktiva, so werden diese an die Altaktionäre zurückgegeben. - Verpflichtende Teilnahme systemrelevanter Banken: Es wird festgelegt, welche Banken systemrelevant sind. Diese werden zur Programmteilnahme verpflichtet. - Klarer Fahrplan für Reprivatisierung: Der öffentliche Kapitalgeber gibt eine glaubwürdige Reprivatisierungsperspektive für seine Anteile an der Good Bank bekannt. Dazu wird bereits bei Einrichtung der Bad Bank verbindlich festgelegt, wie lange der Staat nach Schließung der Bad Bank Zeit hat, seine Anteile an der Good Bank zu verkaufen. Ein kritischer Punkt ist die Frage, zu welchem Preis die Problemaktiva von der Bad Bank übernommen werden sollen. Die DIW-Position ist klar – zum Null-Wert: „Die Übernahme der unverkäuflichen Problemaktiva durch den Staat zum Null-Preis schafft Transparenz und vermeidet hohe Kosten der Wertermittlung,“ sagte DIW-Forschungsdirektorin Schäfer. „Vor allem stellt sie sicher, dass zunächst die Aktionäre und nicht die Steuerzahler die Kosten des Scheiterns tragen müssen.“ „Banker müssen wieder mit einem Risiko rechnen müssen“ Auf diese Weise würde auch das moralische Risiko eingegrenzt, dass sich Bankmanager und Aktionäre bei ihren zukünftigen Aktionen auf die Hilfen des Staates verlassen. Auch vor dem Hintergrund der fehlenden Möglichkeit zu einem aktiven Management der Forderungen ist die Übernahme zu einem Preis von null gerechtfertigt. Die Ausgangskapitalisierung der Bad Bank wird so auf einem geringen Niveau gehalten. Die Kosten für die Ausstattung der sanierten Good Banks mit frischem Eigenkapital bezifferte das DIW Berlin auf 200 bis 300 Milliarden Euro – sie entsprechen den geschätzten Ausfällen aus den Problemaktiva. Dazu kommen für die Bad Bank einmalige Einrichtungs- und jährliche Betriebskosten. „Das Entscheidende daran ist, dass diese Summe nicht für die Kapitalisierung der Bad Bank gebraucht wird,“ so Dorothea Schäfer. „Denn wir gehen davon aus, dass die Problempapiere zu einem Preis von null übertragen werden. Die Summe wird gebraucht, um die verbleibenden Good Banks zu rekapitalisieren. Dass heißt, der Staat bekommt dann auch etwas dafür, nämlich eine risikoarme Beteiligung an den Good Banks.“ HINTERGRUNDINFORMATIONEN So funktioniert eine Bad Bank Eine Bad Bank kauft oder übernimmt problematische Kredite oder Wertpapiere, restrukturiert diese und verwertet schließlich die ihr anvertrauten Aktiva. Befreit man die Banken von den Problemaktiva und dem stetig wiederkehrenden Wertberichtigungsbedarf (und macht sie auf diese Weise zu „Good Banks“), lassen sich die negativen Effekte einer erwarteten Schließung, der kapitalbedingte Abfall der Kreditvergabe und die Risikoliebe auf Kosten von Gläubigern und Allgemeinheit beseitigen. Auf der Sollseite stehen allerdings nicht nur die – möglicherweise hohen – Kosten zur Einrichtung der Bad Banks, sondern auch die Aussicht auf erhebliche Nettokosten nach Abschluss der gesamten Operation. Weitere Kosten fallen an, falls die Konditionen der Auslagerung von Problemaktiva einen Anreiz setzen, auch zukünftig auf die Sanierungsanstrengungen des Staates zu zählen. Mit einem intelligenten Modell zur Etablierung und Steuerung einer Bad Bank lassen sich die gegenwärtigen und zukünftigen Lasten für die Steuerzahler allerdings reduzieren. Welche Folgen hätte die Einrichtung einer Bad Bank für den Steuerzahler? Für den Steuerzahler hat das vom DIW Berlin vorgeschlagene Modell den Vorteil, dass er sein Geld in die Rekapitalisierung einer Good Bank steckt und nicht in die Kapitalisierung einer Bad Bank, mit dem hohen Risiko, dass diese Bad Bank Verluste erzielt. Der Steuerzahler hat zwar zunächst die Belastungen für das Aufbringen der hohen Anfangssumme für die Rekapitalisierung der Good Banks, aber er bekommt dafür relativ risikoarme Beteiligungen. Diese kann er mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder verkaufen, wenn sich die Lage wieder beruhigt hat. Er hat somit gute Aussichten, mit wenig oder gar keinen Verlusten aus der Finanzmarktkrise wieder herauszukommen. Vorbild Schweden und Berlin Schweden versuchte der Bankenkrise Ende der 80er Jahre mit mehreren Vermögensverwertungsgesellschaften Herr zu werden. Die beiden wichtigsten Bad Banks, Securum und Retriva, wurden vom schwedischen Staat eingerichtet. Securum übernahm 3000 zweifelhafte (Immobilien-) Kredite von 1274 kriselnden Unternehmen der vorher voll in Staatshand übergegangenen Geschäftsbank Nordbanken. Das entsprach 21 Prozent der Aktiva der Bank. Retriva übernahm 45 Prozent der Aktiva der Gota Bank, die vorher ebenfalls verstaatlicht wurde. Nordbanken und die 1993 in ihr aufgegangene Gota Bank firmieren heute als Nordea Bank. An ihr hält der Staat noch einen Anteil von 20 Prozent. Im Jahr 2007 glichen Privatisierungserlös und Wertzuwachs der verbliebenen Anteile die Kosten der Bankenrettung aus. Die ausgeglichene Gesamtbilanz ist darauf zurückzuführen, dass es den Bad Banks gelang, die Verluste bei der Abwicklung der Problemaktiva gering zu halten. Im Jahr 2001 geriet die damalige Berliner Bankgesellschaft durch Renditegarantien für Zeichner von eigenen Immobilienfonds in Existenznot. Das Land Berlin verhinderte die Schließung der Banken-Holding, zu der auch Landesbank und Sparkassen gehörten, durch Verstaatlichung und Garantien über 21, 6 Milliarden Euro. Im Jahr 2006 übernahm die neu gegründete Berliner Immobilien Holding (BIH) die Fondsimmobilien. Damit war die Trennung der ehemaligen Berliner Bankgesellschaft in eine Bad Bank (BIH) und eine Good Bank (Landesbank Berlin) vollzogen. Dem Land gelang es 2007, den eigenen Anteil von knapp 81 Prozent an der Landesbank Berlin für 4,7 Milliarden Euro zu verkaufen. Die BIH hat bisher rund 2 Milliarden Euro in den Rückkauf von Fondanteilen und in die Sanierung und Aufwertung der Immobilien investiert. Weitere Investitionen sind geplant. Ziel ist es, den Bestand so attraktiv zu machen, dass die potentiellen Käufer bereit sind, die Garantien des Landes mit zu übernehmen. DOSSIER Prinzipien für die Neugestaltung der Finanzmarktarchitektur Neben einem effizienten Krisenmanagement muss auch der Aufbau einer neuen Finanzmarktarchitektur bewerkstelligt werden. Das DIW Berlin hat dazu eine Agenda mit inhaltlichen Anforderungen erarbeitet: Ziel 1: Koordinationsversagen minimieren Koordinationsversagen, also die Unfähigkeit der Akteure, ihre Handlungen zum Nutzen aller abzustimmen, bewirkt ein suboptimales Gleichgewicht. In der gegenwärtigen Krise ist Koordinationsversagen ein zentrales Problem, und zwar sowohl auf einzelwirtschaftlicher als auch auf staatlicher Ebene. Die herrschende Praxis bei der Verbriefung ist eine schier unerschöpfliche Quelle für Koordinationsversagen. Mehrstufigkeit und mangelnde Dokumentation schließen die Identifikation von Ausgangsschuldner, Schuldenhöhe und Besicherung aus. Bemühungen, die Sanierung der Schuldner mittels Bildung von Gläubigerpools herbeizuführen, sind daher von vornherein zum Scheitern verurteilt. Hinzukommt das Finanzgebaren der Käufer von verbrieften Wertpapieren. Die Fristeninkongruenz zwischen Investition und Finanzierung vervielfacht die Wahrscheinlichkeit eines unkoordinierten Rückzugs der Geldgeber. Im Vorfeld der Krise war über Jahre hinweg ein Deregulierungswettlauf zu beobachten. Insbesondere die angelsächsischen Länder verweigerten sich der Koordination und setzten darauf, mittels niedriger Regulierungsstandards Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Bei den ersten Rettungsaktionen nach der Insolvenz von Lehman Brothers zeigten sich ebenfalls Anzeichen für einen Wettlauf der Staaten um die beste Ausgangsposition. Die Minimierung von Koordinationsversagen auf einzelwirtschaftlicher Ebene erfordert eine Reduktion der Komplexität der Verbriefungstechnologie und die Bestrafung von Fristeninkongruenz. Ersteres kann über einen Selbstbehalt auf jeder Stufe sichergestellt werden, letzteres durch eine Eigenkapitalunterlegung in Abhängigkeit vom Ausmaß des Auseinanderklaffens von Anlage- und Finanzierungshorizont. Die Konsequenz aus dem Koordinationsversagen auf Staatenebene muss die Einrichtung eines Gremiums für die Etablierung von länderübergreifend bindenden Mindestregulierungsstandards sein. Ebenso gehört eine Institution, die in der Lage ist, eine internationale Abstimmung der Maßnahmen im Krisenfall herbeizuführen, zu den fundamentalen Bestandteilen einer neuen Architektur. Während die Festlegung von Mindeststandards eine quasinatürliche Aufgabe des Financial Stability Forums ist, könnte letzteres dem Internationalen Währungsfonds zu neuer Bedeutung und Autorität verhelfen. Nationale Aufsichten sind mit dem Typ des grenzüberschreitend tätigen Finanzkonglomerats überfordert. Aktivitäten außerhalb der Bilanz sowie länder- und sektorenübergreifende Regulierungsarbitragen können nur entdeckt und geahndet werden, wenn ein einheitliches Vorgehen sichergestellt ist. Das Koordinationsversagen auf der Aufsichtsebene erfordert ebenfalls ein länderübergreifendes Mandat. Dies kann in Europa nur über die Einrichtung einer europäischen Finanzmarktaufsicht hergestellt werden. Ziel 2: Subsidiarität forcieren Gegen eine europäische Finanzmarktaufsicht wird häufig eingewandt, eine solche Struktur könne den nationalen Besonderheiten in den einzelnen Finanzsektoren nicht gerecht werden. Die Europäische Zentralbank und die angeschlossenen nationalen Zentralbanken beweisen jedoch, dass eine subsidiäre Arbeitsteilung unter einem gemeinsamen Dach funktionsfähig ist. Die Überwachung der Regionalbanken kann an nationale Organe delegiert werden, während die übergeordnete europäische Aufsicht für supranational tätige Finanzmarktakteure sowie die Überwachung der nationalen Aufsichten zuständig ist. Von der Institutionalisierung einer zweistufigen Allfinanzaufsicht ist ein sehr viel stärkerer Druck in Richtung Harmonisierung von Regulierung und Überwachung in Europa zu erwarten als von dem gegenwärtig laufenden Lamfalussy-Prozess. Ziel 3: Die richtigen Anreize setzen Die tieferen Wurzeln der Krise sind in der mangelnden Kontrolle der im Finanzsektor allgegenwärtigen „moralischen Versuchung“ (moral hazard) zu suchen. Sofort fällige Gebühren, das Weiterreichen der Kreditausfallrisiken und die Undurchschaubarkeit der strukturierten Produkte haben einen hohen Anreiz erzeugt, Kreditvergabestandards auf Kosten der Investoren am Ende der Verbriefungskette abzusenken. Die Beteiligung der Erzeuger von Kreditportfolios an den Ausfallrisiken mittels Selbstbehalt am Einzelkredit würde dazu beitragen, diese Art von Anreiz zu unterbinden. Vermeintlich billiges Fremdkapital hat Banken zur Anwendung extremer Hebel verleitet. Risikoliebe beim Investitionsverhalten und eine starke Gefährdung des Eigenkapitals waren die Folge. Viel Fremdkapital zehrt das Eigenkapital sehr schnell auf, wenn die Investitionsrendite geringer ist als der Zinssatz. Die Einrichtung eines Fonds, in dem Leistungsboni von Bankmanagern mit Mali verrechnet werden und der erst nach einigen Jahren den Differenzbetrag zur Auszahlung bringt, dämmt den Verschuldungsanreiz vermutlich wirksam ein. Mehr Transparenz und eine bessere Corporate Governance wären zudem gewährleistet, wenn die Aufsicht Kenntnis über die Bonussysteme für Bankmanager erhielte und die Aktionärsversammlung die Gesamtvergütung genehmigen müsste. Das Urteil der Rating-Agenturen ist essenziell für das Funktionieren der Verbriefungstechnologie. Die Agenturen haben die Werthaltigkeit strukturierter Portfolios systematisch überschätzt. Dafür ist neben unzureichenden Bewertungsmodellen auch das Vergütungssystem verantwortlich. Die Bezahlung von Beratung und Ratings durch den Erzeuger der Portfolios generiert Kollusionsanreize. Mittels Teilanbindung der Vergütung an die Genauigkeit der Prognose, Registrierpflicht und Pflicht zur Offenlegung von Prognosen kann der Kollusionsanreiz zwar abgemildert werden. Der starke Verlust an Glaubwürdigkeit lässt jedoch Zweifel daran aufkommen, ob das alleinige Ansetzen an den bestehenden, privatwirtschaftlichen Strukturen ausreicht, das verlorene Vertrauen in die Ratings rasch wiederzugewinnen. Ziel 4: Glaubwürdigkeit des Staates bei Kreditbewertung nutzen Den zur schnellen Systemstabilisierung notwendigen Glaubwürdigkeitsvorrat besitzen zurzeit nur staatliche Organe. Mit der Etablierung einer nicht profitorientierten öffentlichen Rating-Agentur auf europäischer Ebene könnte dieser Vorrat für eine mehrjährige Übergangszeit genutzt werden. Die Erzeuger strukturierter, in Europa vertriebener Produkte sollten gezwungen werden, für eines von zwei notwendigen Ratings die öffentliche Agentur zu kontrahieren. Mehr Wettbewerb um das beste Ratingurteil wäre die Folge. Die Grundlagen für den Aufbau einer staatlichen Agentur sind innerhalb der Eurozone vorhanden. Unter dem Dach der EZB unterhalten die nationalen Zentralbanken bereits jetzt entsprechende Bewertungsabteilungen. Ziel 5: Staat nicht überfordern Die Erkenntnis, dass bei gravierender systemischer Unsicherheit nur die Volkswirtschaften als Ganzes die notwendige breite Absicherung garantieren können, birgt die Gefahr des „Überschießens“ bei der Neudefinition der Rolle des Staates im Finanzsektor. Deutschland mit seinen Landesbanken ist ein gutes Beispiel dafür, dass der Staat als Eigentümer von Finanzorganisationen mit massiven Governance-Problemen konfrontiert sein kann. Es ist notwendig, die Rolle des Staates als Regulierungsinstanz und Kontrolleur zu stärken. Nicht angemessen ist dagegen, dem Staat langfristig zusätzliche operative Verantwortung im unmittelbaren Bankgeschäft aufzubürden. Staatliche Beteiligungen an den Banken im Zuge des Krisenmanagements sollten daher ebenso wie ein öffentliches Engagement in der Kreditbewertung mit einer glaubwürdigen Privatisierungsperspektive versehen sein. Ziel 6: Missbrauch der staatlichen Verantwortung verhindern Die amerikanischen Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddy Mac waren gewinnorientierte private Finanzdienstleister mit einer impliziten Staatsgarantie. Eine solche Konstruktion vernichtet nicht nur den Anreiz zur Sorgfalt bei der Auswahl von Investitionsprojekten und Vertragspartnern, auch eine private Versicherung der Ausfallrisiken ist vor dem Hintergrund der impliziten (und damit kostenlosen) Staatsgarantie nicht rational. Es besteht vielmehr ein großer Anreiz, hochriskante Geschäftsmodelle zu betreiben. Diese Risikoliebe wird auf den Refinanzierungsmärkten nicht durch angemessene Risikoaufschläge bestraft. Ein „Crowding Out“, also ein Herausdrängen risiko-adäquater privater Geschäftsmodelle durch hochriskante, aber staatlich abgesicherte, ist die Folge. Will man „Charity Hazard“ – also das Ausnutzen des im Notfall bereitstehenden Staates – im Finanzsektor ausschließen, darf es über das unmittelbare Krisenmanagement hinaus keine privaten Finanzdienstleister mit Staatsgarantien mehr geben. Ziel 7: Nachverhandlungsanfälligkeit berücksichtigen Mit Verträgen, die nicht nachverhandlungsresistent sind, kann das Vertragsziel nicht erreicht werden. Die Entfernung von Risiken aus der Bankbilanz mittels Auslagerung auf rechtlich selbständige Zweckgesellschaften oder auf Hedgefonds ist als Vertrag ohne Nachverhandlungsresistenz aufzufassen. Treten nämlich die Ausfallrisiken tatsächlich ein, wie in der jetzigen Krise geschehen, sind die Mutterhäuser regelmäßig gezwungen, die vermeintlich weitergereichten Risiken wieder in die eigene Bilanz zu übernehmen. Ähnliche Unsicherheiten in Bezug auf die Entfernung von Risiken sind auch mit Ausfallversicherungen verbunden, insbesondere wenn die Unabhängigkeit der Erzeuger des Kreditportfolios von den Rating-Agenturen zweifelhaft ist. Treten Schadensfälle in einer Häufigkeit weit über dem zu erwartenden Wert auf, ist eine reibungslose Schadensregelung seitens des Anbieters wenig wahrscheinlich. Wegen der latenten Rückkehr der Risiken in die Bankbilanzen sollte die Aufsicht in Zukunft die Risiken so behandeln, als wären sie nie ausgelagert worden. Das setzt Registrierung und Genehmigung von Zweckgesellschaften durch die Aufsicht ebenso voraus wie die Kenntnis der Maßnahmen zur Portfolioabsicherung. Ziel 8: Keine „Breitbandregulierung“ zulassen Internationale Finanzkonglomerate brauchen andere Rahmenbedingungen als regional tätige Mittelstandsbanken. Staatliche Förderbanken müssen anders beaufsichtigt werden als private Geschäftsbanken. Hedgefonds lösen andere systemische Risiken als Private-Equity-Fonds aus und bedürfen anderer Regeln als diese. Trotz der Vielfältigkeit der Problemlagen im Finanzsektor muss Tendenzen zu einer zu groben Regulierung widerstanden werden. Ziel 9: Eigenkapitalfinanzierung stärker gewichten Die Krise hat in der Absenkung von Kreditvergabestandards und in der Aufhebung jeglicher Finanzierungsbeschränkungen ihren Ausgang genommen. Der allerorts praktizierten starken Hebelfinanzierung ist die Dimension dieser Krise geschuldet. Nachhaltige Systemstabilisierung ist ohne die Rückkehr von privaten Wirtschaftssubjekten zu mehr Eigenkapitalfinanzierung nicht denkbar, unabhängig davon, ob es sich um hoch verschuldete Haushalte, um Unternehmen oder um Finanzintermediäre handelt. Das erfordert auch, dass Finanzierungsbeschränkungen für Private, die auf mangelnde Bonität zurückzuführen sind, von Politik und Öffentlichkeit als System schonend anerkannt und nicht als schädliche Kreditklemme interpretiert werden. Vierteljahrsheft zur Wirtschaftsforschung, Hauptherausgeber Prof. Dr. Klaus F. Zimmermann und PD Dr. Dorothea Schäfer. Nr. 1/2009: Finanzmärkte im Umbruch: Krise und Neugestaltung. Verantwortlich für das Heft: Dorothea Schäfer Bad Bank: Staat soll toxische Papiere zum Null-Wert übernehmen. Von Dorothea Schäfer und Klaus F. Zimmermann. In: Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 13/2009

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