Der DIW Wochenbericht gehört zu den wichtigsten Publikationen des DIW Berlin und ist ein zentrales Instrument, um die wissenschaftlichen Ergebnisse des Hauses einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Chefredaktion des Wochenberichts vereint dabei wissenschaftliche Expertise und journalistische Kompetenz: Kristina van Deuverden und Pio Baake bringen als Wissenschaftler*innen ihre Fachkenntnis und vielfältige Forschungserfahrung ein, während Claudia Cohnen-Beck und Sebastian Kollmann aus der Kommunikationsabteilung des DIW Berlin für die anschauliche, zielgruppengerechte Vermittlung sorgen – gemeinsam leisten sie die Übersetzungsarbeit, um wissenschaftliche Erkenntnissen für die Allgemeinheit verständlich zu machen. Damit wollen sie Debatten anstoßen, sowie Entscheidungsträger*innen aus Politik, Medien und Gesellschaft erreichen. Denn der DIW-Wochenbericht ist für verschiedene Zielgruppen relevant: Politiker*innen, andere Wissenschaftler*innen, Menschen, die in den Medien arbeiten, aber auch ganz normale Zeitungsleser*innen, die sich mithilfe des Wochenberichtes tiefer in ein Thema einarbeiten können. Im Interview erklären die vier Mitglieder der Chefredaktion, was den DIW-Wochenbericht ausmacht, wie sie mit Kritik umgehen und was sie sich für die Zukunft wünschen.
Welche Bedeutung hat für Sie der DIW Wochenbericht und was macht ihn so besonders?
Pio Baake: Der Wochenbericht ist das Medium, mit dem wir wissenschaftliche Ergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit vermitteln. Dazu zählen vor allem Politik und andere an der Entscheidungsfindung beteiligte Institutionen sowie Journalist*innen und alle Interessierten.
Kristina van Deuverden: Der Wochenbericht ist schon etwas Besonderes. Es werden aktuelle, wirtschaftlich und politisch relevante Analysen für ein breites, interessiertes Publikum aufbereitet und verständlich dargestellt – und zwar in der ganzen Themenbreite des Hauses.
Wie unterscheidet sich der Wochenbericht von anderen Veröffentlichungen der Wissenschaftler*innen?
Claudia Cohnen-Beck: Der Wochenbericht öffnet den Forschenden die Tür in die Öffentlichkeit. Die Forscher*innen im Haus sind es gewohnt, wissenschaftliche Paper zu veröffentlichen, und debattieren in erster Linie mit anderen Wissenschaftler*innen. Ebenso wie die Forschung gehört aber der Wissenstransfer zu ihren Aufgaben. Im Kontakt mit Nicht-Wissenschaftler*innen kommen sie aber schnell an ihre Grenzen. Wenn sie einen Wochenbericht schreiben, müssen sie anders kommunizieren, mehr erklären, auf Fremdworte verzichten. Das DIW Berlin verfügt mit der Wochenberichts-Redaktion über ein ganzes Team, das ihnen hilft, diese Tür zu öffnen.
Die Chefredaktion des DIW Wochenberichtes: Kristina van Deuverden, Claudia Cohnen-Beck, Pio Baake und Sebastian Kollmann.
© DIW Berlin
Wonach wählen Sie die Themen des Wochenberichtes aus?
Sebastian Kollmann: Die Themen kommen eher auf uns zu. Die Forscher*innen melden sich bei uns, wenn sie im Wochenbericht publizieren möchten. Natürlich sind wir im Austausch miteinander und manchmal geben wir als Redaktion anlassbezogene Anstöße, zum Beispiel eine Themenausgabe zum zehnjährigen Jubiläum von Angela Merkels „Wir schaffen das“ oder zum 35. Jahrestag der Deutschen Einheit, aber in der Regel entscheiden die Kolleg*innen aus den wissenschaftlichen Abteilungen mit ihrer Arbeit, ihren Projekten und ihren Zeitplänen, wie der Veröffentlichungsplan des Wochenberichts aussieht.
Claudia Cohnen-Beck: Wir müssen nur selten Themen aus inhaltlichen Gründen ablehnen. Die meisten Wissenschaftler*innen im Haus kennen die hohen Anforderungen der Wochenberichtsredaktion sehr gut. Wir wiederum wissen ungefähr, wer an was im Hause forscht, und fragen in Einzelfällen dort nach, wenn das Thema in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Letztlich haben wir aber meistens mehr Angebote, als wir unterbringen können.
Welche Abläufe stellen sicher, dass die Wochenberichte den hohen wissenschaftlichen Standards entsprechen?
Kristina van Deuverden: Die Qualitätskontrolle ist umfangreich. Ein*e Wissenschaftler*in aus einer anderen Abteilung, der aber nahe am Themengebiet arbeitet, liest den Bericht als Lektor*in. Danach liest noch mal ein Mitglied aus der wissenschaftlichen Chefredaktion den Text. Beide geben kritische Anmerkungen und können den Bericht im Zweifel sogar stoppen, was aber nur sehr selten passiert. Gute Berichte werden bereits allgemeinverständlich abgegeben, sonst hilft der*die zuständige Redakteur*in und schließlich liest ein Mitglied aus dem journalistischen Teil der Chefredaktion noch einmal drüber.
Wieso ist es wichtig, dass sich die Redaktion aus Wissenschaftler*innen und Kommunikationsfachleuten zusammensetzen?
Sebastian Kollmann: Das ist ganz wichtig, um ein gegenseitiges Verständnis füreinander zu schaffen, das in das gesamte Haus ausstrahlt. Es ist allen in der Redaktion ein Anliegen, dass die Berichte wissenschaftlich exakt und gleichzeitig anschaulich aufgeschrieben sind, aber die Ausbildung, die Erfahrungen und täglichen Arbeitsroutinen der Mitarbeitenden in der Kommunikationsabteilung und der Wissenschaftler*innen sind doch sehr unterschiedlich. Gegenseitig voneinander zu lernen und beispielsweise in der wöchentlichen Infografikbesprechung die unterschiedlichen Perspektiven und Stärken in Einklang zu bringen, ist ein sehr fruchtbarer Prozess, der letztlich für qualitativ hochwertige und verständliche Wochenberichte sorgt.
Pio Bake: Die unterschiedlichen Kompetenzen der Gruppen ergänzen sich sehr gut. Ohne eine solche Zusammenarbeit würde der Wochenbericht mit Blick auf viele Aspekte an Qualität verlieren. Wichtig ist dies vor allem bei der Beschreibung komplexer Zusammenhänge, der Erklärung empirischer Methoden sowie der Darstellung und Einordnung entsprechender Ergebnisse.
Welche Rolle spielen die Infografiken in den Wochenberichten?
Sebastian Kollmann: Grafiken waren schon immer wichtig, um Studienergebnisse anschaulich aufzubereiten. Die Möglichkeiten waren früher nicht so wie heute. Der Wochenbericht ist bis Anfang 2018 quasi noch in schwarz-weiß erschienen, das DIW-grün war damals der einzige Farbtupfer. Heute sind die Möglichkeiten vielfältiger, auch beispielsweise auf der Website, wo interaktive Grafiken möglich sind, die es früher nicht gab.
Claudia Cohnen-Beck: Durch die neuen Medien haben sich in den vergangenen zehn Jahren die Kommunikationsgewohnheiten massiv verändert und ins Visuelle verschoben. Um heute eine größere Zielgruppe zu erreichen, ist es wichtig, die Aufmerksamkeit der Lesenden auf verschiedenen Ebenen zu halten. Wir haben den Anspruch, dass die Abbildungen einen komplexen Text verständlicher machen. Dazu sollen sie nicht nur visuell ansprechender sein als früher, sondern auch schneller zu erfassen. Es macht einen großen Unterschied, ob ich eine mehrspaltige Tabelle erst lesen muss oder ob sich Größenverhältnisse durch Säulen, Balken oder Torten darstellen lassen. Neben den Abbildungen im Innenteil des WBs gibt es auch noch eine speziell aufbereitete Infografik auf der Vorabseite des Berichts. Diese muss visuell interessant sein und die Kernbotschaft schnell erfassbar machen. Diese Erklärgrafik verwenden wir auch für die Pressemitteilung und die sozialen Medien. Entwickelt wird diese Infografik in der Regel von WB-Redakteur*in und Kommunikationsdesigner*in.
Welche Rolle nimmt der WB in der Kommunikationsarbeit des Instituts ein?
Pio Baake: Für die breite Öffentlichkeit ist der Wochenbericht das wichtigste Instrument, um Forschungsergebnisse des DIW Berlin zu veröffentlichen.
Claudia Cohnen-Beck: Der Wochenbericht wird gerne als Flaggschiffpublikation bezeichnet, ein vielleicht etwas altmodischer Begriff. Wer weiß heute noch, was ein Flaggschiff ist? Letztlich ist der Wochenbericht die zentrale DIW-Publikation für den Wissenstransfer in die Öffentlichkeit, und zwar nicht nur über unsere Webseite, die sozialen Netzwerke und zu den klassischen Medien, sondern auch hin zu den politischen Entscheidungsträger*innen. Wir forschen ja nicht im Elfenbeinturm. Im Gegenteil, unsere Arbeit bekommt erst Sinn, wenn unsere Erkenntnisse und die daraus abgeleiteten Politikempfehlungen in die Entscheidungsprozesse einfließen.
Der Wochenbericht ist die Flaggschiff-Publikation des DIW Berlin und wurde über die Jahre weiterentwickelt.
© DIW Berlin
Die Zeiten für die Wissenschaftskommunikation werden nicht gerade einfacher. Was glauben Sie: Steigt oder sinkt die Bedeutung der Wissenschaftskommunikation gerade?
Kristina van Deuverden: Die Wissenschaftskommunikation wird mit jeder Fakenews bedeutender – wir müssen mit einer seriösen Berichterstattung dagegenhalten.
Sebastian Kollmann: Wissenschaftliche Erkenntnisse werden von immer mehr Menschen angezweifelt. Aber deshalb sinkt die Bedeutung von Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation nicht – im Gegenteil: Sie wird wichtiger. Sie muss dabei über jeden Zweifel erhaben sein. Es muss immer klar ersichtlich sein, dass Wissenschaft unabhängig, präzise und unvoreingenommen ist und keiner Agenda folgt. Alles andere würde den Kritiker*innen in die Karten spielen. Deshalb sollten sich Wissenschaftskommunikator*innen nicht beirren lassen und bei sich bleiben, die Fakten sprechen lassen und Urteile und Schlussfolgerungen vermeiden, die nicht von Studien gedeckt sind. Es wird immer jemanden geben, der eine Studie anzweifelt. Die Mehrheit der Bevölkerung hat grundsätzlich Vertrauen in Wissenschaft – und das gilt es zu bewahren.
Forschung ist eigentlich neutral: Es werden Erkenntnisse wissenschaftlichen Standards entsprechend gewonnen und vorgestellt. Dennoch gibt es zu etlichen Themen, die in den DIW Wochenberichten betrachtet werden, kontroverse Diskussionen. Wie gehen Sie mir Kritik an „Ihren“ Wochenberichten um?
Pio Baake: Ergebnisse im Wochenbericht basieren auf nachvollziehbaren Analysen, auch die Forschungsmethoden werden erklärt. Empfehlungen oder Wertungen kommen in der Regel nur am Ende des Abtracts und im Fazit eines Berichtes vor – so sollte es zumindest sein. Dass sich das nicht immer zu einhundert Prozent umsetzen lässt, liegt in der Natur der Sache.
Claudia Cohnen-Beck: An die Wissenschaft wird der Anspruch herangetragen, objektiv zu sein. Aber das kann immer nur eine Annäherung sein. Hinter der Wissenschaft stehen Menschen, schon die Wahl eines Forschungsgegenstandes ist von persönlichen Präferenzen geprägt, denn kaum jemand sucht sich ein Thema, dass ihn nicht auch interessiert. Und Wissenschaft muss auch neue Impulse setzen und Position beziehen, also auch mal gegen den Strom schwimmen, neue Wege gehen, die vielleicht nicht jedem passen. Für uns ist es wichtig, dass in unseren Wochenberichten wissenschaftlich sauber gearbeitet wird und stringent argumentiert wird. Daher legen wir so großen Wert auf die Qualitätssicherung. Und Kritik ist durchaus erwünscht, wir wollen ja Debatten anstoßen und erwarten gar nicht, dass alle unserer Meinung sind. Aber wir wollen eine fundierte Grundlage für diese Debatten bieten. Und letztlich gilt für Inhalte wie auch Prozesse des Wochenberichts: An Kritik wachsen wir.
Was wünschen Sie sich für den DIW Wochenbericht in der Zukunft?
Sebastian Kollmann: Dass er das bleibt, was er heute ist. Das heißt aber nicht, dass der Wochenbericht bleiben soll wie heute. Er wird sich mit der Zeit weiter verändern und entwickeln, muss einem in zehn Jahren sicher noch einmal anderen Mediennutzungsverhalten Rechnung tragen und schlicht mit der Zeit gehen – sowohl was die Aufbereitung der Themen im Wochenbericht an sich betrifft, also auch die Kanäle, über die er verbreitet wird. Ich wünsche dem Wochenbericht, dass er relevant und sichtbar bleibt und die Forschungsergebnisse des DIW Berlin so transportiert, dass unsere Zielgruppen einen Mehrwert daraus ziehen können.
Die Fragen stellte Lena Högemann.