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Langzeitkranke verlieren durch die Kürzung des Krankengelds fünf Milliarden Euro

Pressemitteilung vom 13. Mai 2009

Infolge der Kürzung des Krankengeldes sind seit 1997 rund fünf Milliarden Euro zugunsten der übrigen Versicherten umverteilt worden. Die Maßnahme trug dazu bei, die Beitragssätze in der Gesetzlichen Krankenkasse stabil zu halten, änderte aber nichts am Verhalten der Langzeitkranken. Die sind die zentralen Ergebnisse einer aktuellen Studie des DIW Berlin auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). "Jedem Langzeitkranken stehen seither während der Krankheitsphase im Durchschnitt rund 250 Euro weniger zur Verfügung als zuvor", sagte DIW-Experte Nicolas Ziebarth. "Der Rückgang der Fälle von Langzeitkrankheit ist jedoch definitiv nicht auf die Krankengeldkürzung zurückzuführen".
1997 hatte die Bundesregierung beschlossen, das Krankengeld von 80 Prozent auf 70 Prozent des Bruttolohns zu kürzen. Durch diese Maßnahme sollten die Ausgaben der Krankenkassen reduziert und die Beitragssätze stabilisiert werden. Die Krankenkassen haben seither rund fünf Milliarden Euro eingespart. Der Effekt auf den Beitragssatz blieb mit zuletzt 0,04 Prozentpunkten trotzdem eher marginal. „Krebspatienten feiern nicht krank“ Eine Langzeiterkrankung dauert im Durchschnitt vier Monate. Daran hat sich auch nach der Krankengeld-Reform nichts geändert. “Krebspatienten feiern nicht krank!“ betont Nicolas Ziebarth. „Unsere Daten zeigen, dass die finanziellen Einschränkungen nicht dazu geführt haben, dass die Betroffenen ihre Arbeit schneller wieder aufnehmen. Das zeigt uns: Unter den Langzeitkranken gibt es kaum Fälle von “Blaumachen“ oder „Krankfeiern.“ Zahl der Langzeiterkrankten stark rückläufig Die Zahl der Langzeiterkrankten ist in der Zeit von 1993 bis 2006 von 2,3 Millionen auf 1, 4 Millionen deutlich zurück gegangen. „Dieser Trend setzte bereits vor der Kürzung des Krankengelds ein und ist auch nicht darauf zurückzuführen.“ erklärt Ziebarth. „Die Gründe für den Rückgang von Langzeiterkrankungen sind vielfältig: Durch den Strukturwandel ist der Anteil an körperlich stark belastender Arbeit insgesamt zurückgegangen. Verbesserter Arbeitschutz und betriebliche Wiedereingliederungsmaßnahmen haben diesen Trend ebenfalls unterstützt.“ Weitere Kürzungen des Krankengeld kann Ziebarth nicht empfehlen: „Es ist wissenschaftlich schwer zu sagen, ob 70 oder 80 Prozent optimal sind. Ein Krankengeldniveau von 100 Prozent würde aber sicher schwere Fehlanreize zur Folge haben. Das würde dazu führen, dass viele Arbeitnehmer aus dem Arbeitsleben ausscheiden. Zudem sollte das Krankengeld nicht allzu stark vom Niveau anderer Sozialleistungen wie dem Arbeitslosengeld I abweichen. In der Summe kann man sagen, dass das derzeitige Niveau angebracht ist.“ Stichwort SOEP: Das SOEP ist eine repräsentative Wiederholungsbefragung, die bereits seit 25 Jahren läuft. Im Auftrag des DIW Berlin werden jedes Jahr in Deutschland über 20 000 Personen in rund 11 000 Haushalten von TNS Infratest Sozialforschung befragt. Das SOEP ist als wissenschaftliche Serviceeinrichtung der Leibnizgemeinschaft am DIW Berlin angesiedelt. Die Daten des SOEP geben unter anderem Auskunft zu Fragen über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung oder Gesundheit. Die SOEP-Daten werden Forscherinnen und Forschern im In- und Ausland für wissenschaftliche Analysen zur Verfügung gestellt. Langzeitkranke verlieren durch die Kürzung des Krankengelds fünf Milliarden Euro. Von Nicolas R. Ziebarth. In: Wochenbericht 20/2009.

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