Direkt zum Inhalt

Zwangsanleihen

Zwangsanleihen

Zwangsanleihen sind Kredite an den Staat, zu denen Personen mit hohem Einkommen oder Vermögen in fiskalischen Notsituationen per Gesetz verpflichtet werden können. Soweit die Zwangsanleihe nicht marktgerecht verzinst oder nicht vollständig zurückgezahlt wird, wirkt sie wie eine Vermögensteuer oder eine einmalige Vermögensabgabe.

Wenn überschuldete Staaten über die Kapitalmärkte nur noch zu sehr hohen Zinsen Kredite erhalten, können Zwangsanleihen als außerordentliches fiskalisches Instrument für eine Übergangszeit eine wirksame Staatsfinanzierung gewährleisten, ohne die Hilfe internationaler Organisationen oder des Zentralbankensystems in Anspruch nehmen zu müssen. Staatlichen Schulden stehen in den meisten Ländern in wesentlich größerem Umfang private Vermögen gegenüber. Zwangsanleihen können mit einmaligen Vermögensabgaben oder anderen Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen kombiniert werden.

Ebenso wie bei einer einmaligen Vermögensabgabe liegt der Vorteil von Zwangsanleihen darin, dass sie im Gegensatz zu herkömmlichen Steuererhöhungen keine Ausweichreaktionen nach sich ziehen. Grund dafür ist, dass der Fiskus auf die bestehenden Vermögenswerte zu einem Stichtag zugreift, der in der Vergangenheit liegt. Die privaten Haushalte können der Belastung dann nicht ausweichen. Die Schattenseite ist: Viele Verpflichtete sind überrascht und fühlen sich enteignet. Dies kann in der Zukunft zur Abwanderung von Vermögenden oder einer Verlagerung von Kapital ins Ausland führen, wenn die Betroffenen mit wiederholten Zwangsanleihen oder Vermögensabgaben rechnen. Auch kann die Belastung durch die Anleihe Liquiditäts- und Finanzierungsprobleme bei Immobilien- oder Betriebsvermögen auslösen.

In der Geschichte wurde in fiskalischen Notsituationen häufig auf derartige außerordentliche Instrumente zurückgegriffen, auch in Deutschland. Beispielsweise erhob das Deutsche Reich parallel zur Einführung der Vermögensteuer 1922/23 eine Zwangsanleihe, um die Schulden des Ersten Weltkriegs abzubezahlen. Auch die Währungsstabilisierung durch die Rentenmark 1923/24 basierte auf einer Art impliziten Zwangsanleihe auf die Grund- und Betriebsvermögen der Unternehmen. Das Investitionshilfegesetz im Jahr 1952 sah eine Zwangsanleihe bei der gewerblichen Wirtschaft vor, mit der Investitionen in einzelne Grundstoffindustrien finanziert wurden. Zuletzt wurde 1982 eine Investitionshilfeabgabe zur Förderung des Wohnungsbaus eingeführt, die später unverzinslich zurückgezahlt werden sollte. Sie wurde jedoch 1984 für verfassungswidrig erklärt, da sie nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Sonderabgabe entsprach (kein gruppenspezifisches Finanzierungsinteresse und keine entsprechende Mittelverwendung).

Das DIW Glossar

Das DIW Glossar ist eine Sammlung von Begriffen, die in der wissenschaftlichen Arbeit des Instituts häufig verwendet werden. Die hier gelieferten Definitionen sollen dem besseren Verständnis der DIW-Publikationen dienen und wichtige Begriffe aus der empirischen Wirtschafts- und Sozialforschung so prägnant wie möglich erklären. Das Glossar hat keinen Anspruch auf lexikalische Vollständigkeit.

keyboard_arrow_up