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Europäische Rating-Agentur soll Monopol aufbrechen

Pressemitteilung vom 18. Dezember 2008

18. Dezember 2008 - Das DIW Berlin hat den Rückzug des Staates aus den Landesbanken und die Schaffung einer nicht-kommerziellen europäischen Rating-Agentur gefordert. Dies sind zentrale Elemente eines jetzt veröffentlichten Neun-Punkte-Plans zur Umgestaltung der Finanzmärkte. Weitere zentrale Forderung sind die Schaffung einer einheitlichen europäischen Finanzmarktaufsicht, eine Reform der Managervergütung und eine stärkere Eigenkapitalfinanzierung. „Trotz schneller Notmaßnahmen haben wir die Finanzmarktkrise immer noch nicht im Griff,“ sagte DIW-Finanzmarktexpertin Dr. Dorothea Schäfer. „Eine dauerhafte Stabilisierung des Banken- und Finanzsektors werden wir nur mit einer neuen Finanzmarktarchitektur erreichen.“ Mit dem Neun-Punkte-Programm legt das DIW Berlin eine umfassende Blaupause für die auf dem Weltfinanzgipfel in Washington vereinbarten neuen Grundregeln für die weltweiten Finanzmärkte vor. In Washington war vereinbart worden, dass künftig „alle Finanzmärkte, alle Finanzprodukte und alle Finanzmarktteilnehmer einer Regulierung und angemessenen Überwachung unterworfen sein sollen. Wie dies im Einzelnen aussieht, steht auf dem Folgetreffen im April auf der Tagesordnung – dann wird auch über zentrale Punkte des jetzt vom DIW Berlin vorgelegten Reformpakets entschieden werden.
Die Vorschläge des DIW Berlin sehen im Einzelnen vor: 1. Regulierung und Krisenmanagement: Koordinationsversagen minimieren > durch eine zentrale Stelle Etablierung internationaler Regulierungsstandards > durch eine internationale Institution, die im Krisenfall notwendige Maßnahmen abstimmt und koordiniert > durch eine europäische Finanzmarktaufsicht Massives Koordinationsversagen ist nach Einschätzung des DIW Berlin eine der zentralen Faktoren der aktuellen Krise – und zwar sowohl bei der Krisenprävention durch wirksame Regulierung als auch bei akuten Finanzkrisen. Das Koordinationsversagen zeige sich bei Regulierungslücken ebenso wie beim Fallenlassen von Lehmann Brothers durch die amerikanische Politik oder beim Vorpreschen Irlands bei einer Staatsgarantie für Einlagen bei irischen Banken. Bindende Regulierungsstandards sollten künftig vom Financial Stability Forum entwickelt werden. Im Krisenfall müsse die Abstimmung von Maßnahmen ebenfalls zentral erfolgen. Das DIW Berlin schlägt hierfür den IWF vor. In Europa sind die nationalen Aufsichtsorgane machtlos und überfordert. Auf der Aufsichtsebene ist daher ebenfalls ein länderübergreifendes Mandat erforderlich und zwar über die Einrichtung einer europäischen Finanzmarktaufsicht. 2. Finanzaufsicht: Subsidiarität forcieren > durch eine zweistufige europäische Finanzaufsicht Für Europa schlägt das DIW Berlin die Schaffung einer zweistufigen Finanzaufsicht vor. So solle eine europäische Finanzmarktaufsicht künftig international tätige Finanzmarktakteure und die nationalen Aufsichtsbehörden überwachen. Regionale Banken sollten dabei von nationalen Aufsehern überwacht werden. „Ein solches zweistufiges Modell funktioniert in der Eurozone bereits bei der Europäischen Zentralbank (EZB) und den nationalen Zentralbanken“, so Schäfer. 3. Managervergütung: Keine Anreize für Fehlverhalten > durch eine transparente Regulierung von Bonussystemen für Bankmanager > durch die Genehmigung der Gesamtvergütung durch Aktionäre Fehlanreize bei der Managervergütung haben dazu geführt, dass Bankmanager besonders stark in hochriskante, spekulative Geschäfte investiert haben. Derartige Anreize ließen sich durch einen Fonds eindämmen, der Leistungsboni aus profitablen Phasen mit Abschlägen für unprofitable Phasen verrechnet. Die Nettoboni sollten zudem frühestens nach drei bis fünf Jahren ausgezahlt werden. Zudem sollte die Aktionärsversammlung die Gesamtvergütung von Bankmanagern genehmigen. 4. Kreditbewertung: Glaubwürdigkeit des Staates nutzen > durch die Schaffung einer nicht-kommerziellen öffentlichen Rating-Agentur auf europäischer Ebene Der Markt der Rating-Agenturen gleicht derzeit einem Oligopol von drei Anbietern – die noch dazu von denjenigen bezahlt werden, deren Produkte sie überprüfen sollen. Wenig überraschend gehören übertrieben optimistische Bewertungen von Kreditrisiken zu den zentralen Ursachen der Finanzmarktkrise. Um künftig für mehr Wettbewerb und ein tatsächlich unabhängiges Kredit-Rating zu sorgen, schlägt das DIW Berlin eine staatliche Agentur innerhalb der Euro-Zone vor. Bestehende Strukturen dafür sind bereits vorhanden: Unter dem Dach der EZB unterhalten die nationalen Zentralbanken schon jetzt entsprechende Bewertungsabteilungen. 5. Landesbanken: Staat nicht überfordern > keine operative Verantwortung des Staates im Bankgeschäft Die Rolle des Staates im Finanzsektor muss klare Grenzen haben. Die deutschen Landesbanken haben beispielhaft gezeigt, dass der Staat als Eigentümer von Finanzorganisationen regelmäßig versagt und dass Interessenkonflikte dabei vorprogrammiert sind. Das DIW Berlin fordert deshalb eine Beschränkung des Staates auf reine Förderbanken und einen Rückzug bei den Landesbanken. 6. Staatsgarantien: Missbrauch der staatlichen Verantwortung verhindern > private Finanzdienstleister nicht länger mit Staatsgarantien ausstatten Die amerikanischen Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddy Mac waren gewinnorientierte private Finanzdienstleister mit einer impliziten Staatsgarantie. Eine solche Konstruktion vernichtet den Anreiz zur Sorgfalt bei der Auswahl von Investitionsprojekten und Vertragspartnern. Eine private Versicherung der Ausfallrisiken ist vor dem Hintergrund einer kostenlosen Staatsgarantie irrational. 7. Aussagefähige Bankbilanzen: Nachverhandlungsanfälligkeit berücksichtigen > indem ausgelagerte Kreditrisiken in der Bankbilanz berücksichtigt werden und >Registrierung und Genehmigung von Zweckgesellschaften durch die Bankenaufsicht stattfindet Banken können ihre Bilanzen schönen, indem sie Risiken in selbständige Zweckgesellschaften oder Hedgefonds auslagern. Wenn Ausfallrisiken eintreten, sind die Mutterbanken indes gezwungen, diese Risiken wieder in die Bilanz zu übernehmen. Die Aufsicht sollte künftig die Risiken so behandeln, als wären sie nie ausgelagert worden. 8. Regulierungsprinzipien: „Breitbandregulierung“ nicht sinnvoll > differenzierte und angepasste Regulierungsmaßnahmen sind erforderlich Trotz der Krise muss einer zu einheitlichen Regulierung widerstanden werden. Internationale Finanzierungskonglomerate brauchen andere Rahmenbedingungen als regionale Mittelstandsbanken, staatliche Förderbanken müssen anders beaufsichtigt werden als private Geschäftsbanken. Besonders Hedgefonds und Private-Equity- Fonds erfordern eine spezifische Regulierung. 9. Eigenkapitalfinanzierung stärker gewichten > durch die Rückkehr zu mehr Eigenkapitalfinanzierung Eine dauerhafte Stabilisierung des Finanzsystems ist nicht denkbar ohne Eigenkapitalfinanzierung - egal ob es sich um private Haushalte, Unternehmen oder Finanzintermediäre handelt. Dazu müssen Finanzierungsbeschränkungen für Private, die auf mangelnde Bonität zurückzuführen sind, wieder als systemschonend und nicht als Kreditklemme anerkannt werden. Agenda für eine neue Finanzmarktarchitektur. Von Dorothea Schäfer. In: Wochenbericht 51-52/2008.

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