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Niedriglohn

Niedriglohn (und Niedriglohnsektor)

Als Niedriglohn wird gemäß der Definition internationaler Organisationen (ILO, OECD) ein Stundenentgelt bezeichnet, das geringer ist als zwei Drittel des mittleren Bruttostundenlohns. Für diese Grenze gibt es keine wissenschaftliche Begründung; es handelt sich lediglich um eine Konvention. Der mittlere Lohn (Medianlohn) ist derjenige Wert, der die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in zwei gleich große Gruppen teilt: Die eine Hälfte erhält ein geringeres, die andere Hälfte einen höheres Stundenentgelt (siehe auch Medianeinkommen). Der mittlere Lohn darf nicht mit dem Durchschnittslohn verwechselt werden, bei dem die Summe der Löhne durch die Summe der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geteilt wird.

Üblicherweise werden die Bruttostundenlöhne zur Ermittlung des Niedriglohns herangezogen. Beispielsweise betrug – berechnet anhand der des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) – im Jahr 2017 der mittlere Bruttostundenlohn in Deutschland (Haupt- und Nebenbeschäftigungen, ohne Auszubildende und PraktikantInnen) 16,20 Euro. Zwei Drittel davon sind 10,80 Euro. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die weniger erhalten, bekommen einen Niedriglohn. Der Durchschnittlohn lag indes im selben Jahr deutlich höher: bei 18,09 Euro. Die Differenz zum mittleren Lohn resultiert daraus, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf den oberen Stufen der Lohnskala relativ hohe Stundenentgelte erhalten; diese relativ wenigen Personen ziehen den Durchschnittslohn deutlich nach oben.

Bei den Berechnungen wird auf die Bruttostundenlöhne (nicht auf die Nettolöhne) abgestellt, weil die Bruttogröße unabhängig ist von familiären Besonderheiten, die sich auf die Steuern auswirken. Allerdings ist die Verwendung der Bruttostundenlöhne auch nicht unproblematisch, weil dabei die Privilegierung bestimmter Arbeitsverhältnisse ausgeblendet wird. Besonders ins Gewicht fallen die Minijobs, für die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine Steuern und nur geringe Sozialabgaben zahlen müssen; der Bruttolohn entspricht in diesen Fällen also nahezu dem Nettolohn. Nicht verbindlich definiert ist, welcher Kreis von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Ermittlung der Niedriglöhne zu berücksichtigen ist. Unklarheit besteht hinsichtlich der Auszubildenden sowie der Personen, die an bestimmten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen wie Ein-Euro-Jobs teilnehmen. Es bietet sich an, sie auszuklammern, weil sie keine Löhne im eigentlichen Sinn, sondern Ausbildungsvergütungen beziehungsweise Zuschüsse für besondere Aufwendungen erhalten.

Zum Niedriglohnsektor zählen all jene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die einen niedrigen Lohn erhalten. Es handelt sich hier nicht um einen Sektor im klassischen Sinne, dem bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten - wie industrielle Fertigung, bau- oder landwirtschaftliche Tätigkeiten - zugeordnet sind, sondern um eine Klassifizierung allein nach der Höhe des Lohnes. Im Jahr 2017 zählten 22,8 Prozent aller abhängig Beschäftigten in ihrer Haupttätigkeit zum Niedriglohnsektor. Dieser Anteil hat sich seit 2008 kaum verändert, nachdem er in den Jahren zuvor deutlich zugenommen hatte. Absolut ist die Zahl der Beschäftigten im Niedriglohnsektor auch nach 2008 im Trend gestiegen – ebenso wie die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer insgesamt. So erhielten im Jahr 2017 etwa 7,9 Millionen abhängig Beschäftigte einen niedrigen Lohn, etwa 46 Prozent mehr als noch im Jahr 1995.

Werden Nebentätigkeiten hinzugezählt (was aufgrund der Datenlage erst ab dem Jahr 2017 möglich ist), werden bei neun Millionen abhängigen Beschäftigungsverhältnisse Niedriglöhne bezahlt, einem Anteil von 24 Prozent an allen abhängigen Beschäftigungsverhältnissen.

Das DIW Glossar

Das DIW Glossar ist eine Sammlung von Begriffen, die in der wissenschaftlichen Arbeit des Instituts häufig verwendet werden. Die hier gelieferten Definitionen sollen dem besseren Verständnis der DIW-Publikationen dienen und wichtige Begriffe aus der empirischen Wirtschafts- und Sozialforschung so prägnant wie möglich erklären. Das Glossar hat keinen Anspruch auf lexikalische Vollständigkeit.

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