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Exporte ziehen die Wirtschaft aus der Krise - Binnenwirtschaft muss nachlegen

Pressemitteilung vom 1. September 2010

DIW-Forscherin: „Lohnerhöhungen in Exportbranchen sind vorstellbar“

01.09.2010 - Die deutsche Exportwirtschaft ist im ersten Halbjahr 2010 kräftig gewachsen und hauptverantwortlich für den Aufschwung. Dabei hat die Wirtschafts- und Finanzkrise nichts an den Außenhandelsstrukturen geändert. Das geht aus einer neuen DIW-Studie hervor. Deutschland erwirtschaftet auch weiterhin erhebliche Exportüberschüsse. „Das ist nicht ungefährlich, weshalb die Binnennachfrage gestärkt werden muss. Ein Weg wäre die Aufgabe der bisherigen Lohnzurückhaltung“, sagt DIW-Expertin Mechthild Schrooten.

Die Exporte sind im ersten Halbjahr um 18 Prozent auf 485 Milliarden Euro gewachsen. „Besonders im letzten Quartal sind die Exportzahlen nahezu explodiert“, sagt DIW-Expertin Mechthild Schrooten. „Die Industrie profitiert von milliardenschweren Konjunkturprogrammen, die zahlreiche Volkswirtschaften aufgelegt haben“. Profiteure des Exportbooms sind vor allem die Automobilindustrie, der Maschinenbau und die Chemieindustrie: Mit 45 Prozent Anteil an allen Ausfuhren ist das Gewicht dieser Branchen auch in Krisenzeiten konstant geblieben, so Studienautorin Schrooten.

Exportorientierte Wachstumsstrategie bleibt erhalten

Wichtigste Nachfrager deutscher Exportgüter sind die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union: 60 Prozent betrug der Anteil der Intra-EU-Exporte 2009, auf die Länder der Eurozone entfielen über 40 Prozent. Im Handel mit den USA übertrafen die Warenexporte die Importe um 14 Milliarden Euro, ein Rückgang um 16 Milliarden gegenüber 2005. Die deutsch-chinesische Handelsbilanz weist für die Bundesrepublik ein Minus von 20 Milliarden Euro aus. Grundsätzlich lasse sich jedoch keine nennenswerte Veränderung der geografischen Struktur des deutschen Außenhandels erkennen, sagt DIW-Mitautorin Isabel Teichmann. Der Indikator „Offenheit“, der die Summe von Exporten und Importen ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) setzt, lag selbst im Krisenjahr bei knapp 80 Prozent – im Vergleich internationaler Volkswirtschaften ein sehr hoher Wert.

Dauerhafte Exportüberschüsse sind gefährlich“

„Die Leistungsbilanzüberschüsse sind in den letzten zehn Jahren kräftig gestiegen. Die Position Deutschlands als Nettogläubiger und Investor auf dem internationalen Finanzmarkt verfestigt sich weiter“, so die Autorinnen. Selbst in 2009, dem Jahr des stärksten Wirtschaftseinbruchs der Nachkriegszeit, lag der deutsche Leistungsbilanzüberschuss gemessen am BIP mit fünf Prozent noch über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. „Das zeigt, dass Deutschland hinter seinen binnenwirtschaftlichen Konsum- und Investitionsmöglichkeiten zurück bleibt“, sagt Schrooten. „Die Finanzkrise hat klar gemacht, dass hohe Forderungen auch ein hohes Risiko sind. Das gilt insbesondere dann, wenn unseren Überschüssen dauerhafte Defizite in anderen Ländern gegenüberstehen.“

Die Nettoforderungen gegenüber dem Ausland lagen im dritten Quartal 2009 bei 1,2 Billionen US-Dollar und haben sich während der Finanzkrise sogar noch erhöht. Im Zuge der deutschen Exportüberschüsse nimmt die Kritik an der Lohnzurückhaltung, die in vergangenen Jahren die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie erhöht hat, zu. „Ich teile diese Kritik, weil durch die jahrelange Lohnzurückhaltung zwar die Exportwirtschaft stark unterstützt, aber gleichzeitig auch die Binnenwirtschaft geschwächt wurde“, so DIW-Forschungsprofessorin Mechthild Schrooten. „Eine stärkere Teilhabe an den Exportgewinnen durch Lohnerhöhungen ist vorstellbar.“

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