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Ausbau der Solarenergie: viel Licht, aber auch Schatten

DIW Wochenbericht 33 / 2024, S. 507-517

Felix Schmidt, Alexander Roth, Wolf-Peter Schill

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  • DIW Ampel-Monitor Energiewende zeigt, dass Photovoltaik – eine Schlüsseltechnologie für die Energiewende – in Deutschland und weltweit boomt
  • Wesentlich für starkes Wachstum sind günstigere Solarmodule aus China und gestiegene Strompreise
  • Starker Ausbau vor allem bei Anlagen auf Gebäuden und in Süddeutschland, noch viel Spielraum bei Freiflächen und in Norddeutschland
  • Markterlöse von PV-Strom sind mit dem Ausbau tendenziell gesunken
  • Gleichmäßigere Netzeinspeisung schwankender Solarstrommengen durch Speicher mit richtigen Preisanreizen fördern

„Der Ausbau der Solarenergie boomt, und es gibt großes Potenzial für weiteres Wachstum. Eine Herausforderung ist, die im Tages- und Jahresverlauf stark schwankenden Solarstrommengen effizient in den Strommarkt zu integrieren. Hierzu könnten Speicher im Eigenverbrauchsbereich beitragen, wenn bessere Preisanreize gesetzt werden.“ Alexander Roth

Die Beschleunigung der Energiewende ist erklärtes Ziel der Ampel-Koalition. Eine Schlüsseltechnologie ist die Photovoltaik (PV), die derzeit weltweit einen regelrechten Boom erlebt. Der Ampel-Monitor Energiewende des DIW Berlin zeigt: Auch in Deutschland hat der PV-Zubau stark Fahrt aufgenommen und übertrifft momentan sogar den anvisierten Wachstumspfad. Haupttreiber hierfür ist ein kräftiger Zubau von kleineren PV-Anlagen auf Gebäuden, die aufgrund von Eigenverbrauchsvorteilen attraktiv sind. Neben viel Licht gibt es aber auch Schatten: Bei den Freiflächenanlagen gibt es noch Potenzial, den Zubau über den derzeit geplanten Wachstumspfad hinaus voranzutreiben. Gleichzeitig mit dem Ausbau der PV sind die mit dem Solarstrom am Großhandelsmarkt erzielbaren Preise tendenziell gesunken. Ausgeprägte Niedrigpreisphasen in den Stunden der höchsten Solarstromeinspeisung deuten darauf hin, dass die vorhandenen Speicher nicht ausreichen oder nicht so betrieben werden, dass die Preisdifferenzen stärker geglättet würden. Die Politik sollte künftig darauf zielen, die vorhandenen Potenziale für eine marktorientierte Speicherung und Lastverschiebung im Eigenverbrauchsbereich zu heben. Außerdem sollte sie eine Antwort auf die stark zugenommene PV-Importabhängigkeit von China finden.

Die SolarenergieinfoDie wichtigste Option zur Nutzung der Solarenergie in Deutschland ist die Stromerzeugung durch Photovoltaik. Diese Technologie steht im Fokus des Wochenberichts. Daneben kann auch solare Wärme für die Warmwasserbereitung und die Raumheizung genutzt werden. In Ländern mit höherer Sonneneinstrahlung kann auch solarthermisch Strom erzeugt werden, was jedoch in Deutschland keine Rolle spielt. boomt in Deutschland und weltweit. In diesem Bericht wird zunächst ein Überblick über weltweite aktuelle Trends beim Ausbau der Photovoltaik (PV) und bei der Solarindustrie gegeben. Die kurz- und langfristigen PV-Ausbauziele der Bundesregierung können anhand der aktuellen Zubaugeschwindigkeit eingeordnet werden. Von Interesse ist dabei, welche Arten von Anlagen den Ausbau derzeit vorantreiben und welche Herausforderungen sich bei ihrer Integration in den Strommarkt stellen. Die in diesem Bericht gezeigten Abbildungen zur Photovoltaik finden sich auch als interaktive Grafiken auf der Homepage des Ampel-Monitors Energiewende des DIW Berlin.infoHomepage des Ampel-Monitors Energiewende (online verfügbar, abgerufen am 26. Juni 2024. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Dies gilt auch für die in diesem Bericht gezeigten Abbildungen zur Photovoltaik. Der Ampel-Monitor Energiewende ist im vom BMBF geförderten Kopernikus-Projekt Ariadne entstanden (Fkz 03SFK5NO und 03SFK5NO-2). Eine Tonspur zum Ampel-Monitor bietet der DIW-Podcast „fossilfrei“ (online verfügbar), der in der Folge #23 explizit das Thema dieses Wochenberichts behandelt. Dies gilt auch für den aktuellen Stand anderer Schlüsseltechnologien der Energiewende (Kasten 1).

Der im Kopernikus-Projekt Ariadne entwickelte Ampel-Monitor Energiewende des DIW Berlin ist eine laufend aktualisierte Sammlung von Daten, Abbildungen und Analysen zum Stand der Energiewende in Deutschland.infoHomepage des Ampel-Monitors Energiewende (online verfügbar). Der Ampel-Monitor stellt wichtige Energiewende-Ziele der Bundesregierung dar und vergleicht sie mit aktuellen Trends. Datenbasis ist dabei die offene Datenplattform Open Energy Tracker.infoOpen Energy Tracker (online verfügbar).

Bei einigen Schlüsseltechnologien für die Energiewende gibt es derzeit große Unterschiede in Hinblick darauf, wie weit ihr Ausbau von den für das Jahr 2030 geplanten Zielen noch entfernt ist (Abbildung). Während der Ausbau der Photovoltaik aktuell bei rund 42 Prozent des Leistungsziels für 2030 liegt, sind es bei der Windkraft an Land bereits rund 54 Prozent. Allerdings ist die Ausbaudynamik bei der Windkraft viel schwächer, sie blieb zuletzt deutlich hinter ihrem Zielpfad zurück. Bei der Windkraft auf See sind bisher knapp 30 Prozent erreicht, große Zuwächse sind hier erst in den späten 2020er Jahren zu erwarten. Der Ausbau der Wärmepumpen steht ebenfalls bei gut 30 Prozent.

Bei anderen Schlüsseltechnologien der Sektorenkopplung ist der Weg zur Zielerreichung noch deutlich weiter. So liegt die Anzahl der öffentlich zugänglichen Ladepunkte für Elektrofahrzeuge erst bei rund zwölf Prozent des 2030er-Ziels, bei den Elektro-Pkw sind es nur zehn Prozent. Die Elektrolyse zur Erzeugung von grünem Wasserstoff steht noch ganz am Anfang, hier ist erst rund ein ProzentinfoHierbei wird eine große Chlor-Alkali-Elektrolyseanlage in Bayern, bei der Wasserstoff eher ein Nebenprodukt ist, nicht mitgezählt. Vgl. Daten des Elektrolyse-Monitors (online verfügbar) und eine ausführliche Diskussion dazu in Folge #16 des DIW-Podcasts „fossilfrei“ (online verfügbar). des Ziels erreicht.

Internationaler Boom der Photovoltaik

Die Solarenergie erlebt weltweit einen bisher nie dagewesenen Aufschwung. So titelte die englische Zeitschrift „The Economist“ kürzlich, „das exponentielle Wachstum der Solarenergie wird die Welt verändern“.infoThe Economist (2024): The exponential growth of solar power will change the world. Ausgabe vom 20. Juni (online verfügbar). Keine andere Technologie zur Stromerzeugung wächst im Moment weltweit so stark und erhält so viele Investitionen wie die Photovoltaik.infoInternationale Energieagentur (2024): Global annual investment in solar PV and other generation technologies. 2021–2024 (online verfügbar). Die Marke von einem TerawattinfoEin Terawatt entspricht einer Milliarde Kilowatt. an weltweit installierter Leistung wurde im Jahr 2022 überschritten, Ende 2023 waren es bereits gut 1,4 Terawatt (Abbildung 1, links). Während Europa, und vor allem Deutschland, bis in die Mitte der 2010er Jahre führend bei der installierten PV-Leistung war, wird das Wachstum derzeit von Asien dominiert, insbesondere von China.

PV-Leistung pro Person in Deutschland nicht mehr an der Spitze

Ein Vergleich der installierten PV-Leistung pro Person (Abbildung 1, rechts) zeigt deutlich die Vorreiterrolle Deutschlands zu Beginn der 2010er Jahre, aber auch eine darauffolgende Ausbauflaute.infoVgl. Jochen Diekmann, Claudia Kemfert und Karsten Neuhoff (2012): Solarstromförderung: Drastische Einschnitte nicht sinnvoll. DIW Wochenbericht Nr. 12, 3–8 (online verfügbar). Nach einem starken PV-Zubau in den Jahren 2010–2012 und gestiegenen Förderkosten wurde der Ausbau in den folgenden Jahren durch stark reduzierte Fördersätze gebremst. In den vergangenen Jahren ist die PV in Deutschland wieder stark gewachsen, zuletzt so schnell wie nie zuvor. In anderen Ländern war das Wachstum zuletzt jedoch noch deutlich stärker. Zum Beispiel haben die Niederlande Deutschland bei der installierten Leistung pro Person mittlerweile deutlich überholt und sind sogar mit dem sehr sonnenreichen Australien gleichgezogen, obwohl der Ausbau in den Niederlanden viel später begonnen hat. Auch Belgien hat seine installierte PV-Leistung in den vergangenen Jahren sehr stark steigern können. Damit haben sowohl die Niederlande als auch Deutschland und Belgien pro Person mehr PV-Leistung installiert als das sonnenreichere Spanien. Selbst im gemeinhin für die Kohleverstromung bekannten Polen hat der PV-Zubau zuletzt so stark angezogen, dass es dort pro Kopf inzwischen fast so viel PV-Leistung gibt wie in Italien.

Produktionskapazitäten für Solarmodule gestiegen, Preise deutlich gesunken

Ein wesentlicher Grund des zuletzt starken Wachstums ist der Verfall der Preise für Solarmodule. Kosteten sie in den 1980er Jahren noch gut 20 US-Dollar pro Watt, ist dieser Preis mittlerweile unter 0,30 US-Dollar pro Watt gefallen.infoOur World in Data (2024): Solar photovoltaic module price (online verfügbar). Die aktuell niedrigen Preise lassen sich neben technologischen Fortschritten und Skaleneffekten bei der Produktion auch durch starke Überkapazitäten erklären. In den letzten Jahren wurden vor allem in China sehr große Produktionskapazitäten aufgebaut, die bereits in der Größenordnung von einem Terawatt pro Jahr liegen dürften.infoInternationale Energieagentur (2023): Renewable Energy Market Update – June 2023 (online verfügbar). Jedoch hat die Nachfrage nicht in derselben Geschwindigkeit zugenommen. Daher sind die Produktionskapazitäten aktuell bei Weitem nicht ausgelastet, was die Modulpreise drückt.infoInternationale Energieagentur (2024): Advancing Clean Technology Manufacturing. Mai 2024 (online verfügbar).

China dominiert im Moment die globale PV-Produktionskette. Seit vielen Jahren verfolgt das Land bereits die Strategie, Weltmarktführer im Bereich der Photovoltaik zu sein und baut seine Produktionskapazitäten daher massiv weit über den eigenen Bedarf hinaus aus. Je nach Produktionsschritt liegen derzeit zwischen 75 und 95 Prozent der weltweiten Produktionskapazität in China.infoInternationale Energieagentur (2023), a.a.O.; Internationale Energieagentur (2022): Solar PV Global Supply Chains (online verfügbar). Dies dürfte sich auch in den nächsten Jahren, trotz verschiedener Anstrengungen der USA und auch der Europäischen Union, nicht grundlegend ändern.

Ausbauziele und Trends in Deutschland

Auch in Deutschland hat sich der Zubau von PV-Anlagen seit dem vergangenen Jahr deutlich beschleunigt (Abbildung 2). Durch das starke Wachstum liegt die installierte Leistung mit rund 91 Gigawatt (GW) sogar über dem von der Bundesregierung selbst gesteckten Zielpfad (Abbildung 2, links). Um das Ausbauziel von 215 GW im Jahr 2030 zu erreichen, muss die Geschwindigkeit allerdings noch weiter steigen, wie die Trendlinie zeigt. Bis 2040 soll sich die Gesamtleistung den Plänen der Bundesregierung zufolge dann noch einmal auf 400 GW fast verdoppeln. An der gesamten Bruttostromerzeugung in Deutschland hatte die Photovoltaik im letzten Jahr einen Rekordwert von rund zwölf Prozent.infoAG Energiebilanzen (2024): Stromerzeugung nach Energieträgern (Strommix) von 1990 bis 2023 (in Terawattstunden) in Deutschland insgesamt. 10. April (online verfügbar).

Gebäude-Photovoltaik nach wie vor wichtigstes Segment

Eine aktuelle Auswertung des Marktstammdatenregisters und separat bereitgestellter Daten der Bundesnetzagentur ermöglicht eine differenziertere Betrachtung der aktuellen Ausbautrends.infoDas Marktstammdatenregister ist eine von der Bundesnetzagentur geführte Datenbank (Marktstammdatenregister 2024 (online verfügbar). Jede*r Stromerzeuger*in, ob mit einem Großkraftwerk oder einer Balkonanlage, ist verpflichtet, die Erzeugungskapazität zu registrieren. Die Datenqualität wird stetig besser, weist jedoch insbesondere am aktuellen Rand Ungenauigkeiten auf, da bei der manuellen Eingabe durch private Betreiber*innen häufig fehlerhafte oder unvollständige Angaben gemacht werden. Für die Analyse wird der Einfluss solcher Einträge minimiert, indem offensichtlich inkonsistente Angaben korrigiert werden. Die Bundesnetzagentur veröffentlich zudem monatlich eigene Statistiken zum EE-Ausbau (online verfügbar). Das Wachstum der PV wird überwiegend von baulichen Anlagen getrieben; dies sind vor allem Anlagen auf Dächern und zu einem kleinen Teil solche, die an Wänden oder Fassaden installiert sind (Abbildung 2, rechts). Sie haben an der installierten Gesamtleistung einen über die Jahre weitgehend stabilen Anteil von rund 70 Prozent. Dies umfasst sowohl Anlagen auf Wohngebäuden als auch solche auf gewerblichen oder landwirtschaftlichen Gebäuden. Rund die Hälfte der Leistung der Gebäudeanlagen ist kleiner als 25 Kilowatt (kW).

Der Anteil der PV-Anlagen auf Freiflächen liegt seit Jahren bei rund 30 Prozent der installierten Gesamtleistung. Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, den weiteren Zubau der PV hälftig auf Freiflächen- und Dachanlagen erfolgen zu lassen.infoBundesministerium für Wirtschaft und Kllimaschutz (2023): Photovoltaik-Strategie. Handlungsfelder und Maßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der Photovoltaik; Stand 05. Mai 2023 (online verfügbar). Ein Grund hierfür dürfte sein, dass Freiflächenanlagen aufgrund von Skaleneffekten deutlich günstiger zu errichten sind als Aufdachanlagen. Ein hälftiger Anteil wurde bisher jedoch noch in keinem Jahr erreicht, und auch im aktuellen Jahr 2024 wurden bis Mitte Juli erst 35 Prozent des Zubaus auf Freiflächenanlagen realisiert.

Die medial zuletzt vielfach aufgegriffenen Balkonkraftwerke fallen dagegen noch kaum ins Gewicht. Zwar nahm ihre Zahl sehr stark auf einen Gesamtbestand von zuletzt rund 600.000 Anlagen zu; allerdings ist ihr Beitrag zur installierten Leistung aufgrund der jeweils sehr kleinen Modulgrößen von im Mittel 0,8 kW noch sehr gering. Im Jahr 2024 liegt ihr Anteil an der insgesamt neu installierten PV-Leistung bisher bei knapp drei Prozent. Zur insgesamt in Deutschland installierten PV-Leistung tragen Balkonanlagen mit gut einem halben Prozent noch weniger bei.

Eigenverbrauchsvorteile treiben das aktuelle Wachstum

Hinter der starken Ausbaudynamik im Aufdachsegment stehen unter anderem viele Eigenheimbesitzer*innen, die durch Eigenverbrauchsvorteile und gesunkene Preise für PV-Module von der heimischen Stromproduktion profitieren. Der Eigenverbrauchsvorteil besteht darin, dass die eigene Produktion für sogenannte ProsumerinfoProsumer sind Producer (Produzent*innen) und Consumer (Konsument*innen) von Strom zugleich. Kommen noch Speicher hinzu (Storage) wird auch von „Prosumage“ gesprochen. sehr viel günstiger ist als der Bezug von Netzstrom, bei dem diverse Steuern und Entgelte anfallen.infoEine Diskussion von Vor- und Nachteilen des Eigenverbrauchs findet sich in Wolf-Peter Schill, Alexander Zerrahn und Friedrich Kunz (2017): Prosumage of solar electricity: pros, cons and the system perspective. Economics of Energy and Environmental Policy Nr. 1, 7–31. Vgl. auch Wolf-Peter Schill et al. (2017): Dezentrale Eigenstromversorgung mit Solarenergie und Batteriespeichern: Systemorientierung erforderlich. DIW Wochenbericht Nr. 12, 223–233 (online verfügbar). Die Eigenverbrauchsvorteile haben sich im Zuge der seit 2022 stark gestiegenen Haushaltsstrompreise noch einmal deutlich vergrößert.infoEine Übersicht über die Entwicklung der Haushaltsstrompreise und ihrer Komponenten findet sich sowohl in laufenden als auch in realen Preisen auf dem Open Energy Tracker (online verfügbar).

In den vergangenen zwölf Monaten, einschließlich Juni 2024, wurden 94 Prozent der neu installierten PV-Leistung auf baulichen Anlagen über Eigenverbrauchsvorteile in Kombination mit einem Einspeisetarif gefördert (Abbildung 3). Eigenverbrauchsvorteile ergeben sich dadurch, dass jede erzeugte PV-Kilowattstunde, die selbst verbraucht werden kann, den Netzstromverbrauch reduziert und somit die Stromrechnung um den jeweiligen Haushaltsstromtarif entlastet, der derzeit im Mittel bei rund 40 Cent pro Kilowattstunde liegt. Dabei handelt es sich um eine implizite Förderung, da diverse Steuern, Abgaben und Netzentgelte anders als beim Netzstrombezug nicht bezahlt werden müssen, unabhängig davon wie netzfreundlich der verbleibende Strombezug ist. Jede nicht selbst verbrauchte PV-Kilowattstunde wird darüber hinaus mit einem fixen Einspeisetarif vergütet, unabhängig vom Zeitpunkt der Einspeisung. Er liegt für Anlagen bis zehn kW derzeit bei rund acht Cent pro Kilowattstunde. Falls Anlagen voll einspeisen, also es zu keinem Eigenverbrauch kommt, erhöht sich die Einspeisevergütung auf rund 13 Cent. Diese Option einer erhöhten Volleinspeisungs-Vergütung kam mit der jüngsten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) hinzu. In Anbetracht der in den vergangenen Jahren stark gestiegenen Haushaltsstromtarife wird die Möglichkeit zur Volleinspeisung nur von etwa drei Prozent der im Jahr 2024 bisher in Betrieb genommenen Haushalts-PV-Anlagen genutzt.

Freiflächenanlagen werden zum größten Teil über Marktprämien gefördert, die in EEG-Ausschreibungen bestimmt werden. Daneben gibt es einen wachsenden Anteil von ungeförderten Anlagen. Das sogenannte Mieterstrommodell, mit dem Mieter*innen in die Lage versetzt werden sollen, von günstigem, lokal erzeugtem Solarstrom zu profitieren, spielt bisher praktisch keine Rolle.

Stärkster Photovoltaik-Ausbau in Süddeutschland

Die installierte PV-Leistung ist sehr ungleich auf die Bundesländer verteilt. In Bayern befindet sich mit Abstand die höchste installierte PV-Leistung, sowohl bei Gebäude- als auch Freiflächenanlagen. Insgesamt sind in Bayern knapp 25 GW installiert, was gut einem Viertel der in Deutschland installierten Leistung entspricht. Ungefähr halb so viel PV-Leistung befindet sich in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Danach folgen Niedersachsen und Brandenburg, das die zweitgrößte Freiflächen-Leistung hat. Sehr gering ist die installierte PV-Leistung in den drei Stadtstaaten (Abbildung 4, links).

Während der Vergleich von absoluter Leistung pro Bundesland von Interesse ist, sollte berücksichtigt werden, dass sich die Flächen- und Strukturunterschiede zwischen den Bundesländern auf ihre Potenziale für den Ausbau der Photovoltaik auswirken. Daher wird die installierte Leistung jeweils auch mit den Potenzialen verglichen, wie sie in einer aktuellen Studie des Ariadne-Projekts ausgewiesen wurden.infoNorman Gerhardt et al. (2023): Umsetzbarkeit der Stromwende – Regionale Potenziale Erneuerbarer Energien und gesellschaftliche Akzeptanz. Kopernikus-Projekt Ariadne, Potsdam (online verfügbar). Dabei sind geeignete Flächen im Abstand von 500 Metern von Autobahnen und Schienenwegen berücksichtigt. Demnach hat Bayern sein Potenzial für die Freifläche erst zu etwa 14 Prozent und im Aufdachsegment zu etwa 26 Prozent erschlossen (Abbildung 4, rechts). Ähnlich erfolgreich beim Erschließen des Freiflächenpotenzials ist Brandenburg (15 Prozent), an erster Stelle liegt das Saarland (33 Prozent). Neben den Stadtstaaten haben auch einige Flächenländer ihre Freiflächenpotenziale noch kaum erschlossen, unter anderem Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen (zu je zwei Prozent). Relativ zu ihren Potenzialen liegen bei den Aufdachanlagen Mecklenburg-Vorpommern (29 Prozent) und Baden-Württemberg (30 Prozent) noch knapp vor Bayern.

Positive Dynamik bei den Freiflächen-Ausschreibungen

Die Ausbaugeschwindigkeit bei der Freiflächen-PV, die überwiegend über Ausschreibungen gefördert wird (Abbildung 3) hat sich zuletzt ähnlich stark erhöht wie die der Aufdachanlagen. Dies liegt vor allem an den durch die Ampelkoalition deutlich erhöhten Ausschreibungsmengen (Abbildung 5).infoDie Bundesnetzagentur führt technologie-spezifische Erneuerbare-Energien-Ausschreibungen durch, bei denen Marktteilnehmer Gebote für Fördersätze abgeben können. Diese Fördersätze werden anschließend an bezuschlagte Projekte in Form einer Marktprämie, also einer Aufstockung von Erlösen am Strommarkt, ausgezahlt. Vgl. Mats Kröger, Karsten Neuhoff und Jörn C. Richstein (2022): Differenzverträge fördern den Ausbau erneuerbarer Energien und mindern Strompreisrisiken. DIW Wochenbericht Nr. 35, 439–447 (online verfügbar). Im laufenden Jahr werden gut 6,5 GW ausgeschrieben, so viel wie noch nie.

Seit der ersten Ausschreibungsrunde für Freiflächen-PV im Jahr 2015 sind die erfolgreichen Gebotswerte im Durchschnitt in realen Preisen fast stetig gefallen. Dies spiegelt den oben beschriebenen Preisverfall sowie teils auch einen erhöhten Bieterwettbewerb wider. Die Auktionen im Jahre 2022 waren insgesamt noch unterzeichnet, da nur 76 Prozent der Ausschreibungsmenge bezuschlagt wurde. Wenn sich eine Unterzeichnung im Vorfeld andeutet, haben die Auktionsteilnehmer*innen einen Anreiz, so hoch wie möglich zu bieten, also zum festgesetzten Höchstwert. Dies zeigt sich in den Ausschreibungsergebnissen von 2022. Die letzte Ausschreibung im Jahr 2023, für die vollständige Daten vorliegen, war dagegen mehr als dreifach überzeichnet, und die Gebote lagen deutlich unter dem Höchstwert.infoDie Auktionsergebnisse der Bundesnetzagentur weisen für Dezember 2023 ein ausgeschriebenes Volumen von etwas über 1,6 GW aus. Es wurden Gebote für knapp 5,5 GW abgegeben. Vgl. Bundesnetzagentur, Beendete Ausschreibungen (online verfügbar).

Die geographischen Gesamttrends zeigen sich auch in den Zuschlägen für die Freifläche. 42 Prozent aller Auktionszuschläge seit 2015 gingen nach Bayern. Mit weitem Abstand und jeweils zehn Prozent folgen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg.

Herausforderungen bei der Systemintegration von Photovoltaik-Strom

Während der Ausbau der Solarenergie voranschreitet, erweist sich die Systemintegration des PV-Stroms, also seine effiziente Einspeisung in die Netze und seine Integration in den Strommarkt, als zunehmende Herausforderung. Grund hierfür ist, dass die Solarstromerzeugung stark um die Mittagsstunden sonniger Tage konzentriert ist. Dies kann in den Stromnetzen, vor allem auf der Verteilnetzebene, zu zeitweisen Engpässen führen.

Solarstrom senkt Strompreise, erfordert aber auch ein flexibleres Stromsystem

Der von PV-Anlagen in das Netz eingespeiste Strom wird am Großhandelsmarkt angeboten. Bei größeren Anlagen übernehmen das die Anlagenbetreiber oder von ihnen beauftragte Direktvermarkter, bei kleinen Anlagen sind die Netzbetreiber für die Vermarktung zuständig. Die dabei erzielbaren Erlöse des PV-Stroms am Strommarkt (Marktwerte) sinken tendenziell mit wachsenden Marktanteilen der Solarenergie. Dies wurde in der Literatur als „Kannibalisierungseffekt“ beschrieben.infoJavier López Prol und Wolf-Peter Schill (2021): The Economics of Variable Renewables and Electricity Storage. Annual Review of Resource Economics, Nr. 1, 443–467 (online verfügbar). Dieser Effekt ist jedoch nicht als eine Art Naturgesetz zu verstehen; vielmehr hängt seine Stärke von diversen Faktoren ab, unter anderem von der Art der PV-Förderung sowie von der Verfügbarkeit von Speichern und anderen Flexibilitätsoptionen im Stromsektor.infoVgl. López Prol und Schill (2021), a.a.O.; Tom Brown und Lina Reichenberg (2021): Decreasing market value of variable renewables can be avoided by policy action. Energy Economics (online verfügbar). Betreiber*innen von PV-Anlagen sind aufgrund von Marktprämien oder Einspeisetarifen gegen sinkende Marktwerte weitgehend abgesichert. Allerdings erhöhen sich dadurch die Kosten der Förderung der Solarenergie über das EEG.

Darstellen lässt sich der Kannibalisierungseffekt durch eine Gegenüberstellung der monatlichen Marktwertfaktoren der Photovoltaik und deren monatlicher Anteile an der gesamten Stromerzeugung in Deutschland. Der monatliche Marktwertfaktor ist der Durchschnittserlös aller PV-Anlagen in Deutschland in Relation zum ungewichteten durchschnittlichen Strompreis des gleichen Monats. Der Marktwertfaktor zeigt an, wie viel der durch PV erzeugte Strom relativ zum durchschnittlichen Strompreis eines Monats wert war. Seit Januar 2015 sind die Marktwertfaktoren der PV in Deutschland je zusätzlichem Prozentpunkt Erzeugungsanteil im Mittel um rund 1,4 Prozentpunkte gefallen (Abbildung 6, oben). Im Vergleich dazu war der Kannibalisierungseffekt bei der Windkraft an Land und auf See aufgrund ihrer gleichmäßigeren Erzeugungsprofile weniger ausgeprägt.

Der dämpfende Effekt der PV auf die Strompreise zeigt sich auch beim Blick auf die durchschnittlichen stündlichen Strompreise im Tagesverlauf (Abbildung 6, unten). Diese Darstellung, aufgrund ihrer Form auch „duck curve“ genannt, verdeutlicht, dass die Strompreise im Lauf der vergangenen Jahre zur Tagesmitte stark gesunken sind, vor allem im sonnenreichen Sommerhalbjahr. Im Strommarkt kam es zuletzt auch wieder häufiger zu negativen Preisen. Im Jahr 2022 war dies – im Kontext allgemein sehr hoher Strompreise – in weniger als einem Prozent der Stunden der Fall, im Jahr 2023 waren es mehr als drei Prozent aller Stunden. Von diesen fiel wiederum mehr als die Hälfte in die Zeit zwischen zehn und 15 Uhr. Im laufenden Jahr zeichnet sich ab, dass es noch mehr Stunden mit negativen Preisen geben wird als im Vorjahr.

All dies deutet darauf hin, dass die Flexibilität im Stromsystem zuletzt nicht mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere der PV, Schritt gehalten hat. Vor allem Kurzfrist-Stromspeicher, wie stationäre Batterien oder auch Pumpspeicher, sind grundsätzlich sehr gut geeignet, die dafür notwendige Flexibilität bereitzustellen, indem sie Strommengen im Tagesverlauf verschieben und somit Preisschwankungen dämpfen.

Flexibilitäten bei Eigenverbrauchsanlagen bisher unzureichend erschlossen

Ein Grund für die steigenden Herausforderungen bei der Markt- und Netzintegration der Photovoltaik ist, dass bereits vorhandene Flexibilitäten nicht immer optimal eingesetzt werden. So wurden zuletzt viele PV-Anlagen in Gebäuden in Kombination mit Batteriespeichern installiert. Diese erlauben es den Haushalten oder Gewerbetreibenden, den Anteil ihres selbst genutzten PV-Stroms zu vergrößern und damit hohe Eigenverbrauchsvorteile zu realisieren. Allerdings gibt es kaum Anreize, diese Speicher möglichst netz- oder marktorientiert einzusetzen, da weder die Einspeisevergütung noch in der Regel die Haushaltsstromtarife entsprechende Signale dafür geben: Vergütungen und Preise sind für jede Kilowattstunde gleich, unabhängig vom aktuellen Marktpreis. So kann es beispielsweise zu der Situation kommen, dass die PV-Speicher in den Sommermonaten in den Stunden der höchsten PV-Erzeugung bereits vollgeladen sind und die Anlagen dann mit voller Leistung in das Netz einspeisen. Dies belastet die lokalen Stromnetze und kann den Kannibalisierungseffekt verstärken. Außerdem kann es dazu kommen, dass Prosumer ihren PV-Stromspeicher zu früh oder zu spät leeren, aber nicht in den Stunden der Netzhöchstlast, wenn eine Verringerung des Netzstrombezugs besonders vorteilhaft wäre.

Gleiches wird für die in den kommenden Jahren stark zunehmende Anzahl an Elektrofahrzeugen und Wärmepumpen gelten, die in Prosumer-Haushalten mit eigenerzeugtem PV-Strom versorgt werden dürften. Eine Erschließung der Flexibilitätspotenziale dieser Technologien könnte die Markt- und Netzintegration des PV-Stroms deutlich verbessern. Eine notwendige Bedingung hierfür ist der Einbau intelligenter Stromzähler, der in Deutschland bisher nur sehr schleppend vorankommt.infoBundesnetzagentur und Bundeskartellamt (2023): Monitoringbericht 2023. Stand 29. November 2023 (online verfügbar).

Fazit: Ausbaugeschwindigkeit hochhalten, Systemintegration stärken

Bei der Photovoltaik gibt es derzeit viel Licht. Die Technologie boomt weltweit. In vielen Ländern werden PV-Anlagen mit bisher ungekannter Geschwindigkeit zugebaut und die globale Produktionskapazität nimmt stark zu. Gleichzeitig sind die Solarmodulpreise zuletzt auf Rekord-Tiefstände gefallen. Vor diesem Hintergrund scheinen die PV-Ausbauziele der Bundesregierung erreichbar. Die für das Jahr 2040 geplante installierte PV-Leistung von 400 GW in Deutschland könnte bereits heute mit der bestehenden globalen Produktionskapazität ungefähr zweieinhalbmal pro Jahr hergestellt werden.

Im letzten Jahr hat der Zubau der PV auch in Deutschland Fahrt aufgenommen und liegt aktuell sogar über dem von der Bundesregierung geplanten Wachstumspfad. Haupttreiber dieser Entwicklung sind Aufdachanlagen, die meist von Eigenverbrauchsvorteilen profitieren. Zudem erfolgt der Zubau überproportional stark im Süden Deutschlands, was angesichts der Nord-Süd-Engpässe im Übertragungsnetz grundsätzlich positiv zu bewerten ist.

In den kommenden Jahren muss es nun darum gehen, die Ausbaudynamik hochzuhalten. Die im Solarpakt I kürzlich beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung gehen dabei in die richtige Richtung (Kasten 2). Dies gilt nicht nur für das Gebäudesegment, in dem die Ziele bereits übererfüllt werden, sondern insbesondere für Freiflächenanlagen. Die Bundesregierung sollte daher erwägen, die Ausschreibungsmengen im Freiflächensegment nochmals zu erhöhen. Dies erscheint vor dem Hintergrund sinnvoll, dass der PV-Zubau sich hälftig auf Gebäuden und Freiflächen aufteilen soll, und dass die Ausschreibungen von Freiflächenanlagen zuletzt mehrfach überzeichnet waren. Dies könnte auch dazu beitragen, die Ausbaukosten gering zu halten, da Freiflächen- im Vergleich zu Aufdachanlagen günstiger sind.

Das sogenannte Solarpaket I ist ein Gesetzespaket, das im April 2024 im Bundestag beschlossen wurde.infoBundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2024): Das Solarpaket I im Überblick (online verfügbar). Es basiert auf der sogenannten Photovoltaik-Strategie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz vom Mai 2023.infoBundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2023): Photovoltaik-Strategie. Handlungsfelder und Maßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der Photovoltaik. Stand 05. Mai 2023 (online verfügbar); die Photovoltaik-Strategie wurde in Folge #5 „Photovoltaik: Gigawatt? Terawatt!“ des DIW-Podcasts „fossilfrei“ diskutiert (online verfügbar).

Im Bereich der Gebäude-PV sind wesentliche Elemente des Solarpakets I eine Erhöhung der Fördersätze und Ausschreibungsmengen sowie eine erleichterte Zertifizierung für PV-Anlagen auf Gewerbedächern. Die Photovoltaik in Wohngebäuden soll unter anderem durch eine „gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“ befördert werden, was die Lieferung von PV-Strom innerhalb eines Gebäudes erleichtern soll. Daneben soll der Zubau von Balkon-Solaranlagen dadurch erleichtert werden, dass die Anmeldepflicht beim Netzbetreiber entfällt und die Anmeldung im Marktstammdatenregister erleichtert wird. Zudem wird übergangsweise auch die Nutzung von Balkon-Anlagen mit alten und gegebenenfalls rückwärtsdrehenden Stromzählern erlaubt, womit der eigene Netzstromverbrauch bilanziell um jede ins Netz eingespeiste Kilowattstunde Strom verringert und somit effektiv mit dem Netzstromtarif vergütet wird („Net-Metering“). Darüber hinaus gibt es weitere Regelungen zur Entbürokratisierung im Gebäudesegment, beispielsweise den Weiterbetrieb von Anlagen betreffend, die bereits mehr als 20 Jahre in Betrieb und somit aus der Förderung für erneuerbare Energien herausgefallen sind.

Im Bereich der Freiflächenanlagen wurden ebenfalls diverse Maßnahmen zur Beschleunigung des Ausbaus umgesetzt, beispielsweise die Erhöhung der Gebotsmenge bei Auktionen von 20 auf 50 Megawatt oder die Erschließung zusätzlicher Flächen aus „benachteiligten Gebieten“ der Landwirtschaft. Gleichzeitig wird die Förderung der PV auf Flächen, die vorher landwirtschaftlich genutzt waren, auf 80 Gigawatt bis zum Jahr 2030 begrenzt, was gut 37 Prozent des bis dahin geplanten PV-Bestands entsprechen würde. Außerdem gibt es ein eigenes Fördersegment mit steigenden Ausschreibungsmengen für besondere PV-Anlagen wie beispielsweise auf gleichzeitig landwirtschaftlich genutzten Flächen (Agri-PV), auf Wasserflächen (Floating-PV), über Mooren (Moor-PV), oder über Parkplätzen (Parkplatz-PV).

Weitere Maßnahmen sollen in Form eines Solarpakets II umgesetzt werden, dessen Zeitplanung aber derzeit offen ist. In diesem Kontext könnte ein Fokus auf die bessere Markt- und Systemintegration von PV-Anlagen gelegt werden.

Eine sich andeutende Schattenseite des PV-Ausbaus ist, dass die am Großhandelsmarkt erzielbaren Preise für den Solarstrom tendenziell sinken. Dies weist darauf hin, dass die Flexibilität im Stromsektor langsamer gewachsen ist als die PV-Leistung. Bei der Gebäude-PV sollte der Fokus daher künftig darauf liegen, Flexibilitätspotenziale durch PV-Batteriespeicher sowie durch Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen zu erschließen. Hierfür ist die beschleunigte Installation von intelligenten Zählern eine notwendige Bedingung. Dies würde dynamische Stromtarife für Prosumer ermöglichen, die sich am stündlichen Großhandelspreis orientieren, um den PV-Eigenverbrauch marktorientierter zu gestalten. Weitere Anreize für einen marktorientierten Anlagenbetrieb könnten am Großhandelspreis orientierte Einspeisevergütungen bieten. Ein einfacherer, erster Schritt in diese Richtung könnten zeitlich variable Einspeisevergütungen sein, die in den Mittagstunden geringer sind als am Abend. Positive Erfahrungen hierzu wurden beispielsweise im australischen Bundesstaat Victoria gemacht.infoEssential Services Commission (2024): Minimum feed-in tariff review 2024–25 (online verfügbar).

Neben den wachsenden Herausforderungen bei der Netz- und Marktintegration hat der PV-Ausbau noch eine weitere Schattenseite. Da es kaum noch eine Produktion von Solarzellen in Deutschland oder der EU gibt, ist der weitere PV-Zubau stark auf Importe aus China angewiesen.infoDie Folge #22 des DIW-Podcasts „fossilfrei” (online verfügbar) befasst sich ausführlicher mit der Frage, ob Deutschland wieder eine eigene PV-Industrie aufbauen sollte und beleuchtet mit Hilfe verschiedener Expert*innen die verschiedenen Positionen. Eine Möglichkeit zur Absicherung der Energiewende gegen mögliche Engpässe beim Bezug von Solarmodulen aus China wäre ein Wiederaufbau der deutschen beziehungsweise der europäischen Solarindustrie. In Anbetracht der derzeitigen weltweiten Überkapazitäten würde dies erhebliches finanzielles und auch politisches Kapital erfordern, um den Bürger*innen die Notwendigkeit entsprechender Fördermaßnahmen zu vermitteln. Dabei stünde Deutschland nicht nur im Wettbewerb mit China, sondern auch mit den USA, die über den Inflation Reduction Act unter anderem die Ansiedlung der PV-Industrie finanziell stark fördern. Eine andere Möglichkeit künftigen Importengpässen zu begegnen, wäre der Aufbau einer PV-Reserve.infoVgl. Ben McWilliams, Simone Tagliapietra und Cecilia Trasi (2024): Smarter European Union industrial policy for solar panels. Bruegel Policy Brief, 8. Februar (online verfügbar). Dazu könnten Module auf dem Weltmarkt gekauft und eingelagert werden, die beispielsweise dem geplanten Zubau von einem bis zwei Jahren entsprechen. Durch eine solche Reserve könnte im Fall von Lieferengpässen Zeit gewonnen werden, um andere Importquellen zu erschließen oder eine heimische Produktion hochzufahren, ohne dass der Zubau zum Erliegen kommt. Alternativ könnte auch der laufende PV-Zubau über die bisherigen Planungen hinaus weiter gesteigert werden, solange der Weltmarkt mit Solarmodulen überversorgt ist – denn jedes heute bereits installierte Panel mindert die Notwendigkeit späterer PV-Importe.

Alexander Roth

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

Wolf-Peter Schill

Leiter des Forschungsbereichs „Transformation der Energiewirtschaft“ in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt



JEL-Classification: Q41;Q42;Q48
Keywords: Solar PV, renewable energy, energy transition, prosumer, Germany
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2024-33-1

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