Der Schweinezyklus beschreibt das Problem der Zeitverzögerung bei der Anpassung des Angebots auf einem Markt. Der Begriff geht auf den früheren DIW-Ökonomen Arthur Hanau (1902-1985) und dessen Dissertation „Die Prognose der Schweinepreise“ zurück, die er im Jahr 1928 im Vierteljahrsheft zur Konjunkturforschung veröffentlichte – damals hieß das DIW Berlin noch Institut für Konjunkturforschung.
Das von Hanau analysierte Phänomen hat seinen Ausgang in einem Ereignis, das einen Markt, auf dem Angebot und Nachfrage bei einem bestimmten Preis ausgeglichen sind, aus dem Gleichgewicht bringt: Ein sogenannter Nachfrageschock, ausgelöst etwa durch eine steigende Bevölkerungszahl oder steigenden Wohlstand, bringt zu gegebenen Preisen eine höhere Nachfrage nach Schweinefleisch mit sich.
Das Angebot an Schweinen kann jedoch kurzfristig nicht angepasst werden, zusätzliche Schweine müssten erst aufgezogen werden. Folglich spiegelt sich der Nachfrageschock bei zunächst konstantem Angebot ausschließlich in höheren Preisen wider. Für die Schweinezüchter erscheint es nun lukrativ, in den Ausbau ihres Viehbestands zu investieren. Das steigende Angebot werden die Konsumenten aber nur bei dann wieder sinkendem Preis abnehmen: Der neue gleichgewichtige Preis wird zwischen dem ursprünglichen Preis vor dem Nachfrageschock und dem zuletzt – bei noch nicht angepasstem Angebot unmittelbar nach dem Nachfrageschock – am Markt realisierten Preis liegen. Wo genau, ist den Schweinezüchtern aber nicht bekannt. Überschätzen sie ihn, etwa indem sie sich am höheren Preis bei noch nicht angepasstem Angebot orientieren, weiten sie die Menge zu stark aus.
Ist dies der Fall und sind die zusätzlichen Schweine erst einmal aufgezogen, kann das nun vorerst wieder fixe Angebot nur zu einem unerwartet niedrigen Preis abgesetzt werden. Die Schweinezüchter machen Verluste und planen zukünftig ein geringeres Angebot. Auch diese Anpassung wird erst mit einer Zeitverzögerung marktwirksam, und sie kann wiederum – gemessen an der Nachfragesituation – zu stark ausfallen. Durch die daraus resultierende Verknappung steigt der Preis erneut – und der Schweinezyklus beginnt von vorn.
Angebotsseitige Schwankungen gibt es auch auf anderen Märkten, beispielsweise dem Arbeitsmarkt: Besteht etwa in einer Branche ein Mangel an Arbeitskräften und entscheiden sich deshalb mehr Menschen, einen Beruf in dieser Branche ausüben zu wollen, verzögert sich die Ausweitung des Arbeitskräfteangebots (beispielsweise um die Dauer eines Studiums oder einer Weiterbildung). Wird das Arbeitsangebot – analog zum Zyklus auf dem Schweinemarkt – zu stark ausgeweitet und später zu stark nach unten korrigiert, stellt sich auch auf dem Arbeitsmarkt kurzfristig kein neues Gleichgewicht zwischen Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage ein. Grundsätzlich ist der Schweinezyklus also ein Merkmal von Märkten, auf denen zwischen der Entscheidung für eine Angebotsänderung und dem Wirksamwerden dieser Angebotsänderung eine gewisse Zeit vergeht und die Marktteilnehmer künftige Situationen nur schwer vorhersehen können, weshalb sie zu Fehleinschätzungen verleitet werden.
Das DIW Glossar ist eine Sammlung von Begriffen, die in der wissenschaftlichen Arbeit des Instituts häufig verwendet werden. Die hier gelieferten Definitionen sollen dem besseren Verständnis der DIW-Publikationen dienen und wichtige Begriffe aus der empirischen Wirtschafts- und Sozialforschung so prägnant wie möglich erklären. Das Glossar hat keinen Anspruch auf lexikalische Vollständigkeit.