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Renaissance: Großstädte wachsen gegen den Trend

Pressemitteilung vom 11. Mai 2010

Die Bevölkerung Deutschlands schrumpft – aber die Städte legen zu

Hamburg, München und Frankfurt liegen bei neuen Jobs vorn, Berlin zieht nach

Die großen Städte Deutschlands werden immer attraktiver für Menschen und Unternehmen. Zu diesem Ergebnis kommt das DIW Berlin in einer aktuellen Studie. Die Einwohnerzahl der 14 größten deutschen Städte ist im letzten Jahrzehnt im Schnitt um drei Prozent gestiegen, während die Gesamtbevölkerung Deutschlands leicht zurückging. „Besonders junge Erwachsene zieht es in die Städte. Parallel dazu nimmt auch die Beschäftigung in den Großstädten wieder zu“, sagte DIW-Regionalforscher Martin Gornig, der zusammen mit seinem Kollegen Kurt Geppert die Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung von Städten mit einer Einwohnerzahl von über einer halben Million untersuchte.

 

„Die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise hat viele Branchen und Regionen in Deutschland hart getroffen“, sagte DIW-Ökonom Kurt Geppert bei der Präsentation der Studie. „Überraschenderweise sind dabei die wirtschaftlichen Zentren des Landes – die großen Städte – nicht die Hauptleidtragenden, sie haben ihre herausgehobene Position sogar noch ausgebaut.“

Städte werden jünger, akademischer und weiblicher

Die Zahl der jungen Erwachsenen bis 25 Jahre wächst in den Großstädten doppelt so schnell wie im Rest des Landes. Parallel nimmt die Zahl der unter 18-jährigen nur halb so stark ab wie im Durchschnitt Deutschlands.

Gegen den gesamtdeutschen Trend wächst auch die Gruppe der 25- bis 30jährigen Stadtbewohner. In dieser Altersgruppe legen besonders Dresden, Leipzig und München zu. Auffällig ist der extreme Zuwachs (40 Prozent) von 25- bis 30jährigen Frauen in diesen drei Städten. Aber auch in Frankfurt, Berlin, Köln und Hamburg sind die Zuwachsraten der jungen Frauen mit über 15 Prozent sehr hoch. Offenbar bleiben viele nach dem Studium verstärkt an den Hochschulstandorten. „Entscheidend für die Attraktivität der Städte ist also, dass nicht nur die jungen Männer, sondern auch die Frauen dort eher einen Job finden“, so DIW-Regionalexperte Gornig. Auf der anderen Seite gibt es deutliche Anzeichen dafür, dass die Unternehmen zunehmend bereits bei ihrer Standortwahl die Wohnwünsche der Hochqualifizierten berücksichtigen.

Soziale Mischung nimmt zu

Die neue Attraktivität der Großstädte zieht gerade auch besser verdienende Bevölkerungsschichten an. Die Chance auf mehr soziale Mischung, die gerade auch den Humus für kreative Entwicklungen bildet, nimmt in den Städten wieder zu. Damit entsteht auch partiell die Gefahr von Verdrängungseffekten in Form von Gentrifizierung. Der Drang in die Innenstädte ist häufig auf einzelne bestimmte Altbauquartiere fokussiert. Büronutzungen als auch die Wohnungsnachfrage besser verdienender Haushalte lassen in den betreffenden Gebieten die Mieten steigen und verdrängen damit sozial benachteiligte Personengruppen aus ihren angestammten Wohnquartieren. Aufgabe – insbesondere der Stadtentwicklungspolitik – wäre es, durch entsprechende Maßnahmen die Raumansprüche der verschiedenen Gruppen möglichst konfliktfrei zu befriedigen.

Städte hängen Umland ab

In München ist die Bevölkerung mit über elf Prozent am stärksten gewachsen, gefolgt von Dresden (sieben Prozent) und Leipzig (fünf Prozent). In den meisten Städten liegt das Bevölkerungswachstum bei drei bis vier Prozent. Lediglich die Ruhrgebiets-Städte Dortmund, Essen und Duisburg konnten im vergangenen Jahrzehnt ihr Bevölkerungsniveau nicht halten. Auch der langjährige Trend zum Umland der großen Städte scheint gebrochen: Seit 2005 geht die Einwohnerzahl dort zurück. Parallel dazu verläuft anscheinend auch die wirtschaftliche Entwicklung im Umland gedämpfter, denn die Beschäftigung entwickelte sich in der ersten Hälfte des Jahrzehnts nur noch ähnlich wie im nationalen Durchschnitt und blieb seit 2005 sogar dahinter zurück.

Städte profitieren vom Strukturwandel

Beim Beschäftigungswachstum liegen Hamburg, München und Frankfurt vorn. In der jüngsten Zeit weist Berlin - neben Hamburg - die größte Dynamik auf. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat in Berlin seit 2005 um gut neun Prozent zugenommen. Insgesamt ist die Beschäftigung in den Städten im vergangenen Jahrzehnt um vier Prozent gewachsen, während sie in Gesamtdeutschland stagnierte. „Dies liegt überwiegend an den überregionalen und vor allem an den wissensintensiven Dienstleistungen, die in den Städten stark expandieren“, sagte DIW-Forscher Geppert. Die deutschen Großstädte, die seit langem unter einem Rückgang der Industriebeschäftigung leiden, sind zunehmend also auch Gewinner des Strukturwandels. Sie haben deshalb gerade in der aktuellen Wirtschaftskrise offenbar vergleichsweise gut abgeschnitten.

Jahrzehntelang hatte es den Anschein, als ob die großen Städte als Steuerungszentralen der Wirtschaft ein „auslaufendes Modell“ wären. Ausgerechnet im Internetzeitalter erleben sie nun eine nachhaltige Renaissance.

Links

  • Mehr Jobs, mehr Menschen: Die Anziehungskraft der großen Städte wächst. Von Kurt Geppert und Martin Gornig. In: Wochenbericht 19/2010 (PDF, 0.73 MB)

    "Die Stadtbevölkerung wächst gegen den Trend" Interview (PDF, 252.63 KB) mit Martin Gornig

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