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Testfall Zypern: Bail-in und echte Vermögensabgabe

Bericht vom 26. März 2013

Gastbeitrag von Stefan Bach, der in ähnlicher Fassung im Handelsblatt am 26.3.2013 erschienen ist.

Nach einer Chaos-Woche zeichnet sich nun doch noch eine halbwegs geordnete Lösung der Zypern-Krise ab. Dass die Überschuldungsprobleme eines Landes mit der Einwohnerzahl einer kleineren europäischen Großstadt die internationalen Finanzmärkte beunruhigt und tagelang die Agenda der Europapolitik beherrscht, macht die Abnutzungserscheinungen der Eurokrise deutlich. Die mitunter operettenhaften Zuspitzungen der Akteure tun ein Übriges dazu. Da schimpfen zyprische Politiker über die „neoliberalen“ Anmaßungen der Deutschen, die das blühende Geschäftsmodell mit den Wohlhabenden der Welt kaputt machen wollten. Die einflussreiche orthodoxe Kirche bietet dem Staat ihr Vermögen an. In der Not sollten sogar die Rentenkassen geplündert werden. Und die Machthaber im Kreml erlebten dieser Tage wohl ein inneres Fest, als das EU- und Eurozonenland Zypern kurzfristig um Milliarden für die Bankenrettung bettelte.

Die Zyprer haben sich beim Poker um das Hilfspaket schwer verzockt. Russland wollte nicht den weißen Ritter spielen und zeigte die kalte Schulter. Die Finanzmärkte blieben gelassen. Die Systemrelevanz für die Finanzmarktstabilität ist nicht groß. Anders als in Irland sind die Banken in Zypern nur wenig mit ausländischen Banken verflochten. Allenfalls drohen gewisse Ansteckungswirkungen in den südeuropäischen Krisenländern.

Dass die Troika vorletztes Wochenende eine Zwangsabgabe auf Spareinlagen ab dem ersten Euro mitgetragen hat, war natürlich ein schwerer Fehler. Das löste europaweite Verunsicherung aus und hat die trotzige Ablehnung des Hilfspakets im zyprischen Parlament her-aufbeschworen. Aber die Schieflagen in den aufgeblähten Bankbilanzen sind für das kleine Land viel zu groß. Schon die zugesagten 10 Milliarden Euro Hilfskredite treiben die zyprischen Staatsschulden um 55 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nach oben. Und das bei einer schon bestehenden Maastricht-Staatschuldenquote von 90 Prozent und einem laufenden Defizit von 6 Prozent.

Der in der letzten Woche hastig zusammenschusterte Plan B der Zyprer war wenig überzeugend. Der Griff in die Pensionskassen oder die Mobilisierung von Staatsvermögen löst letztlich nicht die Überschuldungsprobleme, da künftige Einnahmen wegfallen oder unzumutbare soziale Härten ausgelöst werden. Der Eigenbeitrag von 5,8 Milliarden Euro macht gut 30 Prozent des zyprischen BIP aus. In Deutschland wären das 810 Milliarden Euro. Solche Summen kurzfristig mit Vermögensübertragungen, Steuererhöhungen oder Budgetkür-zungen mobilisieren zu wollen ist unrealistisch.

Daher führt an einer Abwicklung oder Restrukturierung der insolventen Banken kein Weg vorbei, wie es jetzt vorgesehen ist. Zumal das Geschäftsmodell aus Steuerdumping und lockerer Bankenregulierung keine Zukunft hat. Aber auch eine Zwangsabgabe auf Sparguthaben hat ihre Tücken, selbst wenn man kleinere Einlagen schont. Denn das ist bereits eine fiskalische Maßnahme, mit der die Verantwortlichkeiten für die Bankenmisere auf den Staat und die Troika abgewälzt werden. Außerdem können höhere Abgabesätze Konflikte mit internationalen Investitionsschutzabkommen auslösen, die Zypern unterzeichnet hat.

Die Zypern-Krise macht einmal mehr deutlich, dass die Währungsunion im Rahmen einer vorsorgenden Bankenregulierung spezielle Krisenfahrpläne und Insolvenzordnungen für Banken braucht. Bei systemrelevanten Instituten muss eine schnelle Abwicklung oder Übernahme und Re-Kapitalisierung durch Bankenaufsicht und Zentralbanken gewährleistet sein. Die bereits bestehenden Instrumente dafür sind Zinsmoratorien, Laufzeitverlängerungen, quotale Schuldenschnitte oder Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital. Also „bail-in“ durch die Gläubiger statt „bail-out“ durch den Staat oder internationale Hilfsfonds. Dies scheint jetzt auch die bevorzugte Lösung für die Abwicklung der zyprischen Krisenbanken zu sein. Das ist nicht zuletzt ein wichtiges Signal weg vom permanenten Eurokrisen-Durchwursteln hin auf den „ordnungspolitisch“ sauberen Weg.

Dabei sollten die üblichen und zumeist auch vertraglich vereinbarten Rangordnungen für Gläubiger gelten. Nach den Eigenkapitalgebern müssen die Inhaber nachrangiger Anleihen und anderer nachrangiger Forderungen dran glauben, dafür bekommen sie höhere Zinsen. Normale Bankeinlagen und vorrangige Forderungen werden bevorzugt bedient. Wenn die Substanz dafür nicht mehr ausreicht, soll die staatliche Einlagensicherung die inländischen Kleinsparer entschädigen. Wobei man auch hier durchaus einen moderaten Selbstbehalt vorsehen kann angesichts der üppigen Zinsen, die in Zypern in den letzten Jahren gezahlt wurden. Ausländer muss man nicht entschädigen, auch nicht für Einlagen unter 100 000 Euro, so war es auch bei der Island-Krise vor einigen Jahren.

Ein Bankencrash löst viele Härten aus. Einzelne Bürger verlieren einen Teil ihrer Ersparnisse, Unternehmen ihre liquiden Anlagen, während andere ungeschoren davonkommen. Die wirtschaftlichen Perspektiven der nächsten Jahre sind sehr trübe in Zypern, was die Staatsschulden weiter in die Höhe treiben wird. Hier gibt es noch genügend Einsatzmöglichkeiten für den Alternativplan B, bei dem mit Spenden der Kirche oder nicht unbedingt notwendigem Staatsvermögen weitere Mittel mobilisiert werden, um den Staatshaushalt zu stabilisieren, Banken zu re-kapitalisieren oder Härtefälle zu entschädigen.

Statt nur die Bankeinlagen zu belasten, könnte dazu eine allgemeine Vermögensabgabe auf sämtliche Vermögen nach Abzug der Schulden erhoben werden. Da die Vermögen deutlich konzentriert sind, kann eine solche Abgabe erhebliche Einnahmen erzielen, selbst wenn man sie erst ab einem großzügigen Freibetrag erhebt. Schätzungen für Deutschland zeigen, dass eine solche Vermögensabgabe mit einem persönlichen Freibetrag von 250 000 Euro (500 000 Euro für Ehepaare) und einem Betriebsvermögens-Freibetrag von 5 Millionen Euro eine Bemessungsgrundlage von 92 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erzielen könnte. Betroffen wären die reichsten acht Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Selbst ein noch halbwegs moderater Abgabesatz könnte also erhebliche Einnahmen generieren. Die Abgabe müsste nicht auf einen Schlag bezahlt, sondern könnte über 20 bis 30 Jahre verrentet werden. Dann greift sie auch nicht unmittelbar in die Vermögenssubstanz ein, sondern kann besser aus den laufenden Erträgen bezahlt werden.

Vermutlich könnten auch in Zypern erhebliche Größenordnungen erzielt werden. In den letzten Jahren haben sich viele Wohlhabende auf der Insel angesiedelt. Natürlich muss man dazu die Immobilien und größeren Betriebe bewerten, was nicht einfach ist. Kapitalflucht ist dagegen kein Thema, denn der Kapitalverkehr ist inzwischen weitgehend überwacht.

Stefan Bach ist Steuerexperte der Abteilung Staat im DIW Berlin.

Wie Zypern wieder auf die Beine kommt (Handelsblatt 26.3.2013)

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