Pressemitteilung vom 9. Januar 2013
Das Bruttoinlandsprodukt wächst trotz der Krise im Euroraum weiter, im kommenden Jahr sogar um über zwei Prozent – Haushaltskonsolidierung ist noch nicht abgeschlossen
Die deutsche Wirtschaft ist aufgrund einer schwachen zweiten Jahreshälfte im Jahr 2012 lediglich um 0,8 Prozent gewachsen. Doch die gebremste Dynamik hält nicht lange an: Bereits in diesem Jahr wird das Bruttoinlandsprodukt mit zunehmendem Tempo um insgesamt 0,9 Prozent steigen, im kommenden Jahr ist sogar eine jahresdurchschnittliche Rate von mehr als zwei Prozent möglich. Das geht aus den „Wintergrundlinien 2013“ des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hervor. „Die wirtschaftliche Entwicklung ist in Deutschland noch immer erheblich kräftiger als im Rest der Währungsunion, obwohl die derzeit schwache Nachfrage aus Nachbarländern wie Frankreich und den Niederlanden die deutsche Wirtschaft belastet“, sagt DIW-Konjunkturchef Ferdinand Fichtner. „Die Nachfrage nach deutschen Exportprodukten steigt aber im Jahresverlauf 2013 wieder. Außerdem bleibt die Lage am Arbeitsmarkt gut, sodass die Konsumnachfrage kräftig zunehmen dürfte.“ Von der insgesamt guten konjunkturellen Situation profitiert auch der öffentliche Gesamthaushalt, der bereits im vergangenen Jahr mit einem Überschuss abschließen konnte.
Exportaussichten verbessern sich mit anziehender Weltkonjunktur
Der größte Hemmschuh für die deutsche Wirtschaft ist nach wie vor die Krise im Euroraum. Die Währungsunion steckt nach Einschätzung des DIW Berlin insgesamt weiterhin in der Rezession. Darunter leiden auch die deutschen Exporte: So waren die Ausfuhren in den Euroraum in den ersten zehn Monaten 2012 insgesamt geringer als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Dass die Exporte im vergangenen Jahr trotzdem leicht zugenommen haben, lag vor allem an der merklich steigenden Nachfrage aus den übrigen EU-Ländern und insbesondere den dynamischen Ausfuhren in Drittländer.
Im Verlauf dieses Jahres ist – vor allem aufgrund der anziehenden Weltkonjunktur – ein kräftigerer Anstieg der Exporte zu erwarten. „Mit den verbesserten Absatzaussichten dürften die Unternehmen zudem wieder vermehrt investieren, zumal dies bei den derzeit günstigen Finanzierungsbedingungen besonders attraktiv ist“, erklärt DIW-Deutschlandexperte Simon Junker. Hinzu kommt: Die Nervosität auf den Finanzmärkten hat zuletzt spürbar nachgelassen, nicht zuletzt aufgrund der unkonventionellen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. So hat etwa die Ankündigung einer Ausweitung der Aufkaufprogramme für Staatsanleihen die Märkte beruhigt. „In den Krisenländern sorgt das zunächst für mehr Stabilität“, sagt Fichtner. „Eine nachhaltige Lösung der Finanzmarktprobleme ist dies freilich nicht.“
Privater Konsum stützt Wachstum
Nach Einschätzung des DIW Berlin stützt sich die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland vor allem auf die inländische Nachfrage. „Die Binnennachfrage wird in diesem und auch im kommenden Jahr die wesentliche Stütze des Wachstums sein“, sagt Junker. Grund dafür sei in erster Linie der robuste Arbeitsmarkt: Zwar ist der Aufbau der Erwerbstätigenzahl seit dem Spätsommer 2012 zunächst zum Stillstand gekommen und die Arbeitslosenquote leicht gestiegen. Entlassungen werden von den Unternehmen aber durch verkürzte Arbeitszeit und den Abbau von Überstunden weitgehend vermieden, damit sie ihr Personal im bereits absehbaren Aufschwung schnell wieder in vollem Umfang einsetzen können. „Trotz der vorübergehenden Flaute am Arbeitsmarkt werden die Löhne kräftig steigen“, erläutert Junker. In einigen Branchen seien bereits kräftige Lohnerhöhungen für das Jahr 2013 vereinbart worden. „Auch in den anstehenden Tarifrunden dürften spürbare Lohnsteigerungen erreicht werden“, so Junker. Diese Einkommensentwicklung wird nach DIW-Einschätzung den privaten Konsum stützen, auch weil die Inflationsrate im laufenden und im kommenden Jahr mit knapp zwei Prozent nicht besonders hoch sein wird.
Haushaltskonsolidierung bei Weitem noch nicht abgeschlossen
Die gute Beschäftigungslage und die hohen Lohnabschlüsse haben einen weiteren Effekt: Die Steuereinnahmen steigen nach wie vor kräftig. Die gute Einnahmesituation insgesamt hat dazu beigetragen, dass der öffentliche Gesamthaushalt bereits 2012 ein leichtes Plus ausweisen konnte. Allerdings haben dazu in erster Linie die Sozialversicherungen beigetragen: Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherung schlossen das vergangene Jahr mit einem Überschuss ab. Der Bundeshaushalt hingegen wies ein merkliches Defizit aus und wird auch im laufenden Jahr unterfinanziert sein. „Die Bundesregierung hat den Konsolidierungskurs gelockert“, sagt DIW-Finanzexpertin Kristina van Deuverden. „Dass die trotz Konjunkturflaute gute wirtschaftliche Ausgangslage nicht genutzt wird, ihn zu straffen, dürfte sich noch als Fehler erweisen.“
So wurden Mehrausgaben etwa für einen Rentenzuschuss für Geringverdiener und das Betreuungsgeld beschlossen. Einnahmenerhöhende Maßnahmen wie die Einführung einer Finanztransaktionssteuer sind hingegen nicht umgesetzt worden. Stattdessen greift der Bund auf Gewinne der Kreditanstalt für Wiederaufbau zurück und entzieht den Sozialkassen Gelder. Die Risiken dieses Kurses sind beträchtlich: Bei einer Eintrübung der Konjunktur könnten die Sozialversicherungen schnell wieder auf Zuschüsse des Bundes angewiesen sein, zudem könnten die Zinsausgaben steigen und weitere Verpflichtungen aus den Rettungsschirmen entstehen, so van Deuverden. „Der Bund steht vor großen Herausforderungen. Die Haushaltskonsolidierung ist bei Weitem noch nicht abgeschlossen.“