Pressemitteilung vom 13. März 2024
Euro kann sich seit 1999 als internationale Währung behaupten – EZB hat das Ziel der Preisstabilität weitestgehend erreicht – Um Herausforderungen wie Klimakrise, hohe Schuldenstände, digitale Währung und Ungleichheit im Euroraum zu bewältigen, ist EZB auf Mitarbeit der nationalen Regierungen und EU-Kommission angewiesen – EZB darf Mandatsgrenzen nicht überschreiten, um Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit zu wahren
In diesem Jahr feiert der Euro seinen 25. Geburtstag. Zum 1. Januar 1999 führte die Europäische Zentralbank (EZB) die europäische Gemeinschaftswährung als Buchgeld ein, bevor sie drei Jahre später als Bargeld in Umlauf kam. In einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zieht die DIW-Ökonomin Kerstin Bernoth aus der Abteilung Makroökonomie gemeinsam mit Sara Dietz von der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Kanzlei Hengeler Mueller, Rosa Lastra von der Queen Mary University of London und Atanas Pekanov vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung Bilanz: Die EZB konnte ihrem primären Mandat der Preisstabilität größtenteils gerecht werden. Die Inflation in Deutschland schwankte seit der Einführung des Euro sogar sehr viel weniger als in den 50 Jahren mit der D-Mark zuvor.
© DIW Berlin
Bis zur Finanzkrise im Jahr 2008/09 lag die Inflation im Euroraum sehr nahe ihrem Ziel von zwei Prozent. Danach folgten Jahre, in denen das Inflationsziel nicht immer erreicht wurde. Nach vereinzelten Jahren mit negativer Inflation schoss seit Mitte 2021 die Teuerungsrate im Euroraum weit über die Zwei-Prozent-Marke. „Die EZB scheint die Inflation nun zwar im Griff zu haben, aber sie wird in den kommenden Monaten weiter intensiv daran arbeiten müssen, die Inflationsrate noch näher an ihr Ziel von zwei Prozent heranzuführen“, sagt Studienautorin Bernoth. Gerade in Krisenzeiten nahm die Heterogenität der Inflationsraten zwischen den Euro-Mitgliedstaaten deutlich zu, was eine einheitliche Geldpolitik erschwert. Diese Entwicklung ist unter anderem den unterschiedlichen finanzpolitischen Maßnahmen geschuldet. „Dies unterstreicht, wie wichtig ein gewisses Maß an wirtschaftspolitischer Koordinierung insbesondere in einer Währungsunion ist“, meint Bernoth.
Auch als internationale Devise hat sich der Euro nachhaltig behaupten können. Er ist seit seinem Bestehen die zweitwichtigste Währung der Welt nach dem US-Dollar. „Dies ist für den Euro eine günstige Position, weil er dadurch Vorteile hat, ohne aber die Risiken und Verpflichtungen zu tragen, mit denen der Dollar als wichtigste Weltwährung behaftet ist, wie zum Beispiel einer Währungsaufwertung in Krisenzeiten“, konstatiert Studienautor Atanas Pekanov. Jede Überlegung, wie man die Vorherrschaft des US-Dollar anfechten könnte, sollte zunächst die Frage beantworten, ob dies aus wirtschaftlicher und politischer Sicht überhaupt ratsam ist. „Wichtig ist aber in jedem Fall, den hohen Internationalisierungsgrad des Euro zu erhalten“, sagt Pekanov.
Doch auf den Euroraum kommen große Herausforderungen zu, die sich auf die Preis- und Finanzstabilität auswirken und mit denen die EZB im Rahmen ihres Mandats umgehen muss. Dazu zählen insbesondere der Klimawandel, die Digitalisierung der Währung, die hohen Schuldenstände und die steigende wirtschaftliche Ungleichheit. „Klimarisiken muss die EZB ebenso einpreisen wie jeder andere Finanzmarktakteur. Es ist begrüßenswert, dass die EZB Anreize setzt, den grünen Fußabdruck von Finanzprodukten transparenter zu machen“, bestätigt Juristin Sara Dietz. Jedoch mahnt sie, dass die EZB im Rahmen ihrer grünen Geldpolitik ihre Mandatsgrenzen nicht überschreiten darf: „Es bleibt primär die Aufgabe von Regierungen und der EU, gesellschaftspolitische Zielsetzungen, wie den Kampf gegen den Klimawandel, zu verfolgen." Auch das Projekt Digitalisierung muss durchdacht vorangetrieben werden und Kosten und Nutzen sorgfältig abgewogen werden.
„Die EZB muss die Grenzen ihres Mandats achten und ihre Unabhängigkeit schützen, weil sie andernfalls langfristig ihre Glaubwürdigkeit einbüßen könnte.“ Kerstin Bernoth
Mehr denn je ist die EZB zudem mit wirtschaftlicher Ungleichheit konfrontiert, die eine einheitliche Geldpolitik im Euroraum massiv erschwert. Wachsende Einkommens- und Vermögensungleichheit wirken sich erheblich auf die Wirkung geldpolitischer Maßnahmen aus. Umgekehrt muss die EZB auch die Verteilungswirkung ihrer geldpolitischen Maßnahmen auf Einkommen und Vermögen offenlegen und sicherstellen, dass wirtschaftspolitische Nebeneffekte ihrer Maßnahmen noch verhältnismäßig bleiben.
Insbesondere die hohen Schuldenstände in einzelnen Ländern stellen eine Herausforderung für Preisstabilität dar. Die starken wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Geld- und Finanzpolitik können zu Spannungen bei der Risiko- und Kostenteilung führen, die letztlich den politischen und öffentlichen Willen für ein gemeinsames Europa untergraben könnten. „Die derzeit diskutierte Reform des europäischen Finanzrahmens ist von großer Bedeutung für den Zusammenhalt des Währungsraums“, sagt Studienautorin Rosa Lastra.
Im kommenden Jahr wird die EZB ihre Strategie überprüfen und muss dann Antworten auf diese Herausforderungen finden. „Dabei muss die EZB die Grenzen ihres Mandats achten und ihre Unabhängigkeit schützen, weil sie andernfalls langfristig ihre Glaubwürdigkeit einbüßen könnte“, mahnt DIW-Ökonomin Bernoth. Daher braucht die Zentralbank auch die Unterstützung der Regierungen der Mitgliedstaaten und der EU-Kommission, um effektiv die anstehenden Herausforderungen zu meistern und den Zusammenhalt des Euroraums zu gewährleisten.
Themen: Geldpolitik