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Persönlichkeitseigenschaften beeinflussen die Studienabsicht von Jugendlichen

Pressemitteilung vom 9. Januar 2015

DIW Berlin untersucht den Einfluss von Persönlichkeitseigenschaften auf die Absicht, ein Studium aufzunehmen – Wer offener gegenüber neuen Erfahrungen ist, plant häufiger, eine Hochschule zu besuchen – Persönlichkeitseinfluss ist bei Kindern aus Nichtakademikerfamilien besonders groß

Neben Faktoren wie schulischen Leistungen und dem Bildungshintergrund der Eltern ist auch die Persönlichkeit entscheidend für die Frage, ob Schüler später studieren wollen oder nicht. Das geht aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf Grundlage von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) hervor. Demzufolge ist die Studienabsicht von Jugendlichen umso höher, je offener sie neuen Erfahrungen gegenüber eingestellt sind. Dieses Ergebnis hat auch dann Bestand, wenn in den Berechnungen andere die Studienneigung beeinflussende Faktoren – etwa das Haushaltseinkommen, die Zahl der Geschwister oder der Migrationshintergrund – berücksichtigt werden. „Besonders bei den an deutschen Hochschulen unterrepräsentierten Kindern aus Nichtakademikerfamilien ist die Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen relevant für die Studienabsicht“, sagen die DIW-Bildungsökonominnen Frauke Peter und Johanna Storck. Die Bildungspolitik solle daher schon in der frühkindlichen Bildung einen stärkeren Fokus auf die Entwicklung nicht-kognitiver Fähigkeiten, also der Persönlichkeitseigenschaften, legen. Darüber hinaus ist es vorstellbar, dass Mentorenprogramme oder detailliertere Informationen zum Hochschulzugang  dafür sorgen könnten, dass sich vor allem mehr Nichtakademikerkinder einem Studium öffnen, so die Studienautorinnen.

Je höher die Kooperationsbereitschaft einer Person, desto geringer die Studienabsicht

Für ihre Studie haben die DIW-Ökonominnen Frauke Peter und Johanna Storck Daten des SOEP – einer im Auftrag des DIW Berlin von TNS Infratest Sozialforschung erhobenen, für Deutschland repräsentativen Haushalts- und Personenbefragung – verwendet. Zur Messung der Persönlichkeitseigenschaften werden fünf Dimension unterschieden: Offenheit für Neues, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus (beschreibt die Stressresistenz), Extraversion (Tatendrang und Durchsetzungsfähigkeit) und Verträglichkeit (Kooperationsbereitschaft). Die Studie basiert auf einer Stichprobe von 1.000 Schülerinnen und Schülern im Alter von 17 Jahren, die in den Jahren 2006 bis 2013 ihre Präferenz für oder gegen ein Hochschulstudium an einer Universität oder Fachhochschule angegeben haben.

Die mithilfe eines linearen Wahrscheinlichkeitsmodells gewonnenen Ergebnisse zeigen, dass Jugendliche eher angeben studieren zu wollen, wenn sie neuen Erfahrungen gegenüber offener sind. Hohe Werte bei den Eigenschaften Verträglichkeit und Neurotizismus sind hingegen mit einer geringeren  Wahrscheinlichkeit verbunden, nach dem Schulabschluss ein Studium aufnehmen zu wollen. Die Einflüsse der Eigenschaften Extraversion und Gewissenhaftigkeit sind hingegen in nahezu allen Modellspezifikation nicht signifikant.

Maßnahmenpaket für mehr Chancengleichheit

Die Ergebnisse der DIW-Untersuchung sind vor allem im Hinblick auf Kinder aus Nichtakademiker-Familien relevant. In der betrachteten Stichprobe planen 56 Prozent der Kinder, deren Eltern nicht studiert haben, eine Hochschule zu besuchen. Bei Akademikerkindern liegt der Anteil bei 73 Prozent. Da letztere signifikant häufiger offen für neue Erfahrungen sind und diese Eigenschaft ein wichtiger Faktor für die Studienabsicht ist, könnte der Abstand der Studierquoten weiterhin bestehen bleiben. „Auch die Eigenschaft, dass sich Kinder aus Nichtakademikerfamilien eher Sorgen machen, beeinflusst die Studierabsicht dieser Jugendlichen negativ. Sie kämpfen vermutlich nicht selten mit eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten und der Sorge, das Studium nicht zu schaffen, und wählen deshalb oft eine berufliche Ausbildung aus einer Art Versicherungsstrategie heraus“, so Peter und Storck.

Um die Chancengleichheit zu erhöhen, können sich die beiden Forscherinnen mehrere Maßnahmen vorstellen. So könnten möglicherweise spezielle Mentorenprogramme und die Bereitstellung von Informationen helfen, die Distanz zum Studium und damit auch den großen Einfluss der Eigenschaft Offenheit auf die Studienabsicht zu reduzieren, was vor allem Kindern aus Nichtakademikerfamilien unterstützen würde. Für Schüler, die sich leicht sorgen, könnten sicherere Finanzierungsmöglichkeiten wie Stipendien oder mehr Informationen über Bafög-Regelungen den Studienbeginn erleichtern. Grundsätzlich sollte sich die Bildungspolitik zudem schon in der frühkindlichen Bildung verstärkt auf nicht-kognitive Fähigkeiten wie die Persönlichkeitseigenschaften konzentrieren, fordern die Bildungsexpertinnen des DIW Berlin.

Links

Interview mit Johanna Storck (Print (PDF, 456.14 KB) und
O-Ton von Johanna Storck
Studienabsichten von Jugendlichen: Persönlichkeitseigenschaften spielen eine Rolle - Sieben Fragen an Johanna Storck
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