Die Anfänge des DIW Wochenberichts

Forschung nützt wenig, wenn niemand davon erfährt. Damit die Forschungsergebnisse in die Öffentlichkeit und zu politischen Entscheidungsträger*innen gelangen können, veröffentlicht das DIW Berlin regelmäßig verschiedene Publikationen. Ein wichtiges Instrument der Wissenschaftskommunikation am DIW Berlin ist der Wochenbericht, in dem in jeder Ausgabe mindestens eine Studie aus dem Haus erscheint.  Forscher*innen stellen hier allgemeinverständlich ihre aktuellen Ergebnisse vor und erklären, was diese für die Gesellschaft bedeuten. Aus ihren Erkenntnissen leiten die Wissenschaftler*innen auch konkrete Handlungsempfehlungen an die Politik ab. Heute ist das erklärte Ziel, dass jeder interessierte Laie den Inhalt verstehen kann. Deshalb gibt es mindestens zum Hauptartikel auch jede Woche ein kurzes Interview, das auch als Podcast zu hören ist und eine Pressemitteilung.

Der erste Wochenbericht ist am 4. April 1928 erschienen – damals hieß das DIW Berlin noch Institut für Konjunkturforschung und hat auch noch keine konkrete Politikberatung gemacht, aber bereits wirtschaftliche Entwicklungen beschrieben. Der erste Wochenbericht enthielt Kapitel zu den Themen „Geschäftsgang und Beschäftigungsgrad“, „Die Märkte“, „Zur Bewegung des Bankkredits“ und „Zur Konjunktur des Auslands“. Die erste Ausgabe hatte fünf Seiten, eine davon war eine Tabelle, in der Wirtschaftszahlen von 1927 und 1928 verglichen wurden, etwa die Arbeitslosigkeit, die Kohle-Produktion und Unternehmensneugründungen. Der Liste können wir beispielsweise auch entnehmen, dass ein gelernter Arbeiter im März 1928 118,1 Reichspfennig in der Stunde verdiente, im März des Vorjahres waren es noch 108,4 Reichspfennig gewesen. Insgesamt beschreibt der Wochenbericht die wirtschaftliche Lage in Deutschland und in Teilen des Auslands.

Der erste Jahresbericht erschien am 4. April 1928.
© DIW Berlin

DIW-Gründer Ernst Wagemann führte den wöchentlich erscheinenden Bericht ein, der im Abonnement bestellt werden konnte. Dem Kuratorium berichtete Wagemann am 6. November vom Erfolg des Wochenberichtes: Mit 2400 Abonnements habe sich die Zahl gut gehalten, trotz der angespannten wirtschaftlichen Lage. Die Wochenberichte würden im hohen Maße von der Presse abgedruckt, berichtet Wagemann.

Unterbrechung der Wochenberichte zwischen 1943 und 1950

In den Jahren 1943-1950 erschienen keine Wochenberichte. Im ersten Wochenbericht nach Kriegsende heißt es im Einleitungstext des Wochenberichts Nr. 1/1950 vom 2. Januar 1950 etwas lapidar: „Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung nimmt mit dieser Veröffentlichung die Anfang 1943 unterbrochene, kurzfristige Berichterstattung über die wirtschaftliche Entwicklung wieder auf.“ Warum es zu dieser Lücke in der Berichterstattung gekommen war, bleibt unerwähnt: Die Wissenschaftler des DIW hatten ihre Arbeit auf die Bedürfnisse des NS-Regimes ausgerichtet und vor allem Berechnungen direkt für die Regierung durchgeführt – und diese in Form geheimer Berichte zur Verfügung gestellt. Was genau die DIW-Wissenschaftler für das NS-Regime erforscht haben ist Inhalt eines Forschungsprojektes des DIW Berlin in Kooperation mit dem Historischen Instituts der Universität Stuttgart, wie der Historiker Gunnar Take im DIW-Podcast erklärt. Was schon über die Forschung für die Nazis bekannt ist, ist in dieser Geschichte nachzulesen.

Der erste DIW-Wochenbericht nach der NS-Diktatur erschien am 2. Januar 1950.
© DIW Berlin

Digitalisierung der DIW Wochenberichte

Im Rahmen des DFG Projektvorhaben „Wochenbericht digital in Wort und Zahl – Digitale Bereitstellung der DIW Wochenberichtsinhalte 1928 bis 1968 (WBdigital)“ erfolgte die Digitalisierung und inhaltliche Erschließung der historischen DIW Wochenberichte 1928 bis 1968.

Der Zugriff erfolgt über das digitale Repositorium WBdigital, das Nutzer*innen den Zugriff auf die historischen DIW Wochenberichte ermöglicht.

Der Wochenbericht vom 2. Januar 1950 beschäftigte sich mit der wirtschaftlichen Lage in den verschiedenen Besatzungszonen. Die Auseinandersetzung auch mit der Situation der sowjetischen Besatzungszone lässt vermuten, dass der DIW-Präsident Ferdinand Friedensburg damit deutlich machen wollte, dass das DIW ein gesamtdeutsches Institut ist. Im Wochenbericht wird unter anderem die Aufspaltung Deutschlands als „schweres Hemmnis“ für die deutsche Wirtschaft benannt. Es lassen sich auch konkrete politische Forderungen in dem Wochenbericht finden. Auf die Beschreibung, dass West-Berlin eine „unzureichende Kreditversorgung“ habe, folgt die Aussage: „Die Westberliner Wirtschaft benötigt daher — neben besseren Ertragsbedingungen — einen verhältnismäßig großen finanziellen Zuschuß a fonds perdu zum Ausgleich der Blockadeschäden.“ (Hier mehr zu den Kalkulationen für die sogenannten „Rosinenbomber“.) Fonds perdu meint, dass klar ist, dass die staatliche Zuzahlung nicht zurückgezahlt werden muss.

Weiterentwicklung des Wochenberichtes

Mit den Jahren wurde der Umfang der Wochenberichte größer. Rainer Stäglin, der viele Jahre im DIW arbeitete, beschrieb die Entwicklung der Wochenberichte im April 2008 so:

Durch mehr Datenmaterial waren auch umfangreichere Analysen möglich. Im DIW wurden neue Abteilungen gegründet, zum Beispiel „Geld und Kredit“, „Öffentliche Finanzen“ und „Verkehr“ im Jahr 1972. Diese konnten nun Themen kontinuierlich bearbeiten, anstatt wie bisher nur sporadisch. Neue Forschungsvorhaben wie die vierteljährliche Gesamtrechnung und das sozio-oekonomische Panel (SOEP), das 1988 an den Start ging und in dem jährlich 30.000 Menschen aus 22.000 Haushalten zu ganz unterschiedlichen Themen befragt werden, lieferten neue und tiefreichende Daten.

„Die wöchentliche Erscheinungsweise bietet dem Institut die Möglichkeit, Arbeitsergebnisse zu aktuellen Themen ohne Zeitverzug zu publizieren und in die wirtschaftspolitische Diskussion einzugreifen“, fasst es Stäglin zusammen.

Die DIW-Wochenberichte sind eine Art Spiegel der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Rainer Stäglin nennt in seiner Analyse von 2008 dafür drei Beispiele: Die Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1933, die erste Rezession der Nachkriegszeit 1966/67 und die deutsche Wiedervereinigung 1990/91. Hier sind Stäglins Ausführungen, die er zusammen mit Rainer Fremdling im Wochenbericht 14/2008 macht, nachzulesen: „Profund, präzise, pünktlich: 80 Jahre Wochenbericht spiegeln die deutsche Wirtschaftsgeschichte“.

Autorin: Lena Högemann

HINWEIS

Die Geschichte des IfK/DIW in der Zeit des Nationalsozialismus ist bislang nicht eingehend erforscht. Das DIW Berlin möchte diese Lücke schließen und fördert daher ein Forschungsvorhaben des Historischen Instituts der Universität Stuttgart, das im Frühjahr 2025 beginnen wird. Dabei werden zunächst das Personal, die Organisation und die Vernetzungen des IfK/DIW von der späten Weimarer Republik bis in die frühe Bundesrepublik untersucht. Insbesondere sind die personellen Verflechtungen mit Organisationen (Verbände, Behörden, Militär) des „Dritten Reichs“ in den Blick zu nehmen und NS-Belastungen zu rekonstruieren. Darauf aufbauend werden die Themen, Inhalte und Methoden der DIW-Forschung von der Weltwirtschaftskrise über den NS-Wirtschaftsaufschwung und den „Totalen Krieg“ bis hin zur Beratung des Marshallplans in der Nachkriegszeit analysiert. Mit dieser Forschungskooperation verbindet das DIW Berlin eine Aufarbeitung der eigenen NS-Vergangenheit mit einer übergreifenden Erforschung der Geschichte der Wirtschaftswissenschaften in Deutschland. Das Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren. Die Ergebnisse werden der Öffentlichkeit nach Abschluss vorgestellt.  

100 JAHRE DIW BERLIN IN FÜNF EPOCHEN

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