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Alterssicherung: Zeit für weitere Reformen

Pressemitteilung vom 23. Juni 2011

Anlässlich des von der Bundesregierung geplanten "Regierungsdialogs Rente" legt das DIW Berlin neueste Analysen zur Einkommensverteilung in Deutschland vor. Die beiden DIW-Forscher Jan Goebel und Markus M. Grabka gingen der Frage nach, ob das Risiko für Altersarmut in Deutschland steigt. Dafür untersuchten sie nicht nur die laufenden Einkommen, sondern auch das Vermögen sowie die Haushaltsstrukturen der Personen ab 65 und verglichen sie mit dem Rest der Bevölkerung. Insgesamt, so zeigt die Studie, ist die gegenwärtige Einkommenssituation der älteren Menschen vergleichsweise positiv zu bewerten. „Noch ist das Armutsrisiko der älteren Menschen insgesamt etwas geringer als das der Gesamtbevölkerung in Deutschland. Es gibt allerdings erste Anzeichen, die auf eine mögliche Verschlechterung hindeuten“, so die Autoren. Insofern komme der  "Regierungsdialogs Rente" zur rechten Zeit.

Stichwort SOEP

Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist die größte und am längsten laufende multidisziplinäre Langzeitstudie in Deutschland. Das SOEP ist Teil der Forschungsinfrastruktur in Deutschland und wird unter dem Dach der Leibniz-Gemeinschaft (WGL) von Bund und Ländern gefördert. Angesiedelt ist das SOEP am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Für das SOEP befragen jedes Jahr etwa 600 Interviewerinnen und Interviewer vom Umfrageinstitut TNS Infratest Sozialforschung mehr als 20 000 Menschen in rund 11 000 Haushalten. Die so erhobenen Daten geben unter anderem Auskunft über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung und Gesundheit. Forscherinnen und Forscher im In- und Ausland nutzen die SOEP-Daten für ihre Studien. Bis heute sind mehr als 6 000 Veröffentlichungen auf Basis der SOEP-Daten erschienen.

„Dass das Armutsrisiko der Alten noch unter dem Gesamtdurchschnitt liegt, ist ein auf den ersten Blick überraschendes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass  das Rentenniveau der männlichen Neu-Rentner seit zehn Jahren sinkt und gleichzeitig  mehr Menschen im Alter staatliche Hilfen beziehen“, urteilen die Autoren. Seit 2003 die sogenannte Grundsicherung im Alter eingeführt wurde, ist die Zahl der Bezieher gestiegen. Insgesamt beträgt die Quote der Grundsicherungsempfänger aber nur 2,5 Prozent unter allen älteren Menschen. Nicht bekannt ist, inwieweit der Anstieg in den letzten Jahren lediglich durch einen  Abbau verdeckter Armut bedingt ist. Sie entstand zum Beispiel, wenn alte Menschen nicht zum Sozialamt gehen wollten, obwohl sie Anspruch auf Unterstützung hatten.

Bei ihren Studien stießen die DIW-Forscher auf  mehrere wichtige Faktoren, die das Gesamtrisiko der Altersarmut derzeit noch auf niedrigem Niveau halten. Ein erster Faktor ist das stabile Niveau der Bestandsrenten. „Männlichen Rentnern, die sich schon längere Zeit im Ruhestand befinden, werden im Schnitt rund 1000 Euro ausgezahlt. Wer hingegen heute in Rente geht, erhält im Schnitt sieben Prozent weniger als vor zehn Jahren.“ Ein zweiter Faktor sind die steigenden Zahlbeträge bei Rentnerinnen. „Frauen verfügen heute über zunehmend längere Erwerbsbiographien als früher.“

Ebenfalls dämpfend auf das Armutsrisiko im Alter wirken sich bislang wenig beachtete Veränderungen der Haushaltsstrukturen aus:  „Immer mehr ältere Menschen leben in Paarhaushalten. Eine unzureichende Einkommenslage des einen Haushaltsmitglieds kann dann durch das zusätzliche Einkommen des anderen ausgeglichen werden“, so Goebel und Grabka. In der Altersklasse ab 65 Jahren waren 2009 mehr als 20 Prozent der Alleinlebenden von Armut bedroht, in Paarhaushalten war das Armutsrisiko mit 10 Prozent nur halb so groß. Zum Vergleich: In der Gesamtbevölkerung lag das Armutsrisiko bei rund 14 Prozent.
Üblicherweise werden bei  Armutsrisiko-Analysen in Deutschland nur laufende Einkommen und der Wert selbstgenutzten Wohneigentums herangezogen. „Wird hingegen auch die Vermögenssituation berücksichtigt, so zeigt sich, dass immerhin 20 Prozent der von Einkommensarmut Bedrohten noch über nennenswerte Nettovermögen verfügen. Diese Gruppe findet sich vorrangig im höheren Lebensalter“, so die Forscher. Berücksichtigt man nennenswerte Vermögen bei der Berechnung des Armuts-Risikos,  so waren 2007 insgesamt nur ca. 10 % älterer Menschen von Armut bedroht.

„Mittel- und langfristig können die Zahlbeträge der gesetzlichen Renten durch zunehmende Lücken im Erwerbsverlauf, längere Ausbildungszeiten und prekäre Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland sinken. Dann würde die Altersarmut wieder an Bedeutung gewinnen“, warnen die Forscher. Bislang stellen die Renten der GRV den zentralen Pfeiler der Alterssicherung dar. Private Renten – wie die Riester-Rente – haben besonders in den unteren Einkommensbereichen noch keine große Bedeutung erlangt. „Die Politik tut deshalb gut daran, diese Entwicklung aufmerksam zu beobachten und über weitere Reformen nachzudenken“.

Zu beachten ist: Analysen zur Einkommensarmut unterliegen definitorischen, konzeptionellen als auch verschiedenen methodischen Problemen. Unter Verwendung variierender Annahmen zur Berechnung von relativer Einkommensarmut können Ergebnisse sowohl im Niveau als auch für Teilpopulationen voneinander abweichen. In dem vorliegenden Forschungsbericht werden die Konventionen gemäß des 3. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung verwendet.
 

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