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Corona-Krise erschwert Vereinbarkeit von Beruf und Familie vor allem für Mütter – Erwerbstätige Eltern sollten entlastet werden

DIW Wochenbericht 19 / 2020, S. 331-340

Kai-Uwe Müller, Claire Samtleben, Julia Schmieder, Katharina Wrohlich

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  • Weitgehende Kita- und Schulschließungen stellen über vier Millionen Familien mit erwerbstätigen Eltern vor große Probleme mit Blick auf Vereinbarkeit von Beruf und Familie
  • SOEP-Daten aus Vorkrisenzeiten zeigen: Viele erwerbstätige Eltern haben nicht einmal theoretisch die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten
  • Unter Haushalten mit zwei erwerbstätigen Elternteilen liegt Home-Office-Potential bei 57 Prozent, unter erwerbstätigen Alleinerziehenden bei 35 Prozent
  • Doch selbst wenn Heimarbeit möglich ist, dürfte Erwerbstätigkeit nur schwer mit Kinderbetreuung und Hausarbeit vereinbar sein – Hauptlast tragen wohl Mütter
  • Politik sollte Corona-Elternzeit und Corona-Elterngeld einführen, um erwerbstätige Eltern zu entlasten – bei Paaren sollten beide Elternteile Arbeitszeit reduzieren müssen

„Es war schon vor der Corona-Zeit so, dass Mütter im Durchschnitt deutlich mehr Kinderbetreuung und Hausarbeit übernommen haben. Wir vermuten, dass aufgrund der gleichen Mechanismen, die zu dieser Ungleichverteilung geführt haben, auch derzeit vor allem Frauen den größten Teil der zusätzlichen Last schultern.“ Julia Schmieder

Die starken Einschränkungen des Kita- und Schulbetriebs infolge der Corona-Pandemie stellen in Deutschland mehr als vier Millionen Familien mit erwerbstätigen Eltern vor große Probleme, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie angeht. Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus Vorkrisenzeiten zeigen, dass nur in etwas mehr als der Hälfte aller Haushalte mit zwei erwerbstätigen Elternteilen zumindest eine Person theoretisch die Möglichkeit hat, im Home-Office zu arbeiten. Unter den besonders betroffenen Alleinerziehenden gilt das sogar nur für rund 35 Prozent. Arbeiten im Home-Office kann die Vereinbarkeitsprobleme also nicht lösen, ganz abgesehen davon, dass wirklich produktives Arbeiten parallel zur Kinderbetreuung oftmals nicht möglich ist. Die Hauptlast der zusätzlich anfallenden Kinderbetreuung und Hausarbeit tragen vermutlich die Mütter – das Ausmaß der schon zuvor ungleich verteilten Sorgearbeit könnte also noch zunehmen. Die Politik sollte diese Probleme adressieren und eine Corona-Elternzeit zusammen mit einem Corona-Elterngeld einführen. Eltern könnten dann für die Kinderbetreuung ihre Arbeitszeit reduzieren und eine Lohnersatzleistung vom Staat erhalten. Bei Paaren sollte diese Leistung an die Bedingung geknüpft sein, dass beide Elternteile weniger Stunden pro Woche berufstätig sind.

Mitte März 2020 wurden wie in den meisten europäischen Ländern auch in Deutschland alle Kindertagesstätten (Kitas) und Schulen geschlossen, um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen. Seit knapp zwei Monaten sind dadurch etwa 8,8 Millionen betreuungsbedürftige Kinder, die eigentlich eine Kindertageseinrichtung oder Schule besuchen, zu Hause.infoAnalog zu geltenden Entschädigungsregeln bei Verdienstausfällen werden in diesem Bericht Kinder im Alter von bis zu zwölf Jahren als betreuungsbedürftig angesehen. Dies ist geregelt in § 65 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (online verfügbar; abgerufen am 28. April 2020. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Dadurch werden diese Kinder nicht nur im Alltag, sondern auch in ihrer sozialen Entwicklung und ihren Bildungschancen beeinträchtigt.infoVgl. beispielsweise Mathias Huebener und Laura Schmitz (2020): Corona-Schulschließungen: Verlieren leistungsschwächere SchülerInnen den Anschluss? DIW aktuell Nr. 30 (online verfügbar); und Georg F. Camehl (2016): Wie beeinflusst der Besuch einer Kindertageseinrichtung nicht-kognitive Fähigkeiten? DIW Roundup Nr. 105 (online verfügbar).

Darüber hinaus stellen Kita- und Schulschließungen insbesondere erwerbstätige Eltern vor das Problem, ihre Erwerbsarbeit mit einer ganztägigen Kinderbetreuung zu vereinbaren. Auf Basis von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) wird in diesem Bericht ermittelt, wie viele Familien in unterschiedlichen Erwerbskonstellationen davon betroffen sind. Bevölkerungsrepräsentative Informationen auf Basis großer Mikrodatensätze über die Aufteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit in Haushalten mit Kindern unter den Einschränkungen während der Corona-Pandemie liegen derzeit noch nicht vor.infoDas Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) hat eine aktuelle, nicht repräsentative Online-Befragung durchgeführt, vgl. Mareike Bünning, Lena Hipp und Stefan Munnes (2020): Erwerbsarbeit in Zeiten von Corona (online verfügbar). Zudem werden gerade erste Auswertungen aktueller Daten aus Umfragen unter Erwerbstätigen aus dem April 2020 veröffentlicht, vgl. zum Beispiel Abi Adam-Prassl, Teodora Boneva, Marta Golin und Christopher Rauh (2020): Inequality in the Impact of the Coronavirus Shock. Evidence from Real Time Surveys. IZA Discussion Paper 13183 (online verfügbar) und die Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung (2020): Corona-Krise: 14 Prozent in Kurzarbeit – 40 Prozent können finanziell maximal drei Monate durchhalten – Pandemie vergrößert Ungleichheiten (online verfügbar). Deshalb werden auf Basis von Daten über die Aufteilung der Sorge- und Erwerbsarbeit zwischen Müttern und Vätern für das Jahr 2018 Vermutungen darüber angestellt, wer in welchem Umfang die zusätzliche Kinderbetreuung und Hausarbeit derzeit wohl schultert.infoVgl. hierzu auch Jonas Jessen, Sevrin Waights und C. Katharina Spieß (2020): Geschlossene Kitas: Mütter tragen mit Blick auf Zeiteinteilung vermutlich die Hauptlast. DIW aktuell Nr. 34 (online verfügbar). Schließlich wird darauf eingegangen, wie sich die Möglichkeit, bestimmte Berufe im Home-Office ausüben zu können, auf die Verteilung der zusätzlichen Sorgearbeit auswirken könnte.infoVgl. dazu für den US-Kontext auch Titan Alon, Matthias Doepke, Jane Olmstead-Rumsey und Michèle Tertilt (2020): The impact of Covid-19 on gender equality. CEPR Press, Issue 4 (online verfügbar).

Betreuungsmöglichkeiten außerhalb des Haushalts essentiell für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Im internationalen Vergleich war die Erwerbsbeteiligung von Müttern mit jüngeren Kindern in Westdeutschland bis Mitte der 2000er Jahre eher niedrig. Gleichzeitig war der Anteil der Kinder unter drei Jahren, die in Kindertagesstätten betreut wurden, geringer als in anderen europäischen Ländern und lag auch deutlich unter dem ostdeutschen Niveau.infoVgl. Agnes Blome (2017): The Politics of Work-Family Policy Reforms in Germany and Italy. Routledge, Ebingdon. Etwa seit Mitte der 2000er Jahre wurde der Kita-Ausbau für Kinder unter drei Jahren in ganz Deutschland forciert. Eine aktuelle empirische Studie zeigt, dass der Ausbau der Kindertagesbetreuungsplätze eine wichtige Erklärung für den Anstieg der Erwerbsbeteiligung westdeutscher Müttern in diesem Zeitraum liefert.infoVgl. dazu Kai-Uwe Müller und Katharina Wrohlich (2020): Does subsidized care for toddlers increase maternal labor supply? Evidence from a large-scale expansion of early childcare. Labour Economics 62. Betreuungsplätze für Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren sowie die Möglichkeiten zur Ganztagsbetreuung für Schulkinder sind für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht weniger wichtig.infoFür Kinder im Vorschulalter existieren vergleichbare Befunde zum Zusammenhang von öffentlicher Betreuung und Müttererwerbstätigkeit, vgl. beispielsweise Stefan Bauernschuster und Martin Schlotter (2015): Public child care and mothers‘ labor supply. Evidence from two quasi-experiments. Journal of Public Economics, 123 (C), 1–16. Zu den Auswirkungen des Ausbaus von Ganztagsschulen auf die Erwerbsbeteiligung von Müttern siehe Ludovica Gambaro, Jan Marcus und Frauke Peter (2019): School Entry, Afternoon Care and Mothers‘ Labor Supply, Empirical Economics 57, 3, 769–803. Im Umkehrschluss bedeuten diese empirischen Befunde, dass aktuell viele Familien von Kita- und Schulschließungen betroffen sind und sich daraus große Probleme für die Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit ergeben.

In zwei Dritteln der Familien mit Kindern bis zwölf Jahre sind Alleinerziehende oder beide Elternteile erwerbstätig

Eine Auswertung der SOEP-Daten aus dem Jahr 2018 (Kasten) zeigt, dass in Deutschland in etwa sechs Millionen Haushalten mindestens ein Kind lebt, das nicht älter als zwölf Jahre und daher betreuungsbedürftig ist. Darunter sind etwa 900000 Haushalte mit einem alleinerziehenden Elternteil, davon etwa 90 Prozent Frauen. In zwei Dritteln aller Paarhaushalte sind beide Elternteile erwerbstätig; bei Alleinerziehenden beträgt die Erwerbsbeteiligung ebenfalls etwa 66 Prozent.infoIn diesem Bericht werden nur Aussagen über gemischtgeschlechtliche Paare getroffen, da die Anzahl der gleichgeschlechtlichen Paare im SOEP zu klein ist, um diese Gruppe getrennt auswerten zu können. Diese Eltern stehen derzeit vor dem Problem, ihre Erwerbstätigkeit mit der ganztägigen Kinderbetreuung vereinbaren zu müssen.infoDie durch die Schul- und Kitaschließungen zusätzlich anfallende Betreuung von Kindern stellt nicht nur erwerbstätige Eltern vor Probleme, sondern auch Eltern, die in Ausbildung sind oder gesundheitliche Probleme haben. In diesem Bericht liegt der Fokus auf dem Problem der Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit. Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund der speziellen Gefahr des Corona-Virus für ältere Personen und der verhängten Kontaktbeschränkungen auch vielfach private Betreuungsarrangements, insbesondere die Betreuung durch die Großeltern, wegfallen. Rund 30 Prozent aller Haushalte mit Kindern im Alter von bis zu zwölf Jahren nehmen regelmäßig Kinderbetreuung durch Verwandte in Anspruch – bei Alleinerziehenden beträgt dieser Anteil sogar knapp 40 Prozent.

Die Analysen dieses Berichts basieren auf Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Das SOEP ist eine repräsentative jährliche Wiederholungsbefragung privater Haushalte in Deutschland zu verschiedenen Lebensbereichen.infoVgl. Jan Goebel et al. (2018): The German Socio-Economic Panel (SOEP). Journal of Economics and Statistics, 239(29), 345–360. Die vorliegenden Auswertungen beziehen sich, sofern nicht anders vermerkt, auf das Erhebungsjahr 2018 und berücksichtigen alle Haushalte mit mindestens einem Kind vor Vollendung des zwölften Lebensjahres. Die Untersuchungsstichprobe umfasst 5506 Haushalte.

Die Auswertungen zur Erwerbsarbeit und zum Umfang der Kinderbetreuung basieren auf individuellen Angaben der beiden Elternteile beziehungsweise des alleinerziehenden Elternteils.infoHaushalte, in denen ein Elternteil keine personenbezogenen Fragen im SOEP beantwortet hat, werden für die vorliegenden Auswertungen ausgeschlossen. Dies ist für immerhin 31,7 Prozent aller Haushalte mit mindestens einem Kind zwischen bis zwölf Jahre der Fall. Falls es sich bei dieser Gruppe um eine nicht zufällige Auswahl an Haushalten handelt, kann dies die Repräsentativität der Stichprobe bezüglich der Grundgesamtheit beeinflussen. Hierfür werden alle Haushalte mit Kindern bis zu zwölf Jahren berücksichtigt, in denen beide Elternteile zwischen 18 und 64 Jahre alt und nicht in Rente sind. Basierend auf dem von den Befragten angegebenen Erwerbstatus wird zwischen Vollzeit-, Teilzeit- und Nicht-Erwerbstätigen unterschieden. Zu den Teilzeitbeschäftigten werden auch geringfügig Beschäftigte (MinijobberInnen) gezählt. Weiterhin werden Alleinerziehende (Männer und Frauen) und gemischtgeschlechtliche Paarhaushalte getrennt analysiert.infoGleichgeschlechtliche Paarhaushalte (0,2 Prozent aller Haushalte) und sonstige Haushalte (1,8 Prozent, darunter zum Beispiel Mehrgenerationenhaushalte) mit Kindern bis zwölf Jahre werden aufgrund der geringen Fallzahlen nicht analysiert.

Ob eine Person ihre Erwerbstätigkeit von zu Hause ausüben kann, wird in den vorliegenden Auswertungen auf Basis des derzeitigen Berufs definiert. Die Unterteilung von Berufen nach deren Home-Office-Potential folgt einer bestehenden Klassifikation, die auf aktuellen Daten aus den USA zum Arbeitskontext und zu Arbeitsaktivitäten der einzelnen Berufe basiert und bereits auf die Situation in Deutschland übertragen wurde.infoVgl. Jonathan I. Dingel und Brent Neiman (2020): How Many Jobs Can be Done at Home? National Bureau of Economic Research Paper Nr. 26948 (online verfügbar). Die US-Klassifikation wurde mithilfe der Gegenüberstellung des US Bureau of Labor Statistics auf die Internationale Standardklassifikation der Berufe (ISCO-08, 4-Steller) übertragen. Ein Beruf kann demzufolge nicht von zu Hause ausgeübt werden, falls beispielsweise Maschinen betätigt werden müssen, ein direkter physischer Kontakt mit Menschen notwendig ist oder er im Freien ausgeführt werden muss.

Die Analysen zur tatsächlichen Nutzung des Home-Office beziehen sich auf die SOEP-Befragung aus dem Jahr 2014. Dies ist derzeit die letzte Erhebungswelle des SOEP, die Fragen zur Home-Office-Nutzung enthält. Die tatsächliche Nutzung wird anhand folgender Frage im SOEP bewertet: „Kommt es vor, dass Sie Ihre Beschäftigung zu Hause ausüben?“. Die Auswertung differenziert zwischen einer tatsächlichen Nutzung unabhängig von der Häufigkeit sowie einer Nutzung mindestens mehrmals pro Woche.

Es ist anzunehmen, dass Alleinerziehende, vor allem wenn sie in Vollzeit beschäftigt sind, durch die Kita- und Schulschließungen besonders stark belastet werden, insbesondere wenn auch die Betreuung durch Großeltern entfällt. Derzeit sind knapp 30 Prozent der Alleinerziehenden mit Kindern im Alter von bis zu zwölf Jahren vollzeiterwerbstätig, 37 Prozent arbeiten in Teilzeit (Abbildung 1).infoAufgrund der geringen Fallzahlen alleinerziehender Väter werden Alleinerziehende nicht getrennt nach Geschlecht ausgewiesen.

Auch in der Mehrzahl der Paarhaushalte mit Kindern in dieser Altersgruppe sind beide Elternteile erwerbstätig. In knapp der Hälfte dieser Haushalte arbeitet ein Elternteil – meist der Vater – in Vollzeit und ein Elternteil – meist die Mutter – in Teilzeit (Abbildung 2).infoDie Unterscheidung zwischen Vollzeit und Teilzeit (inklusive geringfügiger Beschäftigung) bezieht sich auf den von den Befragten angegebenen Erwerbstatus. In mehr als 13 Prozent der Familien sind beide Elternteile vollzeitbeschäftigt, nur in etwa drei Prozent beide teilzeitbeschäftigt. Demnach stehen aktuell etwa zwei Drittel aller Paarhaushalte mit betreuungsbedürftigen Kindern aufgrund der fehlenden Betreuungsmöglichkeiten vor großen Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.infoKinder, deren Eltern in systemrelevanten Berufen arbeiten, dürfen eine Notbetreuung in Anspruch nehmen. Die Liste der systemrelevanten Berufen wird dynamisch angepasst. Mittlerweile sind in einigen Bundesländern auch Kinder von Alleinerziehenden berechtigt, die Notbetreuung in Anspruch zu nehmen. Mitte April waren laut Bundesfamilienministerium etwa vier Prozent aller Kinder in der Notbetreuung, vgl. dazu Peter Burghardt (2020): „Mama, wann ist Corona endlich zu Ende?“. Süddeutsche Zeitung vom 17. April (online verfügbar).

Großteil der Kinderbetreuung wird normalerweise von Müttern geleistet, auch wenn sie erwerbstätig sind

Derzeit liegen erst wenige Daten darüber vor, wer die zusätzliche Kinderbetreuung während der Corona-Krise übernimmt.infoErste Auswertungen einer aktuellen Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung unter Erwerbstätigen zeigen, dass bei Paaren mit zwei erwerbstätigen Elternteilen in der aktuellen Situation überwiegend Mütter die Kinderbetreuung übernehmen. Vgl. dazu die Pressemitteilung der Hans-Böckler-Siftung (2020), a.a.O. Es ist anzunehmen, dass auch der Zeitaufwand für weitere Haushaltstätigkeiten wie Kochen, Putzen oder Einkaufen gestiegen ist – auch hier gibt es keine Informationen darüber, wer diese zusätzlichen Tätigkeiten erledigt. Die Auswertungen basierend auf Daten des SOEP zeigen, dass vor der Krise in Paarhaushalten die Mütter den Großteil der Sorgearbeit übernommen haben. In Familien, in denen die Mutter in Teilzeit und der Vater in Vollzeit beschäftigt war, übernahm die Mutter im Durchschnitt an Wochentagen Kinderbetreuung im Umfang von 5,2 Stunden, der Vater nur im Umfang von 1,9 Stunden (Abbildung 3). Selbst in Paaren, in denen beide Partner vollzeiterwerbstätig sind, investierten Mütter mit durchschnittlich 3,7 Stunden pro Tag deutlich mehr Zeit in die Kinderbetreuung als Väter mit 2,5 Stunden. Arbeiteten beide Elternteile in Teilzeit, war die Aufteilung der Kinderbetreuung in Paarhaushalten ebenfalls sehr ungleich verteilt: Der Anteil der Mütter war mit 5,7 Stunden Kinderbetreuung deutlich größer im Vergleich zu den durchschnittlich rund drei Stunden der Väter. Somit verbringen sowohl in Vollzeit als auch in Teilzeit beschäftigte Mütter mit Partnern in etwa gleich viel Zeit mit Kinderbetreuung wie Alleinerziehende mit ähnlichem Erwerbsumfang (Abbildung 4).

Mütter verbringen gewöhnlich mehr Zeit mit Hausarbeit als Väter

Ähnlich wie bei der Kinderbetreuung haben vor der Krise Mütter mehr Zeit in Haushaltstätigkeiten investiert als ihre Partner, auch wenn beide erwerbstätig sind (Abbildung 5). Arbeiten Frauen in Teilzeit und Männer in Vollzeit, wendeten Mütter an Wochentagen im Mittel knapp vier und Väter gut zwei Stunden für die Hausarbeit jenseits der Kinderbetreuung auf. Sind beide Elternteile in Vollzeit tätig, war der Abstand geringer, betrug aber immer noch mehr als eine halbe Stunde (Mütter knapp drei Stunden, Väter etwa 2,3 Stunden an einem Wochentag). Männer haben vor der Corona-Krise überdurchschnittlich oft Tätigkeiten wie Reparaturen oder Gartenarbeit ausgeführt,infoVgl. Claire Samtleben (2019): Auch an erwerbsfreien Tagen erledigen Frauen einen Großteil der Hausarbeit und Kinderbetreuung. DIW Wochenbericht Nr. 10, 139–144 (online verfügbar). deren Bedarf infolge der Kita- und Schulschließungen kaum zugenommen haben dürfte. Analog zur Kinderbetreuung investieren Alleinerziehende ähnlich viel Zeit in Hausarbeit wie Frauen in Paarhaushalten (Abbildung 6).

Mütter tragen vermutlich den Hauptteil der zusätzlichen Last

Was lässt sich aus diesen Zahlen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Zeiten der Corona-Krise ableiten? Vor dem Hintergrund der bereits zuvor bestehenden ungleichen Aufteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit in den meisten Familien in Deutschland ist zu vermuten, dass viele der Mütter auch aktuell einen großen Teil der durch die Schul- und Kitaschließungen zusätzlich notwendigen Kinderbetreuung übernehmen.

Hinzu kommt, dass Männer in Paarhaushalten häufiger in Vollzeit arbeiten und mehrheitlich besser bezahlt werden als ihre Partnerinnen. Daher werden Väter vermutlich während der Krise seltener als Mütter ihren Erwerbsumfang reduzieren. Wie die konkrete Aufteilung der zusätzlichen Sorge- und Hausarbeit in der Krise in einzelnen Familien konkret erfolgt, hängt letztlich auch von den ausgebübten Berufen ab. Eltern in systemrelevanten Berufen können die Möglichkeiten der Kindernotbetreuung in Anspruch nehmen.infoVgl. hierzu auch Josefine Koebe, Claire Samtleben, Annekatrin Schrenker und Aline Zucco (2020): Systemrelevant und dennoch kaum anerkannt: Das Lohn- und Prestigeniveau unverzichtbarer Berufe in Zeiten von Corona. DIW Aktuell Nr. 28 (online verfügbar). Zudem sind bestimmte Berufe häufiger von Kurzarbeit betroffen, wodurch Zeitkonflikte zumindest reduziert werden können. Weiterhin hängt auch von der Art der beruflichen Tätigkeit ab, inwieweit die Erwerbsarbeit überhaupt von zu Hause aus erledigt werden kann.

Nur gut ein Drittel aller Eltern kann im Home-Office arbeiten

Unabhängig von der aktuellen Corona-Krise gilt in der Debatte um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Nutzung des Home-Office als Möglichkeit für Eltern, berufliche Verpflichtungen mit Anforderungen im Privatleben zu vereinbaren. Im Rahmen von #StayAtHome wurde die Bitte, möglichst von zu Hause zu arbeiten, zunächst äußerst positiv aufgenommen. Instagram, Twitter und Blogs waren gefüllt mit Bildern neu eingerichteter Arbeitsplätze in Küchen, Wohnzimmern und auf Balkonen sowie Anleitungen für effektives Arbeiten im Home-Office.

Nachdem sich die Anfangseuphorie gelegt hatte, mehrten sich Stimmen, die bezweifelten, dass zu Hause ähnlich produktiv gearbeitet werden könne wie am üblichen Arbeitsplatz. Als besonders illusorisch erwies sich diese vermeintliche Lösung für Familien, in denen parallel Kinder im Kita- oder Grundschulalter betreut werden müssen. In der Diskussion wird zudem häufig übersehen, dass eine Vielzahl der beruflichen Tätigkeiten gar nicht von zu Hause ausgeübt werden kann.

Die Anteile der mit Home-Office kompatiblen Berufe von Alleinerziehenden und Familien mit zwei erwerbstätigen Elternteilen mit mindestens einem Kind bis zwölf Jahre werden auf Basis der SOEP-Daten aus dem Jahr 2018 analysiert. Für die Frage, welche Berufe prinzipiell im Home-Office ausgeübt werden können, wird eine Klassifikation von US-amerikanischen Wissenschaftlern herangezogen (Kasten).infoVgl. Jonathan I. Dingel und Brent Neiman (2020): How Many Jobs Can be Done at Home? National Bureau of Economic Research Paper Nr. 26948 (online verfügbar). Eine andere Studie zu den Auswirkungen von Home-Office auf Infektionsrisiken und ökonomische Leistungsfähigkeit in der Krise nutzt eine Klassifikation von Eurostat, vgl. Harald Fadinger und Jan Schymik (2020): The Costs and Benefits of Home Office during the Covid-19 Pandemic. Evidence from Infections and an Input-Output Model for Germany. Universität Mannheim (online verfügbar). Ob Beschäftigte in diesen Berufen von ihren Arbeitgebern derzeit tatsächlich die Möglichkeit zur Heimarbeit bekommen, bleibt unklar. Die Klassifikation gibt lediglich Auskunft darüber, welche Berufsgruppen grundsätzlich überhaupt dafür geeignet sind.

Insgesamt kann theoretisch wohl gut ein Drittel aller betroffenen Elternteile mit betreuungsbedürftigen Kindern während der Corona-Krise zu Hause erwerbstätig sein (knapp 38 Prozent der Mütter und gut 36 Prozent der Väter). Unter alleinerziehenden Erwerbstätigen, für die das Vereinbarkeitsproblem aktuell besonders schwer wiegt, arbeiten nur rund 35 Prozent in Berufen, die aus dem Home-Office ausgeübt werden können (Abbildung 7). In Paarhaushalten mit zwei erwerbstätigen Elternteilen sieht es nicht viel besser aus: Hier hat in knapp 43 Prozent aller Haushalte kein Elternteil die Möglichkeit zur Heimarbeit. In knapp 20 Prozent der Haushalte arbeiten beide in Berufen, die von zu Hause ausgeübt werden können. In jeweils knapp einem Fünftel der Paare gehen entweder der Vater oder die Mutter einer Beschäftigung nach, die mit der Arbeit aus dem Home-Office kompatibel ist (Abbildung 8).

Home-Office-Potential wird in der Krise vermutlich ausgeschöpft

Die Angaben zum Home-Office-Potential können der tatsächlichen Nutzung des Home-Office in verschiedenen Konstellationen gegenübergestellt werden. Allerdings gehen die derzeit neuesten verfügbaren Nutzungszahlen auf die SOEP-Befragung des Jahres 2014 zurück. Es kann sein, dass sich in der Zwischenzeit die Berufswahl und das damit zusammenhängende Home-Office-Potential für erwerbstätige Eltern verändert hat. Die Nutzungszahlen dürften kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie also vermutlich etwas höher gelegen haben.infoSchließlich ist der konzeptionelle Unterschied zwischen tatsächlicher Home-Office-Nutzung und dem Potential bei der Interpretation der Nutzungszahlen zu beachten: Die tatsächliche Nutzung basiert auf folgender Frage im SOEP: „Kommt es vor, dass Sie Ihre Beschäftigung zu Hause ausüben?“. Die Klassifikation des Homeoffice-Potentials umfasst jedoch nur Berufe, die zum größten Teil von zu Hause ausgeübt werden können.

Im Jahr 2014 arbeitete knapp ein Viertel der Alleinerziehenden zumindest gelegentlich im Home-Office, bei gut elf Prozent aller Alleinerziehenden war das mehrmals in der Woche oder sogar täglich der Fall (Abbildung 7). In knapp zwölf Prozent der Paarhaushalte mit betreuungsbedürftigen Kindern, in denen beide Elternteile beschäftigt waren, nutzten auch beide Eltern die Möglichkeit des Home-Office. In weniger als fünf Prozent aller Haushalte wurde die Erwerbsarbeit mehrmals in der Woche oder täglich von beiden Elternteilen von zu Hause erledigt (Abbildung 8). Bei gut 15 Prozent der Paare arbeitete ausschließlich die Mutter im Home-Office, häufig mehrmals pro Woche oder sogar täglich. In 17 Prozent der Haushalte nutzte ausschließlich der Vater die Möglichkeit der Heimarbeit, in etwas mehr als der Hälfte der Fälle mehrmals pro Woche oder täglich.

Unter dem Strich hat im Jahr 2014 mehr als die Hälfte der Paare und etwa drei Viertel der Alleinerziehenden mit Kindern unter zwölf Jahren keine Home-Office-Erfahrung gemacht.infoDiese Zahlen bewegen sich auf einem vergleichbaren Niveau wie Nutzungsquoten, die für das Jahr 2018 auf Basis der BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung ermittelt wurden, vgl. Michael Irlacher und Michael Koch (2020): Working from Home, Wages, and Regional Inequality in the Light of COVID-19. CESifo Working Papers Nr. 8232-2020 (online verfügbar).

Der Vergleich der Home-Office-Nutzung im Jahr 2014 mit dem Potential im Jahr 2018 zeigt, dass wahrscheinlich mehr Personen im Home-Office arbeiten könnten, selbst wenn die tatsächliche Nutzung zwischen 2014 und 2018 gestiegen ist. Es ist wahrscheinlich, dass dieses Potential während der Krise ausgeschöpft wird.infoVgl. ifo Institut (2020): 50 Prozent der deutschen Firmen fahren Kurzarbeit. Pressemitteilung vom 23. März (online verfügbar). Unternehmen werden aus Eigeninteresse aktuell das Arbeiten im Home-Office ermöglichen. Darüber hinaus hat sich vermutlich der zeitliche Umfang, in dem von zu Hause gearbeitet wird, massiv erhöht. Während Home-Office bislang weitgehend ergänzend zur „normalen“ Präsenz an der Arbeitsstelle genutzt wurde, wird es in der Krise – soweit möglich – die hauptsächliche Arbeitsform sein. Aufgrund der Kita- und Schulschließungen bedeutet dies aber oftmals nicht automatisch, dass Beschäftigte dieser Tätigkeit im gleichen Maße wie sonst ungestört nachgehen können.

Gleichzeitig verdeutlichen die Ergebnisse zum Home-Office-Potential, dass in der Corona-Krise die meisten Eltern ihre Erwerbstätigkeit und die zusätzliche Betreuungsarbeit nicht einmal theoretisch unter einen Hut bekommen können: In 65 Prozent aller Haushalte von Alleinerziehenden und in über 40 Prozent aller Paarhaushalte geht kein Elternteil einem Beruf nach, der mit Heimarbeit kompatibel ist. Demnach gibt es selbst die theoretische Option, Arbeit nachzuholen, beispielsweise wenn die Kinder schlafen, nicht. In solchen Fällen ist es wahrscheinlich, dass ein Elternteil Arbeitsstunden reduzieren oder den Job (zeitweise) ganz aufgeben muss. Da Frauen in vielen Paarhaushalten das geringere Gehalt beziehen, ist die Gefahr eines gleichstellungspolitischen Backlashs, der aktuell bereits diskutiert wird,infoVgl. Helen Lewis (2020): The Coronavirus Is a Disaster for Feminism. Pandemics affect men and women differently. The Atlantic vom 19. März (online verfügbar). In einem Statement hat auch UN-Generalsekretär António Guterres davor gewarnt, dass die Corona-Krise dazu führen könnte, dass die Fortschritte, die im Bereich der Chancengleichheit von Männern und Frauen in den vergangenen Jahren global erreicht wurden, wieder zunichte gemacht werden, vgl. dazu UN Women (2020): „Put women and girls at the centre of efforts to recover from COVID-19“ – Statement by the UN Secretary-General António Guterres (online verfügbar). nicht abwegig.

Gleichere Verteilung der Sorgearbeit durch Home-Office kaum zu erwarten

In der aktuellen Debatte um die längerfristigen Auswirkungen der Corona-Krise auf die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen wird häufig das Argument vorgebracht, dass die vermehrte Nutzung des Home-Office langfristig zu einer flexibleren Arbeitsorganisationen führt und dadurch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert. Die aktuelle Präsenz von Vätern im Home-Office, so das zentrale Argument, könnte längerfristig ihren Anteil an der häuslichen Sorgearbeit erhöhen.infoVgl. beispielsweise Alon, Doepke, Olmstead-Rumsey und Tertilt (2020), a.a.O. Derzeit kann darüber nur spekuliert werden. Es gibt jedoch empirische Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen Home-Office-Nutzung und der Aufteilung der Sorgearbeit aus der Zeit, in der das Home-Office häufig als zusätzliches Instrument der Arbeitszeitgestaltung, also ergänzend zu einer „normalen“ Präsenzbeschäftigung, genutzt wurde.infoVgl. Claire Samtleben, Yvonne Lott und Kai-Uwe Müller (2020): Auswirkungen der Ort-Zeit-Flexibilisierung von Erwerbsarbeit auf informelle Sorgearbeit im Zuge der Digitalisierung. Expertise für den Dritten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung (online verfügbar). Diese Zusammenhänge sind nicht ohne Einschränkungen auf die aktuelle Situation übertragbar, in der vermutlich in einem deutlich höheren Umfang von zu Hause gearbeitet wird, während insgesamt mehr Sorgearbeit anfällt.

Vor der Corona-Krise ging die Tätigkeit im Home-Office sowohl bei Männern als auch bei Frauen damit einher, dass sie sich stärker an Haushaltstätigkeiten und der Kinderbetreuung beteiligten. Frauen weiteten die Zeit, die sie in Sorgearbeit investieren, jedoch in größerem Umfang aus als Männer. Waren Männer alleine im Home-Office beschäftigt, was in immerhin knapp einem Fünftel der Paarhaushalte mit Kindern möglich ist, stieg der Anteil des Vaters an der im Haushalt geleisteten Sorgearbeit. In dieser Konstellation besteht also in der Krise die begründete Chance für eine gleichmäßigere Aufteilung der Sorgearbeit zwischen Vätern und Müttern. Arbeiten beide Elternteile im Home-Office, ist auf Basis der Auswertungen aus der Vor-Corona-Zeit jedoch nicht zu erwarten, dass die Aufteilung der Sorgearbeit zwischen Vätern und Müttern egalitärer wird.

Fazit: Corona-Elternzeit und -Elterngeld könnten erwerbstätige Eltern entlasten und gleichstellungspolitische Impulse geben

Die vorliegenden Analysen auf Basis des SOEP veranschaulichen deutlich, dass viele erwerbstätige Eltern mit Kindern, die normalerweise eine Kita, Schule und einen Hort besuchen und teilweise auch von Großeltern betreut werden, derzeit vor großen Problemen stehen. In den meisten Bundesländern gibt es für manche Eltern, insbesondere Alleinerziehende, die Aussicht auf eine Wiedereröffnung der Kindertagesbetreuung. Viele Eltern haben aber nach wie vor keine Perspektive, wann zum regulären Kita- und Schulbetrieb zurückgekehrt werden kann.

Für zahlreiche Eltern ist das aktuell verschärfte Vereinbarkeitsproblem von Beruf und Familie also längst noch nicht gelöst. Im Gegenteil: Mit zunehmender Dauer dieses Zustandes vergrößern sich die Probleme sogar noch. Jahresurlaub und Überstunden sind nach einer Weile abgebaut, Einkommensersatzleistungen nach dem Infektionsschutzgesetz laufen nach sechs Wochen aus. Zudem sind diese an die Bedingung geknüpft, dass Eltern ihrem Beruf nicht im Home-Office nachgehen können. Die Erfahrung vieler Eltern nach zwei Monaten Heimarbeit verdeutlicht jedoch die Grenzen der Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und produktivem Arbeiten zu Hause.infoErfahrungen dieser Art werden zum Beispiel unter dem Hashtag #CoronaEltern in den sozialen Medien geteilt und diskutiert. Es ist bezeichnend, dass Länder, in denen außerfamiliäre Kinderbetreuung und hohe Erwerbsquoten von Müttern schon seit langem selbstverständlich sind, Kitas und Schulen bereits wieder geöffnet haben, während dies in Deutschland keine Priorität zu haben scheint.infoVgl. für Unterschiede in der gesellschaftlichen Verankerung der Kinderbetreuung als Vereinbarkeitsinstrument beispielsweise Monique Kremer (2009): How Welfare States Care: Culture, Gender and Parenting in Europe. Amsterdam University Press. Dementsprechend haben Dänemark und Norwegen zwar ähnlich wie Deutschland (und im Unterschied zu Schweden) viele Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus erlassen, darunter Schließungen von Schulen und Kindergärten sowie Geschäften. In beiden Ländern wurden jedoch Grundschulen und Kitas bereits wieder geöffnet.

Die Politik sollte an dieser Stelle handeln und die Probleme der erwerbstätigen Eltern und Kinder adressieren.infoAuch die OECD verweist auf den politischen Handlungsbedarf bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in internationaler Perspektive, vgl. OECD (2020): Women at the core of the fight against COVID-19 crisis (online verfügbar). Um Kita- und Schulkindern nicht länger Bildungs- und Sozialisationspotentiale vorzuenthalten, sollten Kitas und Schulen für alle Kinder tageweise wieder geöffnet werden. Denkbar wäre beispielsweise, dass immer gleiche Kleingruppen von Kindern abwechselnd die Einrichtungen besuchen können. Diese Möglichkeit sollte allen Familien, unabhängig vom Erwerbsstatus der Eltern, offenstehen.

Kita- und Schulöffnungen in dieser Form sind aus bildungspolitischer Sicht wichtig, lösen aber noch nicht die Probleme der Vereinbarkeit erwerbstätiger Eltern. Für diese Gruppe haben ForscherInnen des DIW Berlin eine Corona-Elternzeit in Verbindung mit einem Corona-Elterngeld vorgeschlagen.infoVergleich hierzu auch die Pressemitteilung des DIW Berlin vom 16. April 2020: DIW-ÖkonomInnen fordern Corona-Elterngeld, um erwerbstätige Eltern zu entlasten (online verfügbar). Dieser Vorschlag sieht vor, dass erwerbstätige Alleinerziehende sowie Familien, in denen beide Eltern gemeinsam mehr als 40 Stunden arbeiten, jeweils eine Reduzierung der individuellen Arbeitszeit beantragen können, um ihre Kinder zu betreuen. Dafür gäbe es dann eine staatliche Einkommensersatzleistung, ähnlich wie im Falle des Elterngeldes. Die Leistung sollte bei Paaren an die Bedingung geknüpft werden, dass beide Elternteile ihre Arbeitszeit reduzieren.infoDieser Aspekt des Vorschlags ist ähnlich wie bei dem seit längerem diskutierten Vorschlag einer Familienarbeitszeit, siehe dazu beispielsweise Kai-Uwe Müller, Michael Neumann und Katharina Wrohlich (2015): Familienarbeitszeit: mehr Arbeitszeit für Mütter, mehr Familienzeit für Väter. DIW Wochenbericht Nr. 46, 1095-1103 (online verfügbar). Ausnahmen wären denkbar für Familien, in denen ein Elternteil oder beide in systemrelevanten Berufen arbeiten. So könnte vermieden werden, dass bestehende Geschlechterungleichheiten bei der Aufteilung der Sorge- und Erwerbsarbeit im Zuge der Corona-Krise noch verschärft werden.

Katharina Wrohlich

Leiterin in der Forschungsgruppe Gender Economics



JEL-Classification: J13;J16;J22;J21
Keywords: work-life conflict, work-family conflict, work-life balance, work-family balance, mothers’ employment childcare, gender equality, corona virus
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2020-19-1

Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/219377

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