Forderungen und Verbindlichkeiten, die einer nationalen Zentralbank infolge grenzüberschreitender Zahlungen über das System Target 2 entstanden sind, werden täglich zu einer einzigen Position gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB) saldiert. Diese fließt in die Bilanz einer nationalen Notenbank als Forderung beziehungsweise Verbindlichkeit aus der Abwicklung des Zahlungsverkehrs über Target 2 (T2) ein. Handelt es sich bei der verbuchten Position um eine Forderung gegenüber der EZB, so ist den Banken eines Landes mehr Zentralbankgeld aus dem Ausland zugeflossen, als sie dorthin überwiesen haben. Im Falle einer Verbindlichkeit gegenüber der EZB haben die Banken mehr Zentralbankgeld an das Ausland überwiesen, als sie von dort empfangen haben. Da einem Zufluss an Zentralbankgeld eines Landes immer ein entsprechender Abfluss in einem anderen Land gegenüberstehen muss, saldieren sich die T2-Forderungen und die T2-Verbindlichkeiten auf der konsolidierten Bilanz des Eurosystems zu null.
Der gegenwärtigen T2-Forderung der Deutschen Bundesbank in Höhe von beinahe einer Billion Euro (Stand Mitte 2018) steht zum Beispiel eine T2-Verbindlichkeit in anderen Ländern der Eurozone gegenüber. Seit Ausbruch der Krise finden sich diese Verbindlichkeiten insbesondere auf den Bilanzen nationaler Zentralbanken der Krisenländer wie Spanien oder Italien.
In normalen Zeiten stellt die EZB dem Bankensektor im Euroraum nur diejenige Menge an Liquidität zur Verfügung, die im Aggregat benötigt wird, und überlässt die Zuteilung an einzelne Banken dem Marktmechanismus des Interbankenmarkts. Dadurch bewirkt ein funktionierender Interbankenmarkt, auf dem sich Finanzinstitute über Ländergrenzen hinweg gegenseitig Geld leihen, normalerweise einen ausgleichenden Einfluss auf die T2-Salden. Seit dem Zusammenbruch der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 ist der Interbankenmarkt jedoch nicht mehr voll funktionsfähig. Als Reaktion darauf führte die EZB das Vollzuteilungsverfahren ein, in dessen Rahmen den Geschäftsbanken gegen entsprechende Sicherheiten unbeschränkt Liquidität bereitgestellt wird. Die seitdem stark angestiegenen T2-Salden spiegeln wider, dass die Nettozahlungsflüsse innerhalb der Währungsunion vor allem von den Krisenländern in stabile Staaten verlaufen und gleichzeitig Banken in den Krisenländern den überwiegenden Anteil der Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems in Anspruch nehmen
Würde ein Mitgliedsland, dessen nationale Zentralbank T2-Verbindlichkeiten aufweist, die Währungsunion verlassen, bestünde die Möglichkeit eines Verlusts der entsprechenden T2-Forderungen aufseiten aller übrigen Mitglieder des Eurosystems. Die häufig geäußerte Sorge über einen Totalausfall der Forderungen ist jedoch vor allem angesichts der historischen Erfahrungen mit der Abwicklung von Staatsschuldenkrisen wenig plausibel. Zudem haben das Target-System und die damit einhergehenden T2-Salden vor allem Deutschland nicht nur Risiken, sondern auch ein höheres Maß an finanzieller Sicherheit beschert:
Ist das Vertrauen zwischen den Banken innerhalb der Eurozone wieder vollständig hergestellt und der Interbankenmarkt intakt, wird die EZB in der Lage sein, die Bereitstellung unbeschränkter Liquidität zu drosseln. Dann werden Banken mit Überschussliquidität diese über den Interbankenmarkt an Finanzinstitute mit Liquiditätsbedarf verleihen. In der Folge werden sich auch die Target-Salden wieder reduzieren.
Lesen Sie mehr zum Thema:
DIW aktuell Nr. 15 "Wie man aus einer Mücke einen Elefanten macht: Wieso das Target-System ein Anker der Stabilität für Deutschland und Europa ist" (3. August 2018)
Kommentar von Marcel Fratzscher: "Das Target-System ist für Deutschland und Europa ein Anker der Stabilität" (Handelsblatt, 2. August 2018)
DIW Wochenbericht 44/2013 (PDF, 197.04 KB) "Target-Salden - ein Anker der Stabilität"