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Griechenland: klare Wachstumsstrategie entwickeln, Zukunftsindustrien aufbauen

Pressemitteilung vom 1. Februar 2012

Griechenlands einzige Chance, wieder auf die Beine zu kommen, ist eine Wachstumsstrategie. Insbesondere brauche das Land eine Stärkung seiner industriellen Basis. Zu diesem Fazit kommt eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). „Eine Politik, die vor allem auf einen Abbau der Staatsschulden ausgerichtet ist, verkennt dagegen die eigentlichen Probleme und wird deshalb die gesteckten Ziele auch kaum erreichen können“, sagt Karl Brenke, wissenschaftlicher Mitarbeiter am DIW Berlin. Um die Wirtschaft Griechenlands zu stärken, empfiehlt Alexander Kritikos, Forschungsdirektor am DIW Berlin, einen „Marshallplan“ aus EU-Mitteln, mit dem vor allem der Aufbau zukunftsträchtiger Industrien gefördert wird.

Griechenland hat lange und auch schon vor Eintritt in die Eurozone über seine Verhältnisse gelebt und sich im Ausland verschuldet. Da mit der Einführung des Euro die Zinssätze deutlich sanken, wurde die Verschuldung noch erleichtert. Die nun nicht mehr tragfähige Staatsschuld ist aber nur ein Ausdruck der Probleme, die eigentliche Ursache der Krise ist die völlig unzureichende Wirtschaftskraft des Landes. Vor allem mangelt es an einer Exportbasis - also  an solchen wirtschaftlichen Aktivitäten, mit denen Griechenland Einkommen im Güteraustausch mit anderen Staaten erzielen kann. Eine wichtige Säule ist der Tourismus, dessen Wachstumsmöglichkeiten sollten aber nicht überschätzt werden. Im Falle Griechenlands unterliegt der Fremdenverkehr zudem extremen saisonalen Schwankungen.  Die Industrie ist dagegen nur sehr klein und deren Absatz im Wesentlichen auf den Binnenmarkt ausgerichtet. Es dominiert die Produktion überregional nicht handelbarer  Güter, und die Betriebsstruktur des verarbeitenden Gewerbes ist stark von Klein- und Kleinstbetrieben geprägt. Große Unternehmen sind kaum zu finden. Damit hängt zusammen, dass es auch wenig an höherwertigen Unternehmensnahen Dienstleistungen gibt. Die kleinteilige Unternehmensstruktur zieht sich fast durch die gesamte  griechische Wirtschaft, denn schon auf zwei Arbeitnehmer kommt ein Selbständiger - einschließlich des öffentlichen Sektors.

Angesichts der eklatanten wirtschaftlichen Rückständigkeit helfe Griechenland nur eine Wachstumsstrategie weiter, insbesondere eine nachholende Industrialisierung, sagt Brenke, der Autor der Studie.  Zwar könne durch eine Modernisierung der Verwaltung sowie durch eine stärkere Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen die Steuerkraft des Staates gestärkt werden, ohne dass die Nachfrage allzu sehr eingeschränkt würde. „Mit einer vornehmlich auf das Sparen orientierten Politik wird man aber nicht die  Wirtschaftsbasis stärken können - im Gegenteil“, sagt Brenke. Ebenfalls nicht weiterhelfen würde eine verstärkte Inanspruchnahme von Mitteln der diversen EU-Fonds, denn mit diesen werde Sozialpolitik, Strukturerhaltung und vor allem regionale Verteilungspolitik betrieben. „All die Maßnahmen gehen an den Problemen Griechenlands wie auch anderer Krisenländer vorbei. Nötig ist keine Ausgleichspolitik, sondern eine nationale Wachstumspolitik", sagt Brenke. Ein Wachstumsprozess könnte vielmehr durch eine deutliche Absenkung des Preis- und Einkommensniveaus im Vergleich zu anderen Ländern angeschoben werden, also durch eine Abwertung der Währung.

Alexander Kritikos empfiehlt in einem aktuellen Kommentar zur Wirtschaft Griechenlands, im Rahmen eines europäischen Marshall-Plans vor allem in das Innovationssystem des Landes zu investieren: in Forschungseinrichtungen, Hochschulen und in zukunftsträchtige Unternehmen beispielsweise in den Branchen Energie und Gesundheit. Aus eigener Kraft könne Griechenland das jedoch nicht leisten, dafür sei das Engagement der EU nötig, die eigene Mittel im Land investieren solle, sagt Kritikos. Die Investitionen müssten einhergehen mit Anreizen für größere Betriebe, um effizienter wirtschaften zu können. „Und dieses Mal muss sichergestellt werden, dass solche Finanzmittel tatsächlich für Investitionen verwen¬det und nicht in den privaten Konsum umgeleitet werden“, sagt DIW-Experte Kritikos.

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Wochenbericht 5/2012 (PDF, 1.19 MB)

O-Ton von Karl Brenke
Eine Exportbasis ist kaum vorhanden - Sechs Fragen an Karl Brenke
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