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Index-basierte Wetterversicherungen in Entwicklungsländern

DIW Roundup 20, 4 S.

Veronika Bertram-Hümmer

2014

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22. Mai 2014, Veronika Bertram-Hümmer, vhuemmer@diw.de

Der Klimawandel wird wahrscheinlich in vielen Regionen zu einer Zunahme von Unwetterkatastrophen wie Dürren oder Überschwemmungen führen (IPCC 2013). Davon sind vor allem Entwicklungsländer betroffen, da sie oft in den besonders anfälligen Klimazonen liegen und die Landwirtschaft dort eine wichtige Rolle spielt (FAO 2013). Index-basierte Versicherungsprodukte gelten als großer Hoffnungsträger, um landwirtschaftliche Haushalte dabei zu unterstützen, Schäden durch Unwetter wirtschaftlich besser zu bewältigen (Barnett, Barrett, und Skees 2008). Seit einigen Jahren fördern internationale Akteure wie die Weltbank (2011) und seit 2014 auch die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (2014) die Entwicklung und Implementierung von index-basierten Versicherungen in Entwicklungsländern. Es werden derzeit zahlreiche Pilotprojekte zu index-basierten Versicherungen in unterschiedlichen Regionen durchgeführt.

Wie funktionieren index-basierte Versicherungen?

Im Gegensatz zu klassischen Versicherungsprodukten hängt die Auszahlung von index-basierten Versicherungen nicht von erlittenen Verlusten der Versicherten Haushalte, sondern von einem Index ab. Der Index basiert auf regionalen Wetterdaten, wie beispielsweise Temperatur- oder Niederschlagsmessungen (siehe Tabelle 1). Somit ist der Index indirekt mit den wetterbedingten Schäden der Versicherungsnehmer korreliert. Wird ein zuvor festgelegter Grenzwert überschritten, erhalten die Versicherten Leistungen aus der Versicherung. Die Höhe der Versicherungsleistung hängt hierbei vom Ausmaß der Überschreitung des Grenzwertes ab.

Tabelle 1: Ausgewählte Index-basierte Versicherungssysteme 

Vorteile und Herausforderungen

Index-basierte Versicherungen haben eine Reihe von Vorteilen gegenüber klassischen Versicherungen (Barnett und Mahul, 2007). Da der Versicherungsfall nicht vom individuellen Risiko abhängt, ist eine adverse Selektion ausgeschlossen. Das bedeutet, dass sich nicht vorrangig solche Haushalte versichern, die von vorneherein ein erhöhtes Risiko aufweisen. Ebenso gibt es keinen "Moral Hazard": Versicherte Haushalte haben keinen Anreiz weniger Vorkehrungsmaßnahmen gegen Verluste zu treffen, da mögliche Schäden abgedeckt sind. Weiterhin fallen weitaus weniger Transaktionskosten an, da die Kosten für die individuelle Überprüfung und Anerkennung der Schäden entfallen. Dadurch lässt sich auch eine zügigere Auszahlung der Versicherungsleistungen realisieren.

Die zahlreichen Vorteile von index-basierten Versicherungen kommen jedoch nur zum Tragen, wenn der Index auch tatsächlich das individuelle Risiko abbildet: Ein adäquater Index muss ausreichend mit den erwarteten individuellen Verlusten korrelieren. Dies erfordert verlässliche Daten. Zum einen müssen die Daten über einen längeren Zeitraum aus der Vergangenheit verfügbar sein, sodass Grenzwert und Prämie entsprechend dem durchschnittlichen Risiko kalkuliert werden können. Zum anderen müssen kontinuierlich Informationen gesammelt werden, um einen Versicherungsfall zeitnah zu erkennen. Wenn der Index nur geringfügig mit dem Risiko der einzelnen Versicherungsnehmer korreliert ist es möglich, dass ein Versicherter wetterbedingte Ausfälle erleidet, der regionale Grenzwert jedoch nicht überschritten wird. In diesem Falle wird der Haushalt für seine wetterbedingten Schäden nicht entschädigt, obwohl er sich gegen den Schaden versichert hatte (sogenanntes Downside-Risiko).

Daneben ist in Entwicklungsländern das Konzept einer Versicherung oft wenig geläufig. Versicherten muss vermittelt werden, dass sie für eine Leistung zahlen, die nur bei Eintritt eines Unwetters zu einer Auszahlung führt. Dazu muss bei index-basierten Produkten der komplexe Zusammenhang zwischen dem regionalen Index und dem individuellen Schaden verstanden werden. Index-basierte Versicherungen erfordern daher einen nicht unerheblichen Aufwand an Schulungs- und Marketingaktivitäten.

Die Nachfrage ist bisher gering

Trotz der hohen Erwartungen ist die Nachfrage nach index-basierten Versicherungen bislang gering. Verschiedene Studien untersuchen derzeit, welche Gründe für den Versicherungskauf ausschlaggebend sind.

In einer langjährigen Studie der Harvard Universität in Gujarat, Indien, finden Cole et al. (2013), dass die Höhe der Versicherungsprämie beim Kauf entscheidend ist. Ein weiterer Faktor ist das Vertrauensverhältnis zum Versicherungsvertreter und der Versicherungsgesellschaft. Die mangelnde Liquidität bei landwirtschaftlichen Haushalten ist häufig ein Hinderungsgrund, sich zu versichern.

Mobarak und Rosenzweig (2012) von der Yale Universität untersuchen ebenso in Indien, welche Rolle informelle Netzwerke (z.B. die Familie oder der Freundeskreis) beim Versicherungskauf spielen. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass index-basierte Versicherungen weniger nachgefragt werden, wenn innerhalb eines informellen Netzwerkes auch aggregierte Risiken abgesichert sind.

Der Erfolg von Marketingaktivitäten und finanziellen Schulungen zur Ankurbelung der Nachfrage scheint vom zeitlichen Aufwand abzuhängen. Mobarak und Rosenzweig (2013) sowie Gaurav et al. (2011) kommen zu der Schlussfolgerung, dass eine kurze Aufklärung zur Funktionsweise von Wetterindizes keinen Einfluss auf die Kaufentscheidung hat. Jedoch finden Gaurav et al. (2011) einen positiven Effekt einer ausführlichen zweitägigen Finanzschulung. Dercon et al. (2014) zeigen, dass die Schulung von Gruppenleitern landwirtschaftlicher Vereinigungen bewirkt, dass sich einzelne Landwirte in der Vereinigung häufiger versichern (sogenannte Spill-Over Effekte).

Die Auswirkungen sind kaum erforscht

Aufgrund der niedrigen Nachfrage sind die Auswirkungen von index-basierten Versicherungen auf das Investitionsverhalten und auf die wirtschaftliche Situation der landwirtschaftlichen Haushalte kaum erforscht. Die wenigen bisherigen Studien zeigen, dass versicherte Haushalte risikoreichere und profitablere Investitionsentscheidungen treffen (Mobarak und Rosenzweig 2013, Vickery, Gine und Cole 2013). Während die Autoren das geänderte Investitionsverhalten für die selbstständigen Landwirte als positiv beurteilen, finden sie negative Effekte auf die Löhne der abhängigen Beschäftigten (Mobarak und Rosenzweig 2013).

Fazit

Index-basierte Versicherungen gelten als Hoffnungsträger für die Absicherung von Wetterrisiken in Entwicklungsländern. Jedoch ist die Nachfrage bisher sehr niedrig. Das wissenschaftliche Verständnis stützt sich auf wenige Studien und Fallbeispiele. In welche Richtung sich diese Produkte in der Zukunft entwickeln werden hängt unter anderem von den Ergebnissen der Pilotprojekte ab, die derzeit von Versicherern und internationalen Akteuren der Entwicklungszusammenarbeit durchgeführt werden. Auf Basis dieser Daten können Entwicklungsökonomen besser analysieren, welche Faktoren die Kaufentscheidung beeinflussen, wie die traditionellen Absicherungsmethoden mit den neuen Produkten zusammenspielen und welche langfristigen Auswirkungen von index-basierten Versicherungen zu erwarten sind. Erst dann lässt sich absehen, ob index-basierte Wetterversicherungen tatsächlich die Erwartungen erfüllen können, die derzeit in sie gesetzt werden.

Quellen

Barnett, Barry J., Christopher B. Barrett, und Jerry R. Skees. 2008. „Poverty traps and index-based risk transfer products". World Development 36 (10): 1766-85.

Barnett, Barry J., und Olivier Mahul. 2007. „Weather index insurance for agriculture and rural areas in lower-income countries". American Journal of Agricultural Economics 89 (5): 1241-47.

Cole, Shawn, Xavier Gine, Jeremy Tobacman, Petia Topalova, und James Vickery. 2013. „Barriers to Household Risk Management: Evidence from India". American Economic Journal: Applied Economics 5 (1): 104-35.

Dercon, Stefan, Ruth Vargas Hill, Daniel Clarke, Ingo Outes-Leon, und Alemayehu Seyoum Taffesse. 2014. „Offering rainfall insurance to informal insurance groups: evidence from a field experiment in Ethiopia". Journal of Development Economics 106: 132-43.

FAO. 2013. FAO Statistical Yearbook 2013. Bd. Part I. ISSN 2225-7373, FAO: Rome.

Gaurav, Sarthak, Shawn Cole, und Jeremy Tobacman. 2011. „Marketing complex financial products in emerging markets: Evidence from rainfall insurance in India". Journal of marketing research 48 (SPL): S150-S162.

Mobarak, Ahmed Mushfiq, und Mark Rosenzweig. 2012. „Selling formal insurance to the informally insured". Yale University Economic Growth Center Discussion Paper, Nr. 1007.

Mobarak, Ahmed Mushfiq, und Mark Rosenzweig. 2013. „Informal Risk Sharing, Index Insurance, and Risk Taking in Developing Countries". The American Economic Review 103 (3): 375-80.

Stocker, T.F., D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S.K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, und V. Bex. 2013. „IPCC, 2013: Summary for Policymakers". In Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, herausgegeben von P.M. Midgley. Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA: Cambridge University Press.

KfW. 2014. „Insurance against drought in Africa". KfW News. Januar 24.

Vickery, James, Xavier Giné, und Shawn Cole. 2013. „How does risk management influence production decisions? evidence from a field experiment" American Economic Journal: Applied Economics. 5 (1), p. 104-35.

World Bank. 2011. "Weather Index Insurance for Agriculture: Guidance for Development Practitioners." Agriculture and Rural Development Discussion Paper. 50. p. 116. World Bank: Washington DC.


Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/111799

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