Pressemitteilung vom 6. Oktober 2015
Sie schaffen seltener den Schulwechsel auf ein Gymnasium und haben schlechtere Schulnoten
Bei Kindern aus bildungsferneren Elternhäusern verringert eine Trennung der Eltern die durchschnittlichen Chancen, dass sie den Schulwechsel auf ein Gymnasium schaffen. In höher gebildeten Familien hat eine Trennung der Eltern hingegen in der Regel keinen Einfluss auf die Schullaufbahn der Söhne und Töchter. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Studie auf der Basis von Daten der Langzeitstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP), die der Soziologe Michael Grätz vom Nuffield College der Universität von Oxford erstellt hat. „Familien aus höheren sozialen Schichten können den negativen Einfluss einer Trennung auf den Schulerfolg ihrer Kinder besser abfangen als andere“, erklärt Grätz. Die Studie wurde kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift European Sociological Review veröffentlicht.
Mit Hilfe eines Jugendfragebogens werden im SOEP seit dem Jahr 2000 Daten zu kinder- und jugendspezifischen Themen erhoben. Diesen Fragebogen beantworten alle 17-jährigen Jugendlichen, die erstmals persönlich in einem SOEP-Haushalt befragt werden. Er enthält insbesondere rückblickende Fragen zur Schullaufbahn, zur Musikerziehung und zu sportlichen Aktivitäten und zur aktuellen Situation (schulische Leistung, Freizeitgestaltung, Jobben, Verhältnis zu den Eltern etc.). Darüber hinaus wird nach (Aus-)Bildungsplänen und Erwartungen an die berufliche und familiäre Zukunft gefragt. Die Jugenddaten sind mit den für den gesamten Haushalt erhobenen Daten verknüpfbar und ermöglichen so zahlreiche intergenerationale Analysen sowie Vergleiche mit jüngeren oder älteren Geschwistern. Die Anonymität der Befragten wird dabei voll gewahrt.
Im analysierten Zeitraum besuchten etwa 40 Prozent der befragten Schüler nach der Grundschule ein Gymnasium. Der Besuch eines Gymnasiums entscheidet zu einem großen Teil über den späteren Bildungserfolg und damit auch über die Berufschancen von Kindern. Um herauszufinden, wie sich eine Trennung der Eltern auf die Schullaufbahn von Kindern unterschiedlicher sozialer Herkunft auswirkt, hatte Grätz Angaben aus dem SOEP-Jugendfragebogen ausgewertet. In die deutschlandweit repräsentative Untersuchung flossen zwischen 2000 und 2013 erhobene Daten von 1648 Jugendlichen im Alter von 17 Jahren ein. Grätz verglich in seiner Studie die Schullaufbahn von Jugendlichen, deren Eltern sich in deren Kindheit - also vor ihrem 15. Lebensjahr - getrennt haben, mit der ihrer älteren Geschwister, die die Trennung erst in einem höheren Alter erlebt haben.
Im Detail zeigt die Analyse der SOEP-Daten: Für Kinder aus bildungsferneren Familien – das sind Familien, in denen weder Vater noch Mutter Abitur haben – verringert eine Trennung der Eltern die Wahrscheinlichkeit, dass sie ein Gymnasium besuchen, um fast 15 Prozentpunkte. Die Trennung führt zudem zu schlechteren Noten im Alter von 16 Jahren in den Fächern Deutsch und Mathematik.
Für Kinder aus Elternhäusern, in denen zumindest ein Elternteil das Abitur gemacht hat, wird die Wahrscheinlichkeit, dass sie auf eine höhere Schule gehen, durch eine Trennung der Eltern hingegen nicht beeinflusst. Die Trennung der Eltern führt auch nicht zu schlechteren Bewertungen in den Fächern Deutsch und Mathematik.
Vor allem der Bildungsgrad der Väter entscheidet darüber, inwieweit Eltern die Folgen einer Trennung auf den Schulerfolg der Kinder ausgleichen können. „In der Regel leben die Kinder nach der Trennung im Haushalt der Mutter“, erklärt Michael Grätz. „Väter mit Abitur verfügen jedoch über mehr finanzielle Mittel und Kontakte als Väter ohne dieses Zeugnis und können so ihren Nachwuchs auch nach einer Trennung gut unterstützen und fördern.“
Die Studie ist ein weiterer Beleg für die soziologische Hypothese, dass Familien aus höheren sozialen Schichten die Folgen von negativen Lebensereignissen besser ausgleichen können als andere. Frühere Studien haben zum Beispiel gezeigt, dass ein junges Einschulungsalter und ein geringes Geburtsgewicht die Schullaufbahn von Kindern aus höheren sozialen Schichten weniger beeinflussen als die von Kindern aus niedrigeren sozialen Schichten.
Kontakt zum Wissenschaftler:
Michael Graetz, E-mail: michael.gratz@EUI.eu
Themen: Bildung , Ungleichheit