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Sanktionen gegen Russland wirken nur mit Ausdauer und geschlossenem Auftreten vieler: Kommentar

DIW Wochenbericht 9 / 2022, S. 156

Hella Engerer

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Der völkerrechtswidrige Einmarsch Russlands in die Ukraine ist ein schwerer Angriff auf die Demokratie und verursacht unerträgliches Leid in der ukrainischen Bevölkerung. Die Forderung Präsident Putins, die Osterweiterung der NATO rückgängig zu machen und damit die Zeit ins Jahr 1997 zurückzudrehen, gefährdet darüber hinaus die europäische Friedens- und Sicherheitsordnung. Wirtschaftliche Sanktionen werden den russischen Einmarsch in die Ukraine nicht aufhalten. Sie können aber mittel- bis langfristig Wirkung entfalten, wenn die sanktionierenden Staaten geschlossen auftreten und Ausdauer beweisen.

Noch vor einer Woche folgte die Sanktionskaskade den auch im Zuge der Annexion der Krim gestaffelten Maßnahmen. Nach dem völkerrechtswidrigen Einmarsch am vergangenen Donnerstag haben die EU, die USA und weitere Staaten die Sanktionen nochmals verschärft. Ihr Ziel ist es weiterhin, die verantwortlichen Personen zu treffen, die Refinanzierung des russischen Staates, der Banken und der Staatsunternehmen zu erschweren sowie den Export strategischer beziehungsweise wichtiger Wirtschaftsgüter für einzelne Wirtschaftssektoren (unter anderem für den Energiesektor und den Luftverkehr) nach Russland zu unterbinden.

Am Wochenende haben die EU und die USA noch einmal nachgelegt und drastische Maßnahmen ergriffen: Nicht nur werden russische Banken aus dem internationalen Banken-Kommunikationsnetzwerk SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) ausgeschlossen, sondern es werden zusätzlich Restriktionen gegen die russische Zentralbank verhängt, um deren Möglichkeiten für Devisenmarkttransaktionen erheblich einzuschränken. Die Schweiz hat sich diesen Sanktionen am Montag angeschlossen.

Inwieweit die Sanktionen kurzfristig greifen, bleibt ungewiss. Das Einfrieren ihrer Auslandskonten haben die betroffenen Personen möglicherweise zumindest teilweise antizipiert. Kurzfristig kann die russische Regierung noch wirtschaftliche Einschränkungen überbrücken. Der russische Staat ist nur wenig verschuldet und verfügt neben großen Goldbeständen über hohe Devisenreserven, die nun aber teilweise blockiert sind. Die schon vor einiger Zeit einsetzende Umschichtung von Devisenreserven weg aus dem US-Dollar und teilweise in chinesische Währung deutet übrigens darauf hin, dass auch im Finanzsektor Vorkehrungen getroffen wurden.

Selbst wenn weitreichende Sanktionen des Güterhandels und des Finanzsektors beschlossen sind, wird es darauf ankommen, dass „Schlupflöcher“ geschlossen werden, also Handels- und Finanzströme nicht oder nur erschwert über Drittländer umgelenkt werden können. Gerade auch bei der Umsetzung der Sanktionen wird ein abgestimmtes und entschlossenes Handeln der sanktionierenden Staaten und vor allem viel Ausdauer notwendig sein – gerade auch, weil China seine Unterstützung verweigert.

Die russische Regierung hat mit ihrem völkerrechtswidrigen Handeln einen enormen Vertrauensverlust in Kauf genommen. Kurzfristig zeigte sich dies bereits vergangene Woche darin, dass der Rubel abwertete und die Kurse an der Moskauer Börse einbrachen. Russische Unternehmen werden wohl kaum mehr als glaubwürdiger Geschäftspartner angesehen. Ausländische Investoren werden kurzfristig ihr Kapital abziehen und mittel- und langfristig das Land meiden. Dabei benötigt Russland eigentlich ausländische Investitionen und frisches Wissen. Über Jahrzehnte hat es Russland versäumt, die Wirtschaft umzustrukturieren und in der Breite zu modernisieren. Stattdessen setzt die russische Regierung weiter auf fossile Ressourcen und Rüstung.

Sanktionen werden den weiteren Einmarsch nicht aufhalten; sie können kurzfristig wenig an den geschaffenen Fakten ändern. Aber vielleicht gelingt es, mit weitreichenden, von einer breiten Allianz getragenen Wirtschaftssanktionen der russischen Regierung den Spiegel vorzuhalten, dass ihr bisheriger wirtschaftlicher Kurs nur noch weiter in die Sackgasse führt und dass wirtschaftliche Entwicklung nur mit Offenheit und einer Integration in die Weltwirtschaft gelingt.

Hella Engerer

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

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