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Die Verbindung zwischen Staats- und Bankrisiken: wie kann man diese entkoppeln?

DIW Roundup 11, 5 S.

Claudia Lambert

2014

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28. März 2014, Claudia Lambert clambert@diw.de

Finanz- und Schuldenkrisen treten häufig gemeinsam auf, da Banken in Staatsanleihen ihrer Heimatländer investieren. Unumstritten ist, dass Bankenrisiken von Staatsrisiken stärker entkoppelt werden sollten. Die Bankenunion, deren Ausgestaltung zugegebenermaßen schwierig ist, wird häufig als Mittel der Wahl genannt. Doch reicht das schon aus?

Das Problem: der Teufelskreis zwischen Staats- und Bankrisiken

In der Finanzkrise wurde mit einem Schlag offensichtlich, dass Bankenkrisen die Zahlungsfähigkeit ihrer Heimatländer beeinflussen; gleichzeitig aber auch Finanzierungskrisen von Staaten Banken in eine gefährliche Abwärtsspirale ziehen können. Wie entsteht diese Verbindung und durch welche Kanäle wirkt sie?

Banken halten üblicherweise einen bestimmten Anteil sicherer bzw. liquidier Vermögenswerte auf ihrer Bilanz, um Liquidität und Risiko zu managen. Da Staatsanleihen lange als ein solcher sicherer Vermögenswert galten, investierten Banken in diese Wertpapiere. Durch dieses Investitionsverhalten besteht folglich ein enger Zusammenhang zwischen Staats- und Bankrisiken, der gemeinhin als „diabolic loop" bezeichnet wird, also als Teufelskreislauf (Brunnermeier et al., 2011), der Banken- und Schuldenkrisen wechselseitig verstärkt. Barth et al. Yun (2012) finden heraus, dass diese Abhängigkeit in Ländern umso stärker ist, je größer der Bankensektor in diesen Volkswirtschaften (gemessen als Verhältnis der Gesamtaktiva des Bankensektors relativ zum Bruttoinlandsprodukt).

Abbildung 1 veranschaulicht, warum eine enge Verbindung zwischen Staaten und Banken „teuflisch" werden kann und durch welche Kanäle die Risiken wirken. Brunnermeier und Oehmke (2012) beschreiben zwei Szenarien. In Szenario 1 führt ein erhöhtes Ausfallrisiko eines Staates zur Neubewertung dieser Papiere für Banken, die einen hohen Anteil dieser Wertpapiere halten. Gleichzeitig ist es wahrscheinlich, dass der Staat durch Finanzspritzen zur Rettung der Bank beitragen muss, was wiederum negative Effekte für den Staat zeitigt und dessen Refinanzierungssituation erschwert. Szenario 2 beschreibt eine Situation in der Banken, die hohe Verluste aus Geschäften mit Staatsanleihen verbuchen, ihre Kreditvergabe an den Realsektor einschränken. Potentiell führt das wiederum zu schwächerem Wachstum, was in der Folge die Steuereinnahmen des Staates reduzieren kann und die Bonität des Staates verschlechtert, so dass Staatsanleihen als riskanter bewertet werden.

Abbildung 1: Diabolic Loop; Quelle: Brunnermeier und Oehmke: Bubbles, financial crises and systemic risk (2012), S.59

Der Teufelskreis als Motor der Krise

Die enge Verbindung zwischen Banken und staatlichen Schuldnern besteht auch nach Ausbruch der europäischen Krise und hat sich sogar verschlimmert. Schnabel (2014) verweist auf eine Grafik im Jahresbericht des Sachverständigenrates (2013), die zeigt, dass Staaten und Banken heute noch enger miteinander verzahnt sind. Der Anteil heimischer Staatsanleihen in Relation zur Bilanzsumme portugiesischer Banken erhöhte sich seit Januar 2011 von ungefähr 4,7% auf 7,9%, wie in Abbildung 2 dargestellt. Spanische Banken verzeichnen einen Anstieg von rund 5% auf 9,5%. Für Deutschland beobachtet man ein schwächeres Wachstum: deutsche Banken verbuchen einen Anstieg von 4% auf ca. 4,4%.

Abbildung 2: Wertpapiere öffentlicher Haushalte in Relation zur Bilanzsumme; Quelle: Jahresgutachten des Sachverständigenrates 2013/2014, S. 210.


Eine Untersuchung der Rating-Agentur Fitch kommt darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass die 16 größten Banken Europas 2011 und 2012 das Volumen aller Staatsanleihen (nicht nur der heimischen) in ihrem Portfolio um 550 Milliarden Euro erhöht haben, was einem Anstieg von 26 Prozent entspricht. McKinsey & Company kommen zu einem ähnlichen Ergebnis und errechnen, dass sich staatliche Schuldverschreibungen in den Bankbilanzen (für den Euroraum) im Zeitraum 2007 bis 2012 (2. Quartal) um 17 Prozentpunkte erhöht haben. Staatsfinanzierung scheint weiterhin ein Teil des Geschäftsmodells europäischer Finanzinstitute zu sein.

Um einen Kollaps des Finanzsystems - in Folge der Finanzkrise - zu verhindern, wurden Banken darüber hinaus im großen Stil durch Steuergelder gerettet. Staaten gewährten ihren Banken Finanz- bzw. Liquiditätsspritzen. Eine Studie von Oliver Wyman (2013) zeigt, dass mehr als die Hälfte des Kapitals, das dem europäischen Bankensektor seit Ausbruch der Krise zufloss, durch Staaten bereitgestellt wurde. Es bestehen also Verbindungen unterschiedlicher Art zwischen Banken und Staaten, die die Staatsbilanzen direkt von der Performance der Banken abhängig machen.

Wie kann der Risikoverbund von Staaten und Banken gelockert werden?

Unterschiedliche Institutionen und Entscheidungsträger erkannten die Notwendigkeit, die Zahlungsfähigkeit des Staates von der Zahlungsfähigkeit des Bankensektors zu entkoppeln und damit das systemische Risiko zu minimieren - sowohl auf nationaler Ebene als auch auf Ebene des internationalen Finanzsystems. Doch was sind die Stellschrauben, um dieses Ziel zu erreichen?

Allen voran wird häufig die Bankenunion - also eine gemeinsame Aufsicht (SSM) gepaart mit einem einheitlichen und durchsetzbaren Abwicklungsmechanismus (SRM) - als Institution der Wahl genannt, um den Risikoverbund zwischen Staaten und Banken zu trennen (siehe beispielsweise: Sachverständigenrat). Bofinger et al. (2012) würdigen dieses Projekt als ein wichtiges, dessen Effekte eher langfristiger Natur sind.

Im Vorfeld der Implementierung der Bankenunion sollen - und das ist von Bedeutung - die Bilanzen der Geldhäuser im Rahmen des Asset Quality Review (AQR) bewertet werden, wie im Verordnungsentwurf zum SSM vorgesehen. Erst nachdem eine Bestandaufnahme der aktuellen Risiken auf den Bilanzen der systemisch relevanten Finanzinstitute (SIFIs) in Europa erfolgt, kann die Europäische Zentralbank (EZB) alle aufsichtsrechtlichen Aufgaben übernehmen. Die umfassende Bewertung der sogenannten Altlasten soll in drei Stufen erfolgen: (1) Beurteilung wesentlicher Risiken - quantitativ und qualitativ (Supervisory Risk Assessment); (2) Bestandsaufnahme der Altlasten (Asset Quality Review, AQR); (3) Stress Test bzgl. Belastbarkeit der Bankbilanzen (Mitteilung der EZB zum „Comprehensive Assessment", Oktober, 2013). Ziel dieses Prozederes ist es, die Eigenkapitalausstattung der verschiedenen Institute gemäß einheitlicher Regulierungsstandards zu bestimmen und damit für mehr Transparenz zu sorgen. Schnabel (2014) betont, dass Verluste bilanzwirksam erfasst werden müssen und man sich in der Konsequenz, sollte eine erhebliche Schieflage einzelner Banken aufgedeckt werden, für eine Schließung bzw. Rekapitalisierung von Banken entscheiden muss. Der AQR könnte nach einer Studie von Oliver Wyman (2013) damit die doch eher zögerliche Bilanzrestrukturierung nach der Krise vorantreiben.

Um den Link zwischen Staaten und Banken nachhaltig zu entkoppeln, bedarf es darüber hinaus einer weniger privilegierten Behandlung von Staatsanleihen im Kontext der Bankenregulierung, so beispielsweise die Forderung der Bundesbank (2013). Im Rahmen der Basel III Liquiditätsregulierung werden Staatsanleihen bevorzugt behandelt. Die Vorschriften zur Berechnung der kurzfristigen Stresskennziffer (Mindestliquiditätsquote, auch Liquidity Coverage Ratio, LCR) sehen vor, dass Schuldverschreibungen von Staaten als hoch liquide Assets eingestuft werden. Auch die Bestimmung der strukturellen Liquiditätsquote (Net Stable Funding Ratio, NSFR), die ermittelt ob der innerhalb eines Jahres erforderliche Refinanzierungsbedarf durch die verfügbaren Refinanzierungsmittel (in mindestens gleicher Höhe) gedeckt ist, klassifiziert Forderungen gegenüber Staaten als hoch liquide. Darüber hinaus werden Staatsanleihen, wie schon in den vorangegangenen Capital Requirements Directive (CRD) Paketen, mit einem Risikogewicht von null Prozent bewertet. Schnabel (2014) unterstreicht mit Verweis auf Cohen (2013), dass diese Bevorzugung von Staatsanleihen in der regulatorischen Praxis möglicherweise zu regulatorischer Arbitrage führt - Banken also einen Anreiz haben Papiere zu halten, die der Regulator als weniger riskant einstuft. Höhere Eigenkapitalquoten resultieren so womöglich aus einem Abbau an Risikoaktiva, die durch eine Portfolioumschichtung in Staatsanleihen zu Stande kommt. Eine weniger privilegierte Behandlung von Staatsanleihen im Rahmen der Regulierung, wäre, so Buch et al. (2013), ein wichtiger Schritt, um Risiken auf Bank- und Staatenebene zu entkoppeln.

Admati et al. (2012) gehen sogar einen Schritt weiter und plädieren für eine gänzliche Abschaffung der Kapitalregulierung auf Basis von Risikogewichten. Solange das nicht der Fall ist, bestehen für Banken Anreize, Risiken (beispielsweise mittels interest rate swaps oder credit default swaps) außerbilanziell „zu verbuchen", wodurch sich Ansteckungsrisiken und damit auch Gegenparteienrisiken erhöhen.

Der Europäische Rat plädierte 2009 erstmals für ein sogenanntes „single rule book", womit das Aufsichtsrecht im europäischen Binnenmarkt vereinheitlicht werden soll. In Zeiten zunehmender internationaler Verflechtungen und fortschreitender Globalisierung verändern sich auch die Geschäftsmodelle vieler Banken: der Kurs ist heute internationaler ausgerichtet. Das Aufsichtsrecht trug diesem Umstand bisher nur begrenzt Rechnung: neue Regeln wurden zumeist EU supranational aufgesetzt, bevor sie - häufig mit Wahlrechten - in nationales Recht implementiert werden. Alle Vorschriften, die im Rahmen der EU Verordnung CRR vereinbart sind (wie bspw. Vorschriften zu Eigenkapital, Liquidität und Leverage auf Bankebene), gelten als bindendes EU-Recht im Sinne des „single rule book" Prinzips. Nationale Wahlrechte bestehen also nur noch für die Regelungen, die mittels der CRD IV (wie bspw. Definition des Kapitalpuffers) implementiert werden (siehe beispielsweise Deloitte, 2011).

Um Banken wieder wettbewerbsfähiger zu machen, bedarf es aber auch struktureller Veränderungen. Schnabel (2014) verweist auf potentielle Überkapazitäten im europäischen Bankensystem, deren Abbau gerade auch durch staatliche Interventionen verhindert wurde. Marktaustritte müssen möglich und gewollt sein, damit marode Banken nicht künstlich am Leben erhalten werden und somit der Link zwischen Staaten und Banken noch verstärkt wird.

Fazit

Besteht also die Chance Staat- und Bankrisiken langfristig zu entkoppeln? Die Bankenunion ist ein wichtiger Schritt, um den Teufelskreis von Banken- und Schuldenkrisen zu durchbrechen. Darüber hinaus bedarf es einer sorgfältigen Ausgestaltung der Regulierung, um Anreize für regulatorische Arbitrage zu eliminieren. Eine zunehmend einheitliche Ausgestaltung des Aufsichtsrechts trägt zur Harmonisierung des Binnenmarktes bei.

Quellen

Admati, A., DeMarzo, P. Hellwig, M. and P. Pfleiderer (2012): Enhanced prudential standards under section 165, and early remediation requirements under section 166 of the Dodd-Frank Act, Working Paper.
Amtsblatt der Europäischen Union (2013): Berichtigungen, L321/6 DE, 30.11.2013.

Basel Committee on Banking Supervision (2013): The liquidity coverage ratio and liquidity risk monitoring tools, Bank for International Settlements.

Bank for International Settlements: International regulatory framework for banks, retrieved from: http://www.bis.org/bcbs/basel3.htm, 17.01.2014.

Barth, J. , Prabhavivadhana, A. und G. Yun (2012): The Eurozone Financial Crisis: Role of Interdependencies between Bank and Sovereign Risk, Journal of Financial Economic Policy, Vol. 4, S. 76-97.

Bofinger, P., Buch, C., Feld, L., Franz, W. und C. Schmidt (2012): Vom Binnenmarkt zur Bankenunion: Ein Vorschlag des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Brunnermeier, M., Garicano, L., Lane, P., Pagano, M. Reis, R. Santos, T. Thesmar, D. Nieuwerburgh, S. and D. Vayanos (2011): European Safe Bonds (ESBies), The euro-nomics group, Working paper.

Brunnermeier, M. and M. Oehmke (2012): bubbles, financial crises, NBER working paper.

Buch, C., Körner, T. und Weigert, B. (2013): Towards deeper financial integration in Europe: What the banking union can contribute. Working Paper.

Cohen, B. (2013): How have banks adjusted to higher capital requirements?, in: BIS Quarterly Review.

Council of the European Union (2013): Council agrees general approach on Single Resolution Mechanism, Pressemitteilung, Brüssel, 18.12.2013, 17602/13, Presse 564.

Deutsche Bundesbank: Basel III, retrieved from: http://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Kerngeschaeftsfelder/Bankenaufsicht/Basel3/basel3.html, 17.01.2014.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten (2013): Schulden-Krise: Banken Europas kaufen massiv Staatsanleihen, 05.11.2013, retrieved from: http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/11/05/schulden-krise-banken-europas-kaufen-massiv-staatsanleihen/, 17.01.2014.

European Central Bank (2013): Comprehensive assessment.

Financial Stability Board: Policy Areas - Systemically Important Financial Institutions (SIFIs), retrieved from: http://www.financialstabilityboard.org/list/fsb_pa/tid_174/index.htm, 17.01.2014.

McKinsey Global Institute (2013): Financial globalization: Retreat or reset?, Global capital markets, März 2013.


Oliver Wyman (2013): The shape of things to come, what recent history tells us about the shape of European banking. Report.

Sachverständigenrat (2011/12): Jahresgutachten 2011/12, 4. Kapitel, Von der Bankenkrise zur Schuldenkrise und wieder zurück.

Sachverständigenrat (2013/14): Jahresgutachten 2013/14, 5. Kapitel, Deutschland auf dem Weg in die europäische Bankenunion.

Schnabel, I. (2014): Das europäische Bankensystem, Wirtschaftsdienst, 94. Jahrgang, Heft 13, 6-9.

Weidmann, J.: Investitionen in Staatsanleihen nicht länger regulatorisch begünstigen, in: Financial Times vom 1.10.2013.

Themen: Finanzmärkte


Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/111786

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