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„Wir sind in einer ernsten Gas-Krise“

Statement vom 23. Juni 2022

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat die zweite Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Dazu eine Einschätzung von Claudia Kemfert, Energieökonomin und Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin):

BlockquoteDas Ausrufen des Gas-Notfallplans ist folgerichtig. Wir sind in einer ernsten Gas-Krise. Aktuell ist die Gasversorgung noch gesichert – aber jetzt müssen die Speicher gefüllt werden. Der Rückgang der russischen Lieferungen und die angespannte Angebotslage machen es erforderlich, dass wir uns endlich ordentlich vorbereiten. Die wichtigsten Hebel, um die Gaslücke zu stopfen, sind der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien und das Energiesparen. 

Es wurde einiges getan, um von anderen Lieferländern mehr Gas zu bekommen, Gasspeicher zu füllen und die Transparenz über den Gasverbrauch zu erhöhen. Temporär werden wir mehr Kohle statt Gas zur Energieerzeugung nutzen müssen. Das ist richtig. Aber wir brauchen definitiv keine festen Flüssiggas-Terminals, die uns über 25 Jahre an fossile Gas-Lieferanten binden. Das ist kontraproduktiv: So schaffen wir uns die nächsten „Carbon Lock-ins“ und „Stranded Investments“. 

Versorgungssicherheit erreichen wir kurzfristig über die konsequente Anwendung der ASSA-Formel: ausweichen, speichern, sparen, ausbauen. Also: Gas aus verschiedenen anderen Ländern beziehen und die Speicher füllen. Kurzfristig Gas einsparen. Es ist absurd, dass wir immer noch Gas-Kraftwärmekopplung fördern. Stattdessen sollten Industrie und Haushalte Prämien fürs Sparen bekommen. Ab sofort sollten keine neuen Gasheizungen mehr eingebaut werden. Eine Abwrackprämie für alte Gasheizungen wäre ebenso sinnvoll wie ein Wärmepumpen-Sofortprogramm. Und vor allem: mit vereinten Kräften und größter Entschlossenheit endlich erneuerbare Energien in Deutschland ausbauen. Erneuerbare Energien müssen auch und gerade in der Industrie zum Einsatz kommen. Existierende Biogas-Anlagen sollten effektiver genutzt werden. Wir benötigen ein Ausbildungs- und Umschulungsprogramm für Installateure. Nur so beenden wir wirklich unsere Abhängigkeit vom Gas. 

Rationierungen sind das allerletzte Mittel. Das sollten und können wir vermeiden, indem wir endlich umfassend vorbeugen. Niemand sollte frieren müssen. Und Betriebe brauchen Unterstützung beim Sparen und beim Umstieg auf Erneuerbare.

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