Website Archive
- may contain outdated content -
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() | |||
Wochenbericht des DIW Berlin 4/04 Berufsarmee statt Wehrpflicht: Eine ökonomisch sinnvolle Lösung | |||
![]() | |||
Bearbeiter | Thorsten Schneider Harald Trabold | ||
![]() | |||
![]() | |||
Die Bundeswehr steht derzeit vor einer ihrer größten Umstrukturierungen. Vorgesehen ist eine Neugliederung der Streitkräfte in Eingreif-, Stabilisierungs- und Unterstützungsverbände. In diesem Zusammenhang stellt sich erneut die Frage nach der Beibehaltung der Wehrpflicht. Diese ist aus ökonomischer Sicht nicht sinnvoll, denn eine Berufsarmee stellt das gleiche Niveau an äußerer Sicherheit zu geringeren volkswirtschaftlichen Kosten bereit. Darüber hinaus verletzt die Wehrpflicht in ihrer derzeitigen Ausgestaltung wesentliche Prinzipien ökonomischer Gerechtigkeit. Auch unter ordnungspolitischen Gesichtspunkten ist die Abschaffung der Wehrpflicht überfällig, da sie zwei elementaren Prinzipien der Marktwirtschaft widerspricht, nämlich dem der Vertragsfreiheit und dem der Freiwilligkeit von Austauschbeziehungen. Ebenso sprechen heute die gesellschaftlichen und sicherheitspolitischen Veränderungen für eine Berufsarmee.
Die Aufgaben der Bundeswehr haben sich in der vergangenen Dekade stark gewandelt. Früher war ihr Ziel die Sicherung der Landesgrenzen und der flächendeckende Schutz des bundesdeutschen Territoriums im Falle eines konventionellen Angriffs. Aufgrund der veränderten sicherheitspolitischen Lage (Auflösung des Warschauer Paktes, Osterweiterung der NATO und der EU) ist die Bundesrepublik Deutschland heute nur noch von befreundeten Staaten umgeben, so dass eine Gefährdung durch konventionelle Streitkräfte in absehbarer Zeit unwahrscheinlich geworden ist. Die Bundeswehr hat neue Aufgaben übernommen, wozu insbesondere internationale "Einsätze der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung sowie zur Unterstützung von Bündnispartnern, auch über das Bündnisgebiet hinaus" zählen. [1] Die Regierungsparteien haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass noch in dieser Legislaturperiode über die künftige Wehrform entschieden werden soll. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte im Jahre 2002 erneut, dass keine rechtliche Verpflichtung besteht, an der Wehrpflicht festzuhalten. "Die Fragen beispielsweise nach Art und Umfang der militärischen Risikovorsorge, der demokratischen Kontrolle, der Rekrutierung qualifizierten Nachwuchses sowie nach den Kosten einer Wehrpflicht- oder Freiwilligenarmee sind solche der politischen Klugheit und der ökonomischen Zweckmäßigkeit, die sich nicht auf eine verfassungsrechtliche Frage reduzieren lassen." [2] Eine ökonomische Betrachtung, ob ein politisch definiertes Niveau an äußerer Sicherheit volkswirtschaftlich günstiger durch eine Wehrpflicht- oder durch eine Berufsarmee produziert werden kann, ist somit nicht nur möglich, sondern sogar geboten. | |||
![]() | |||
Berufsarmeen sind effizienter als Wehrpflichtarmeen |
Volkswirtschaftlich betrachtet liegt bei einer Wehrpflichtarmee ein ineffizienter Einsatz von Arbeit und Kapital vor. [3] Zum Ersten führt die Wehrpflicht zu einer Überausstattung an Arbeitskräften in der Armee. Wehrpflichtige belasten aufgrund ihres niedrigen Entgeltes die Bundeswehr nur mit geringen direkten Kosten, so dass ein Anreiz besteht, den Faktor Mensch intensiv einzusetzen. Gleichzeitig wird - bei einem bestimmten Budget - am Material und an der Bewaffnung gespart, da für den Faktor Kapital marktgerechte Preise bezahlt werden müssen. Dieses Problem ist auch bei der Bundeswehr hinlänglich bekannt. In den verteidigungspolitischen Richtlinien für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung aus dem Jahr 2003 werden ausdrücklich die zu hohen Anteile der Personalkosten und die zu geringen Materialinvestitionen beklagt. [4] Eine zweite Quelle volkswirtschaftlicher Ineffizienz bei der Wehrpflicht liegt in einer suboptimalen Nutzung von Humankapital innerhalb der Armee. Die Wehrpflicht führt dazu, dass nicht jeder Soldat entsprechend seiner Begabung und beruflichen Ausbildung eingesetzt wird. Insbesondere dann, wenn hochqualifizierte Arbeitskräfte einfache militärische Aufgaben verrichten müssen, ist die Vergeudung von Humankapital offensichtlich; [5] in solchen Fällen sind die Kosten der alternativen Verwendung am höchsten. Im ungünstigen Verhältnis von Ausbildungs- zu Einsatzzeiten liegt die dritte Quelle für Ineffizienz in einer Wehrpflichtarmee. Die im Vergleich zu Berufssoldaten hohe Fluktuation von Wehrpflichtigen führt zu einem erheblichen Ausbildungs- und Organisationsaufwand, der umso höher ist, je kürzer die Dienstzeit der Wehrpflichtigen ist. Die Investitionen in die Ausbildung der Soldaten können besser genutzt werden, wenn sie über einen längeren Zeitraum dienen. [6] Die Erfahrung zeigt auch, dass Berufssoldaten motivierter sind, weniger Fehler machen als Wehrpflichtige und somit Waffen und Gerät stärker geschont werden. [7] Auch diese Punkte tragen dazu bei, dass eine Berufsarmee effizienter ist als eine Wehrpflichtarmee. Schließlich reduziert die Verschiebung des Aufgabenbereichs der Bundeswehr von der Sicherung und Verteidigung des bundesdeutschen Territoriums hin zu Beteiligungen an friedenserhaltenden Maßnahmen im Ausland die Bedeutung der Wehrpflichtigen. Für anspruchsvolle Einsätze in Krisengebieten ist es ökonomisch nicht sinnvoll, auf nur kurzzeitig dienende Wehrpflichtige zurückzugreifen. Dieses Argument trifft auch auf die jüngst von Generalinspekteur Schneiderhan angedachte Neuordnung der Bundeswehr mit Eingreif-, Stabilisierungs- und Unterstützungskräften zu. [8] Generell gilt, dass mit steigender Komplexität des militärischen Auftrags die volkswirtschaftliche Verschwendung durch den Einsatz von Wehrpflichtigen zunimmt. Wie hoch der Effizienzverlust durch die Wehrpflicht in Deutschland ist, lässt sich empirisch nur schwer ermitteln. Entsprechend weit ist die Bandbreite der Prognosen zu möglichen Personaleinsparungen: Sie reichen von 20 % bis 50 %. [9] | ||
![]() | |||
Wehrpflicht verletzt elementares Prinzip der Steuer- gerechtigkeit |
Ökonomisch betrachtet entspricht das Ableisten der Wehrpflicht einer in modernen Gesellschaften in dieser Reinform nur noch selten vorkommenden Form der Steuer: der Naturalsteuer. Dabei erbringt der "Steuerpflichtige" Abgaben in Form von Dienstleistungen, die er dem Staat zwangsweise und ohne marktgerechte Gegenleistung zur Verfügung stellt. Die Differenz zwischen gezahltem Wehrsold samt empfangenen Sachleistungen und dem entgangenen Anteil am Lebensarbeitseinkommen kann als implizite Einkommensteuer betrachtet werden, die der Wehrpflichtige zu tragen hat. [10] Die derzeitige Wehrpflichtpraxis steht aber in Widerspruch zu gängigen Anforderungen an ein gerechtes Besteuerungssystem, von denen im Folgenden das grundlegende Prinzip der Allgemeinheit betrachtet wird. [11] Das Gebot der Allgemeinheit einer Steuer besagt, dass grundsätzlich alle Bürger zur Finanzierung von Staatsleistungen heranzuziehen sind und Kriterien wie Religion, Staatsangehörigkeit oder Geschlecht nicht zu einer Befreiung von der Steuerleistung führen dürfen. Die Hälfte eines Geburtsjahrgangs wird aber per Gesetz von der Wehrpflicht ausgenommen, nämlich alle Frauen. Weiterhin werden Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit nicht herangezogen, unabhängig davon, wie stark ihr Lebensmittelpunkt in Deutschland verankert ist. Die Aufrechterhaltung der äußeren Sicherheit kommt aber auch ihnen zugute. Von den jungen Männern mit deutscher Staatsangehörigkeit leistet dann noch nicht einmal jeder zweite einen Wehrdienst. Exemplarisch werden hier die Dienstquoten des Geburtsjahrgangs 1977 wiedergegeben (Tabelle 1). [12] Weniger als 40 % haben einen Grundwehrdienst geleistet (36 % Einberufene plus 2,9 % Längerdienende). 30 % der erfassten Männer wurden als Kriegsdienstverweigerer anerkannt. Die meisten von ihnen müssen einen Zivildienst leisten und werden somit ähnlich wie Wehrpflichtige belastet. Gut 3 % des Jahrgangs 1977 bleiben wegen sonstiger Dienste unberücksichtigt. Hierzu gehören u. a. Personen, die aufgrund ihres Berufs von der Ableistung des Wehrdienstes ausgenommen sind. Dies sind beispielsweise Bundesgrenzschützer und Polizisten, die mit ihrer Tätigkeit bereits zur (inneren) Sicherheit beitragen. [13] Durch die Freistellung von der Wehrpflicht entfällt bei diesen Personen - die ihren Beruf ausüben und für diesen voll entlohnt werden - die implizite Einkommensteuer, so dass sie gegenüber den Dienstleistenden einen Einkommensvorteil haben. [14] Der Kreis der Wehrpflichtigen kann durch eine Verschärfung der Tauglichkeitskriterien oder durch eine Begrenzung der Heranziehung von Wehrpflichtigen leistungsfähigerer Tauglichkeitsstufen eingeschränkt werden. Dies ist z. B. im Jahre 2003 geschehen, als "T3"-gemusterte Personen, die nur eingeschränkt verwendungsfähig sind, aus dem Kreis der zu ziehenden Wehr- und Zivildienstleistenden herausgenommen wurden. Ihr Anteil an allen Gemusterten beträgt am Geburtsjahrgang 1978 fast 16 %. [15] Hinzu kommen noch die "T4"- und "T5"-Gemusterten, die als wehruntauglich eingestuft sind und nicht herangezogen werden (Geburtsjahrgang 1978: 13,8 %). Nach dieser Neuregelung ist folglich davon auszugehen, dass fast jeder dritte Mann ausgemustert wird. Ob die Kriterien, die zu einer Ausmusterung führen, automatisch auch mit Nachteilen im Berufsleben verbunden sind, wodurch die Freistellung "gerecht" wäre, darf bezweifelt werden. Eine weitere Verletzung des Prinzips der Allgemeinheit einer Steuer wird ersichtlich, wenn man die Dienstquoten nach sozial-strukturellen Kategorien betrachtet. Nach den Ergebnissen des vom DIW Berlin mit Infratest Sozialforschung durchgeführten Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) [16] leisteten Hauptschüler am häufigsten Wehrdienst (Tabelle 2). Abiturienten absolvierten dagegen mit 29 % besonders oft den Zivildienst; unter den jungen Männern mit mittlerer Reife waren es nur 15 %, unter jenen mit Hauptschulabschluss lediglich 9 %. [17] Insgesamt blieben Abiturienten am seltensten von einem Dienst "verschont". Der hohe Anteil junger Männer, die keinen Dienst leisten müssen, macht die Verletzung des Prinzips der Allgemeinheit einer Steuer deutlich. Das Gleiche gilt auch für die von der so genannten Weizsäcker-Kommission [18] ins Spiel gebrachte "Auswahlwehrpflicht", bei der ebenfalls nur noch ein kleiner Teil eines Geburtsjahrgangs per Los zum Dienst herangezogen würde. | ||
![]() | |||
Die Wehrpflicht als ordnungspolitischer Problemfall |
Ökonomisch betrachtet ist die Wehrpflicht nicht nur ineffizient und ein Verstoß gegen elementare Prinzipien der Steuergerechtigkeit. Sie ist auch ordnungspolitisch ein Problemfall, denn Zwangsdienste - in welcher Form auch immer - widersprechen grundlegenden Werten und Normen der sozialen Marktwirtschaft. Die wichtigste ethische Grundlage dieser wirtschaftlichen Ordnung ist die Freiheit, zu der auch das Recht gehört, freiwillige Verträge abzuschließen. [19] Dies beinhaltet u. a. die Grundrechte auf freie Wahl des Berufs, des Arbeitsplatzes und des Wohnorts. Im Gegensatz zu einer monetären Steuer, die in einem modernen Staatswesen üblicherweise zur Finanzierung von öffentlichen Aufgaben herangezogen wird, schränkt die Wehrpflicht (als Naturalsteuer in Form von Zeiteinheiten) diese Freiheiten grundlegend ein. [20] | ||
![]() | |||
Belastet die Abschaffung der Wehrpflicht den Staatshaushalt? | Als Einwand gegen die Abschaffung der Wehrpflicht
wird häufig der mögliche Anstieg der Personalausgaben für
die Bundeswehr genannt. [21]
Argumentiert wird, dass die Ausgaben und damit das Staatsdefizit steigen,
da Berufssoldaten höher entlohnt werden als Wehrpflichtige. Diese Position
verkennt jedoch, dass eine mögliche Mehrbelastung im Staatshaushalt
ja nur deswegen zustande käme, weil die bisherigen "Einnahmen" aus
der steueräquivalenten Zwangsabgabe "Wehrdienst" nicht als solche im
Staatsbudget erscheinen. Volkswirtschaftlich betrachtet ersetzt man beim
Übergang zur Berufsarmee eine Steuer in Naturalien durch eine monetäre
Steuer. Weiterhin berücksichtigt diese Position nicht die zuvor beschriebenen
Effizienzgewinne in der Bundeswehr, die durch Einführung einer Berufsarmee
entstehen und die es ermöglichen, das gleiche Niveau an äußerer
Sicherheit mit wesentlich weniger Personal, Ausbildungsaufwand und Materialverschleiß
zu erreichen. Schließlich werden die Mindereinnahmen bei der Einkommensteuer
vernachlässigt, die daraus resultieren, dass Wehrpflichtige kein besteuerbares
Arbeitseinkommen haben. Das Gleiche gilt für Mehreinnahmen aufgrund
der Steuerpflichtigkeit von Berufssoldaten.
Somit ist es eher unwahrscheinlich, dass die Abschaffung der Wehrpflicht langfristig zu einer höheren Belastung des Staatshaushaltes führt. Einige Studien kommen sogar zu dem Ergebnis, dass eine Berufsarmee auf lange Sicht den Haushalt weniger belasten würde und somit aus fiskalpolitischen Gründen zu begrüßen sei. [22] | ||
![]() | |||
Gesellschaftspolitische Überlegungen zur Wehrform |
Wichtige Entscheidungen in einer Gesellschaft können nicht nur auf ökonomischem Kalkül beruhen, sondern müssen auch soziale und politische Aspekte berücksichtigen. Ein häufig genanntes Argument für die Wehrpflicht lautet, dass nur sie die Bundeswehr in die Gesellschaft einbinden und kontrollieren könne. Bei einer Berufsarmee bestünde die Gefahr, dass sie sich der gesellschaftlichen und politischen Kontrolle entziehen könnte. Solche Befürchtungen sind aber weitgehend unbegründet, wie die so genannte Weizsäcker-Kommission festgestellt hat. [23] Zum einen ist die Bundeswehr heute schon überwiegend eine Berufsarmee mit über 60 % Zeit- und Berufssoldaten, und in den Führungsebenen kommen naturgemäß keine Wehrpflichtigen zum Einsatz. Zum anderen zeugen die Argumente pro Wehrpflicht von mangelndem Vertrauen in die bestehenden institutionalisierten Kontrollorgane der Bundesrepublik Deutschland. [24] Angesichts der bisherigen Erfahrungen mit der Bundeswehr und Berufsarmeen in anderen Demokratien (z. B. USA, Kanada, Großbritannien, Belgien) gibt es keinen Grund zu solchen Befürchtungen. [25] Auch das Argument, dass durch den Wehrdienst ein repräsentativer Bevölkerungsquerschnitt in der Bundeswehr vertreten sei, lässt sich, wie oben ausführlich dargestellt, nicht halten. Durch die faktische Wahlmöglichkeit zwischen Wehr- und Zivildienst tendieren junge Männer je nach ihrer politischen Orientierung stärker zum Wehr- oder zum Zivildienst. [26] Kinder von Zuwanderern, die künftig mindestens ein Fünftel aller jungen Männer ausmachen, werden gar nicht gezogen. Manchmal wird auch argumentiert, dass die allgemeine Wehrpflicht beibehalten werden muss, weil Zivildienstleistende im sozialen Bereich Dienste erbringen, die bei Wegfall der Wehrpflicht stark verteuert würden. Dieses Argument verkennt, dass der Zivildienst keine eigenständige Existenzberechtigung hat, sondern nur ein Ersatzdienst für anerkannte Kriegsdienstverweigerer ist. Allein die Tatsache, dass so viele junge Männer den Kriegsdienst verweigern, verleiht ihm eine gewisse quantitative Bedeutung für die sozialen Dienste. Ein eigenständiger zwangsweiser Zivildienst hingegen wäre gleichbedeutend mit einem sozialen Pflichtjahr. Dieses ist ökonomisch ähnlich problematisch wie die Wehrpflicht und darüber hinaus ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und die Konventionen 29 (Zwangsarbeit) und 105 (Abschaffung von Zwangsarbeit) der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). [27] Daher ist auch die Forderung nach Einführung eines sozialen Pflichtjahres zurückzuweisen. Stattdessen sollte das freiwillige soziale Jahr mithilfe von Anreizen attraktiver gemacht werden. Damit ließen sich bei Einführung einer Berufsarmee auch der Ausfall der Zivildienstleistenden kompensieren und die Kinder von Zuwanderern gewinnen. | ||
![]() | |||
Fazit |
Aus ökonomischer Sicht ist eine Berufsarmee einer Wehrpflichtarmee vorzuziehen. Sie ist volkswirtschaftlich kostengünstiger und ordnungspolitisch sinnvoller als eine Wehrpflichtarmee. Auch das Problem der Wehrgerechtigkeit - das aus ökonomischer Sicht ein Problem der Steuergerechtigkeit ist - würde sich in einer Berufsarmee nicht mehr stellen. Die Umwandlung der Bundeswehr in eine Berufsarmee erscheint aus sicherheitspolitischen Gründen ebenfalls geboten. Auch gibt es heute keinen überzeugenden gesellschaftspolitischen Grund mehr, der die Aufrechterhaltung der Wehrpflicht angesichts ihrer hohen volkswirtschaftlichen Kosten im Vergleich zu einer Freiwilligenarmee rechtfertigt. Deutschland sollte daher dem Beispiel anderer EU-Staaten folgen und eine Berufsarmee einführen. [1] Vgl. Bundesministerium der Verteidigung: Verteidigungspolitische Richtlinien für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Mai 2003, S. 19 . [2] BVerfG, 2 BvL 5/99 vom 20. Februar 2002, Absatz Nr. 47 (www.bverfg.de). [3] Vgl. Thomas Straubhaar und Michael Schleicher: Wehrpflicht oder Berufsarmee? In: Michael Schleicher und Thomas Straubhaar (Hrsg.): Wehrpflicht oder Berufsarmee? Beiträge aus ökonomischer Sicht. Bern 1996, S. 11. [4] Vgl. Bundesministerium der Verteidigung: Verteidigungspolitische Richtlinien für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Mai 2003, S. 26 . [5] Vgl. Thomas Straubhaar: Einsparpotenziale bei den Verteidigungsausgaben: Die allgemeine Wehrpflicht. In: Dieter Fritz-Aßmus und Thomas Straubhaar (Hrsg.): Sicherheit in einem neuen Europa. Ökonomische und politische Aspekte. Bern 1996, S. 267-290. [6] Vgl. Christian Schütte: Ökonomische Aspekte der Wehrpflicht. In: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, Jg. 71, Nr. 1, 1991, S. 88-92. [7] Vgl. bereits Wilhelm Krelle: Volkswirtschaftliche Kosten und Belastung des Bundeshaushaltes durch Freiwilligen-Streitkräfte. In: Wehrstruktur-Kommission der Bundesregierung (Hrsg.): Die Wehrstruktur in der Bundesrepublik Deutschland. Analyse und Option. Bonn 1973, S. 357. [8] Vgl. dazu Die Welt vom 18. Dezeember 2003, S. 1 und 4. [9] Vgl. dazu z. B. die Angaben in Michael König: Die gesamtwirtschaftliche Effizienz der Wehrpflicht. Eine Untersuchung am Beispiel der Bundeswehr. Göttingen 2000, S. 37; Matthias Funk: Finanzwissenschaftliche Aspekte des Streits um die Einführung einer Berufsarmee. Diskussionsschrift aus dem Institut für Finanzwissenschaft der Universität Hamburg Nr. 47. Hamburg 1996, S. 22. [10] Vgl. Christian Schütte, a. a. O., S. 88. [11] Eine detaillierte Darstellung, warum die Wehrpflicht auch gegen die Prinzipien Gleichmäßigkeit der Besteuerung und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstößt, findet sich in Michael Schleicher: Die Ökonomie der Wehrpflicht. Eine Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Grundsätze der Besteuerung. Frankfurt a. M. 1996, S. 66-118. [12] Die Ausschöpfung der Geburtsjahrgänge 1978 und 1979 wurde aufgrund der Herabsetzung der Altershöchstgrenze bei der Heranziehung zum Grundwehrdienst vom 25. auf das 23. Lebensjahr vorzeitig beendet. Deshalb fallen die Anteile der Wehrdienstleistenden in diesen beiden Jahrgängen mit 34,8 % und 32,1 % gegenüber 36 % des Jahrgangs 1977 (Tabelle 1) noch geringer aus. [13] Ebenfalls von der Wehrpflicht ausgenommen sind Männer, die sich ehrenamtlich im Katastrophen- und Zivilschutz engagieren oder als Entwicklungshelfer tätig sind. [14] Bei fast 5 % des Geburtsjahrgangs 1977 liegen Wehrdienstausnahmen oder vorübergehende Einberufungshindernisse vor. Dies gilt z. B. für angehende Geistliche, aber auch für Personen, die sich in einer beruflichen Erstausbildung befinden. [15] Die Prozentangaben beruhen auf Berechnungen des DIW Berlin auf Basis der vom Bundesministerium der Verteidigung, WV I 5, übermittelten Daten: Bestandsaufnahme: Juni 2003. [16] Vgl.: The German Socio-Economic Panel (GSOEP) after more than 15 years - Overview. In: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung des DIW Berlin, Jg. 70, Nr. 1, 2001, S. 7-14. [17] Detaillierte Analysen zu individuellen und makrostrukturellen Determinanten der Wahrscheinlichkeit, einen Dienst zu leisten, sind zu finden bei Thorsten Schneider: Wehr- und Zivildienst in Deutschland. Wer dient, wer nicht? In: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Jg. 223, Nr. 5, 2003, S. 603-622. [18] Vgl. Kommission Gemeinsame Sicherheit und Bundeswehr der Zukunft: Bericht der Kommission an die Bundesregierung. Berlin 2000. [19] Vgl. Otto Schlecht: Grundlagen und Perspektiven der Sozialen Marktwirtschaft. Tübingen 1990, S. 33 f. [20] Der amerikanische Nobelpreisträger Milton Friedman kommt in Bezug auf die Wehrpflicht zu folgendem ordnungspolitischen Urteil: "Eine dem freien Markt entsprechende Lösung wäre das Freiwilligenheer, das heißt, Menschen für den Dienst anzuwerben. [...] Das jetzige System [gemeint ist die Wehrpflicht] ist ungerecht und willkürlich, es greift weitgehend in die Freiheit junger Menschen ein, ihr Leben frei zu gestalten ..." (Milton Friedman: Kapitalismus und Freiheit. München 1976, S. 61). [21] Bundesministerium der Verteidigung: Wehrpflicht im 21. Jahrhundert. Mehr Sicherheit für alle. Berlin 2002, S. 18 f. [22] Vgl. Michael König, a. a. O., S. 202 f.; Jürgen Schnell und Gabriele Á. Straub: Studien zur Zukunft der Bundeswehr. Teilstudie H - Zur ökonomischen Effizienz der Wehrpflicht am Beispiel der Bundeswehr -Ist eine Wehrpflichtarmee "billiger" und "effizienter" als eine Freiwilligenarmee? München 2000, S.5 . [23] Vgl. Kommission Gemeinsame Sicherheit und Bundeswehr der Zukunft, a. a. O., S. 63. [24] Vgl. Ekkehard Lippert: Die Debatte um die Wehrpflicht. In: Eckardt Opitz und Frank S. Rödiger (Hrsg.): Allgemeine Wehrpflicht: Geschichte, Probleme, Perspektiven. 2. erw. Auflage. Bremen 1995, S. 168-189. [25] Vgl. dazu auch: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: Hat die Wehrpflicht eine Zukunft? Bearb: Oberstleutnant i. G. Burmeister, WF II-144/03, 7. Oktober 2003, S. 24-25. [26] Heinz-Ulrich Kohr: Rechts zur Bundeswehr, links zum Zivildienst? Orientierungsmuster von Heranwachsenden in den alten und neuen Bundesländern Ende 1992. SOWI-Arbeitspapier Nr. 77. München 1993. [27] Vgl. dazu M. Kern und C. Sottas: Freedom of Workers: The Abolition of Forced or Compulsory Labour. In: International Labour Office (Hrsg.): International Labour Standards. A Global Approach. Genf 2002, S. 62 ff.
|
![]() | ![]() |
-------------------------------------------------------------------------------Tabelle 1 Ausschöpfung des Geburtsjahrgangs 1977 in Deutschland (1) ------------------------------------------------------------------------------- Anzahl % Erfasste Männer 409 835 100,0 Davon: Nicht Gemustert 20 521 5,0 Nicht Wehrdienstfähig 54 233 13,2 Wehrdienstfähig 335 081 81,8 Von den wehrdienstfähigen Männern: Wehrdienstausnahmen/ Einberufungshindernisse 19 059 4,7 Kriegsdienstverweigerer 122 837 30,0 Sonstige Dienste 13 894 3,4 Längerdiener 11 918 2,9 Grundwehrdienstleistende 147 677 36,0 (Ausschöpfungs-)Rest 19 696 4,8 ------------------------------------------------------------------------------- (1) Stand Dezember 2002. Quellen: Bundesminsterium der Verteidigung - WV I 5; Bestandsaufnahme WEWIS, persönliche Mitteilung. DIW Berlin 2004 =============================================================================== |
![]() | ![]() |
-------------------------------------------------------------------------------Tabelle 2 Dienstquoten westdeutscher Männer nach Bildungsabschlüssen Geburtsjahrgänge 1962 bis 1977, in % ------------------------------------------------------------------------------- Bildungsabschluss Kein Dienst Wehrdienst Zivildienst Insgesamt Hauptschulabschluss 44 47 9 100 Mittlere Reife 44 41 15 100 (Fach-)Abitur 31 40 29 100 Alle (1) 38 42 20 100 ------------------------------------------------------------------------------- (1) Einschließlich Personen ohne Schulabschluss. Quellen: SOEP 2001; Berechnungen des DIW Berlin. DIW Berlin 2004 =============================================================================== | |
© 04/04 |
Diese Seite empfehlen