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Wie sich die Energiewende für alle nachvollziehbar umsetzen lässt: Kommentar

DIW Wochenbericht 47 / 2023, S. 658

Karsten Neuhoff

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Die Diskussion zum Klimaschutzgesetz hat sich festgefahren. Innerhalb der Bundesregierung rangeln die Klimaschützer mit den Liberalen. Außerhalb der Regierung fordern Umweltverbände, dass bei der Verfehlung der Klimaschutzziele eines Sektors (zum Beispiel in der Industrie, der Landwirtschaft oder im Verkehr) Maßnahmen mit Sofortprogrammen umgesetzt werden – nur so könnten im folgenden Jahr die verfehlten Emissionsminderungen nachgeholt werden. Dem steht wiederum die FDP gegenüber, die glücklich ist, dass mit der Abschaffung der Sofortprogramme (und damit der De-facto-Abschaffung der Sektorenziele) Maßnahmen für einen Sektor vermieden werden, die möglicherweise ineffizient oder ohne längerfristige Wirkung sind.

Der Streit um das Klimaschutzgesetz geht am Kern der Transformation vorbei. Emissionsminderungen sind vor allem mit längerfristig wirksamen transformativen Maßnahmen zu erreichen. Es geht um Veränderungen, die nicht nur kurzfristig die Symptome bekämpfen, sondern einen strukturellen und systemischen Wandel anstoßen – wie der Umstieg auf erneuerbare Energien, die Stärkung des öffentlichen Personenverkehrs oder die energetische Sanierung von Gebäuden. Wenn Sofortmaßnahmen zuallererst Emissionen im folgenden Jahr reduzieren sollen, dann stellt sich diese Vorgehensweise nicht zwingend hilfreich für die erfolgreiche Transformation dar. Sollte aber mit der Abschaffung der Sektorenziele den Bundesministerien keine klare Verantwortung für die Emissionen ihres Sektors mehr zugewiesen werden, dann wird es ihnen noch schwerer fallen, die transformativen Maßnahmen voranzubringen.

Gehen wir bei den weiteren Überlegungen davon aus, dass alle das gleiche Ziel teilen, nämlich transformative Klimaschutzmaßnahmen wirksam umzusetzen. Denn nur damit wird die Industrie fit für den internationalen Wettbewerb der Zukunft. Auf diese Weise reduzieren sich Kosten- und Versorgungssicherheitsrisiken durch die Energieimportabhängigkeit. Und so können nicht nur Klimaziele, sondern bei guter Umsetzung auch weltweite Umwelt- und Entwicklungsziele erreicht werden. Wie also können diese Ziele im Klimaschutzgesetz gemeinsam realisiert werden?

Wichtig wäre ein Fokus auf die transformativen Maßnahmen: Diese sollten mit verständlichen Kennzahlen erfasst und ins Zentrum des politischen Diskurses gestellt werden. Erfolgreich ist bisher bereits die Kennzahl zum Anteil der erneuerbaren Energien bei der Energieversorgung. Zur Messung des Klimaschutzfortschritts wären weitere Kennzahlen für die sektoralen Transformationen sinnvoll.

Das Klimaschutzgesetz beschränkt sich noch auf das Monitoring von Emissionen. Dadurch wird das rechtzeitige Erkennen von ausbleibenden Fortschritten verzögert. Beispiele für Kennzahlen wären der Anteil von klimaneutral produzierten Grundstoffen an der Gesamtproduktion und der Anteil des tatsächlich recycelten Abfalls. Wenn in einem Sektor die Emissionsminderungsziele oder die relevanten Transformationsziele verfehlt werden, so sollte das jeweilige Ministerium verpflichtet sein, sofort nachzulegen. Der Fokus müsste dann viel stärker auf die Transformationsziele gesetzt werden.

Die Transformation zur Klimaneutralität könnte auf diese Weise tatsächlich gelingen und die Transformationsziele kämen sehr viel glaubwürdiger zur Geltung. Auch regulatorische Unsicherheiten, die bisher Investitionen in Produktionskapazitäten für klimaneutrale Technologien wie Windräder, Energiespeicher oder die Wärmedämmung zurückhalten, wären beseitigt.

Zugleich könnte der Einsatz von Key-Performance-Indikatoren (KPIs) für die wichtigen Entwicklungsziele wie in der Wirtschaft auch für Politik und Verwaltung genutzt werden. Durch die weitere Operationalisierung der Klimaschutzziele hin zu Transformationskennzahlen entstünde ein Frühwarnsystem oder ein Kontrollmechanismus für den Erfolg des Regierungshandelns. Letztlich sollte es darum gehen, die Energiewende für alle besser verständlich zu machen und sie gemeinsam umzusetzen.

Der Text erschien am 14. November 2023 im Handelsblatt.

Karsten Neuhoff

Abteilungsleiter in der Abteilung Klimapolitik

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