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Emergency Liquidity Assistance (ELA)

Emergency Liquidity Assistance (ELA)

Emergency Liquidity Assistance (ELA) ist die Bezeichnung für Kredite, mit denen eine Zentralbank bestimmte, in Schwierigkeiten geratene und meistens vom Markt abgeschnittene Geschäftsbanken mit dringend benötigten Zahlungsmitteln versorgt. Die vielfach auch als Notkredite oder Nothilfe bezeichneten ELA-Kredite werden im Euroraum – anders als bei sämtlichen anderen geldpolitischen Geschäften – nicht durch die Europäische Zentralbank (EZB), sondern ausschließlich durch die jeweiligen nationalen Zentralbanken (NZB) vergeben.

ELA-Kredite sollen im Prinzip nur solche Geschäftsbanken erhalten, die zwar illiquide, grundsätzlich aber noch solvent sind. Über die jeweiligen Konditionen (Umfang, hinterlegte Sicherheiten, Risikoabschläge, Zins) entscheidet die nationale Notenbank; folgerichtig haftet auch nur diese für die mit der ELA-Gewährung verbundenen Risiken – es gibt, anders als sonst üblich, keine Risikoteilung entsprechend des Kapitalschlüssels der EZB. Entsteht ein Verlust aus der Gewährung von ELA-Krediten, vermindert sich das Eigenkapital der entsprechenden nationalen Zentralbank folglich in voller Höhe des Verlusts; das jeweilige Mitgliedsland müsste dann für eine Rekapitalisierung seiner Notenbank Sorge tragen, wodurch der Staatshaushalt belastet werden würde.

Bereits im Rahmen ihres normalen Liquiditätsmanagements stellt das Eurosystem die sogenannte Spitzenrefinanzierungsfazilität bereit, bei der Banken über Nacht jede gewünschte Menge an Zentralbankgeld erhalten können, solange sie über die entsprechenden zentralbankfähigen Sicherheiten verfügen. Folglich wird eine Bank üblicherweise nur dann ELA-Kredite beantragen, wenn ihre zentralbankfähigen Sicherheiten erschöpft sind. Zwar lässt sich daraus nicht eindeutig auf die Insolvenz einer Bank schließen; jedoch besteht bei einer Bank in einem solchen Zustand durchaus ein begründeter Verdacht, dass sie statt eines reinen Liquiditätsproblems ein Solvenzproblem hat. Letzteres fällt wiederum in den Kompetenzbereich nationaler Aufsichtsbehörden und des Fiskus und nicht in den Zuständigkeitsbereich der nationalen Notenbank. Somit eröffnet die ELA einem Mitgliedstaat des Euroraums die Möglichkeit, die Lösung eines Solvenzproblems einer Bank zu verschleppen und dabei seine nationale Notenbank in eine quasi-fiskalische Aufgabe zu drängen. Dieses Problem ist insbesondere dann relevant, wenn die Abwicklung einer Bank hohe fiskalische Kosten verursacht, die den Staatshaushalt stark belasten würden. Zwar darf auch eine ELA-Vergabe nicht gegen das Verbot monetärer Staatsfinanzierung verstoßen, wie es in Artikel 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgeschrieben ist – allerdings ist es in der Praxis schwierig bis unmöglich, zwischen Insolvenz und Illiquidität einer Bank zu unterscheiden. Ein Missbrauch der ELA-Kredite zum Zwecke einer monetären Staatsfinanzierung ist deshalb nur schwer nachzuweisen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass ELA-Kredite, die eine Zentralbank über einen längeren Zeitraum vergibt, nicht nur dazu dienen, kurzfristige Liquiditätsengpässe zu überbrücken.

Die nationalen Notenbanken sind verpflichtet, den Gouverneursrat der EZB zeitnah über ELA-Vergaben bis zu einer Höhe von 500 Millionen Euro zu informieren und ihm sämtliche relevanten Informationen (Name der empfangenden Bank, Höhe, Zinssatz, Sicherheiten) zukommen zu lassen. Darüber hinaus muss die zuständige Bankenaufsicht die Solvenz der jeweiligen Bank bestätigen. Übersteigt das ELA-Volumen die Schwelle von 500 Millionen Euro, muss der Rat vorab über die Vergabe informiert werden; bei einem Volumen über zwei Milliarden Euro kann der Rat mit Zweidrittelmehrheit die Vergabe untersagen, falls sie den Zielen und Aufgaben der EZB zuwiderlaufen würde.

Die EZB beziehungsweise die nationalen Zentralbanken verfolgen bei der Vergabe von ELA-Krediten das Konzept „konstruktiver Ambiguität (Mehrdeutigkeit)“. Das heißt: Es gibt keine expliziten offiziellen Kriterien, wann und an wen ELA-Kredite vergeben werden. Dies soll einem etwaigen moralischen Risiko vorbeugen, das eintreten würde, wenn Banken die Möglichkeit einer Gewährung von ELA in ihre Entscheidungen einbeziehen und sich folglich risikoreicher verhalten würden. Darüber hinaus werden ELA-Vergaben üblicherweise nicht der Öffentlichkeit bekannt gemacht, um die jeweilige Bank vor einer etwaigen Stigmatisierung zu schützen. Obwohl viele Fälle schlussendlich doch an die Öffentlichkeit gelangen, besteht nach wie vor eine große Informationslücke über die Nutzung dieser Kredite.

Bekannt ist allerdings, dass während der Finanzkrise seit dem Jahr 2008 eine Reihe nationaler Zentralbanken, darunter die Bundesbank, die Bank of Ireland oder die zyprische Nationalbank, ELA-Kredite an Geschäftsbanken in ihren jeweiligen Ländern vergeben haben. Im Zuge der Zuspitzung der Schuldenkrise in Griechenland im Juni und Juli 2015 hat die griechische Notenbank die Geschäftsbanken des Landes mit ELA-Krediten in einem noch nie dagewesenen Umfang versorgt. Die Summe von insgesamt rund 90 Milliarden Euro (Stand Ende Juli 2015) entspricht rund 22 Prozent der Bilanzsumme der monetären Finanzinstitute in Griechenland beziehungsweise rund 50 Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts.

Lesen Sie mehr zum Thema:
DIW Wochenbericht 24/2014 (PDF, 0.55 MB) "Die Europäische Zentralbank als Lender of Last Resort"


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