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Anleihekaufprogramme

Anleihekaufprogramme

Breit angelegte Anleihekaufprogramme von Zentralbanken (engl.: Large-Scale Asset Purchase Programmes) sind eine unkonventionelle geldpolitische Maßnahme, bei der eine Notenbank in größerem Stil Staatsanleihen oder andere Wertpapiere aufkauft. In aller Regel tut sie dies zu einer Zeit, in der die Wirtschaftsleistung ihres Währungsraums wenig wächst oder sogar schrumpft, die Preisentwicklung schwach ist und konventionelle geldpolitische Mittel (Leitzinsänderungen) nicht mehr in ausreichendem Maße genutzt werden können. Dementsprechend ist das Ziel solcher Ankaufprogramme, das Wirtschaftswachstum und die Inflationsentwicklung zu stimulieren, um eine Deflation und damit eine Spirale aus fallenden Preisen und sinkender Wirtschaftsleistung sowie real steigender Schulden zu verhindern.

In der Theorie wird insbesondere den folgenden drei Wirkungskanälen von Wertpapierkäufen durch eine Zentralbank besondere Relevanz beigemessen:

Portfolioumschichtungskanal: Indem eine Zentralbank eine bestimmte Art von Wertpapieren in größerem Umfang aufkauft, reduziert sie deren Angebot auf dem Finanzmarkt und erhöht die umlaufende Geldmenge. Unter bestimmten Voraussetzungen sollten dadurch die Preise im betreffenden Wertpapiersegment steigen beziehungsweise die mit diesen Papieren zu erzielenden Zinsen sinken. Infolge der niedrigeren Verzinsung dieser Anlagen und der gestiegenen Geldmenge werden die Investoren versuchen, ihre Portfolios umzuschichten und vermehrt alternative Anlageformen mit höherer Rentabilität nachfragen. So steigt auch die Nachfrage nach Wertpapieren, die enge Substitute für die von der Notenbank aufgekauften Anleihen sind, wodurch auch deren Preis steigt beziehungsweise ihre Verzinsung sinkt. Im Idealfall wirkt sich dieser Prozess auf eine Vielzahl von Wertpapierklassen aus. Die dadurch auf breiter Front fallenden Zinsen stimulieren den privaten Konsum und die Investitionstätigkeit. Der folgende Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage führt schließlich zu einem steigenden gesamtwirtschaftlichen Preisniveau.

Signal- und Ankündigungskanal: Indem die Zentralbank ein Ankaufprogramm ankündigt und explizit begründet, verhilft sie den Marktteilnehmern zu einem besseren Verständnis ihrer Einschätzung der geld- und wirtschaftspolitischen Lage. Die Zentralbank verdeutlicht so, dass sie über einen längeren Zeitraum einen expansiven geldpolitischen Kurs weiterführen will. Entsprechend sollten die Marktteilnehmer ihre kurzfristigen Zinserwartungen nach unten korrigieren. Dies senkt das langfristige Zinsniveau, wertet die Währung ab und regt auf diese Weise die Investitions- und Konsumnachfrage an. Gleichzeitig signalisiert die Zentralbank, dass sie mit allen Mitteln gegen deflationäre Tendenzen vorgeht, was theoretisch zu steigenden Inflationserwartungen führen sollte.

Fiskalischer Kanal: Umfassen die Wertpapierkäufe einer Zentralbank vor allem Staatsanleihen, wird durch die Käufe die staatliche Budgetrestriktion gelockert. Kauft die Notenbank Staatsanleihen auf unbegrenzte Zeit oder ersetzt auslaufende Papiere durch neue Ankäufe in entsprechender Höhe, kommt dies in seiner Wirkung einer Monetarisierung der Staatsschulden gleich. De facto verringert sich die öffentliche Verschuldung dabei in der Höhe der Anleihekäufe. Sind die Käufe dagegen nicht dauerhaft, so verringert sich die Neuverschuldung um die mit den angekauften Anleihen verbundene Zinslast, denn: Der Staat zahlt Zinsen statt an private Halter der Anleihen nun an die Zentralbank. Diese wiederum schüttet ihre Gewinne, die dann Zinserträge aus Anleihen enthalten, an den Staat aus. Dadurch wird die öffentliche Budgetrestriktion gelockert, was den Spielraum für finanzpolitische Maßnahmen erweitert, ohne dass sich der öffentliche Schuldenstand erhöht.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat seit Beginn der Schuldenkrise im Euroraum eine Reihe verschiedener Ankaufprogramme aufgelegt – unter anderem zum Erwerb von Staatsanleihen von besonders durch die Krise bedrohten Mitgliedsländern (Securities Market Programme), zum Erwerb von Pfandbriefen (Covered Bond Purchase Programme 1-3) oder zum Erwerb von vermögensbesicherten Anleihen (Asset-backed Securities Purchase Programme). Im Januar 2015 ergänzte die EZB das laufende Pfandbriefkaufprogramm und das Programm zum Erwerb vermögensbesicherter Wertpapiere durch ein Programm zum Ankauf von Staatsanleihen und Anleihen von Institutionen mit öffentlichem Förderauftrag.

Damit folgte die EZB dem Beispiel von Notenbanken wie der Bank of England oder der US-amerikanischen Federal Reserve. Im angelsächsischen Raum sind Staatsanleihekäufe weitaus weniger umstritten als im Euroraum. So warfen einige Ökonomen und Politiker der Europäischen Zentralbank vor, sie würde durch Ankäufe von Staatsanleihen ihr Mandat überschreiten und verbotene Staatsfinanzierung betreiben. Allerdings muss für den Euroraum formal unterschieden werden zwischen dem ökonomischen Effekt einer Monetarisierung der Staatsschulden – wie er beispielsweise über den fiskalischen Wirkungskanal eintritt – und dem Verbot der Finanzierung von Staaten, das im Artikel 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) festgeschrieben ist. Demzufolge ist es der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken des Euroraums lediglich verboten, Staatsanleihen direkt von den Regierungen, also auf dem sogenannten Primärmarkt, zu erwerben. Der Kauf bereits in Umlauf befindlicher, also auf dem sogenannten Sekundärmarkt erhältlicher, Schuldtitel ist jedoch erlaubt.

Das EZB-Programm startete im März 2015 mit einem monatlichen Ankaufvolumen von 60 Milliarden Euro, das zeitweise auf 80 Milliarden Euro erhöht wurde. Im Oktober 2017 hat die EZB angekündigt, die verschiedenen Kaufprogramme in mehreren Schritten herunterzufahren, im Dezember 2018 hatte sie sie zunächst beendet zum Ende gebracht. Die Nettowertpapierkäufe wurden im November 2019 mit einem monatlichen Volumen von 20 Milliarden Euro jedoch wieder aufgenommen. Angesichts der Corona-Pandemie wurden diese im zweiten Quartal 2022 auf 40 Mrd. EUR ausgeweitet und angekündigt, diese bis Oktober 2022 allmählich wieder auf 20 Milliarden Euro zu reduzieren. Bis April 2022 hatten die Zentralbanken des Eurosystems unter diesen Programmen Wertpapiere im Wert von 3,22 Billionen Euro aufgekauft.

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