DIW Wochenbericht 9 / 2018, S. 149-155
Norma Burow, Alexandra Fedorets, Anna Gibert
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Der Anteil von Frauen in Aufsichtsräten steigt bereits seit 2012 kontinuierlich – insbesondere in jenen Firmen, die seit 2016 die Geschlechterquote zu berücksichtigen haben, in geringerem Maße auch in den von der gesetzlichen Regelung nicht betroffenen Firmen. Die Umsetzung der Quote wurde hierbei nicht über eine hohe Anzahl an Mehrfachmandatierungen erreicht. Die Hoffnung, dass die Geschlechterquote auch über die Aufsichtsräte hinaus Veränderungen mit sich bringen kann, wird zumindest in der kurzen Frist nicht erfüllt. Ein paralleler Anstieg von Frauenanteilen in Vorständen oder im Gremienvorsitz ist nicht zu beobachten. Mögliche langfristige Effekte der Quote, etwa der Abbau von Vorurteilen gegenüber Frauen in Führungspositionen, sind noch nicht abschließend zu bewerten.
Seit 2016 gilt in Deutschland für Aufsichtsräte eine feste Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent der jeweils unterrepräsentierten Gruppe – direkt betroffen sind allerdings nur Neubesetzungen in Aufsichtsräten von paritätisch mitbestimmungspflichtigen und gleichzeitig börsennotierten Unternehmen.Deutscher Bundestag (2015): Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FührposGleichberG). Bundestags-Drucksache 18/4227 (1. Mai 2015). Ausschlaggebend für die Einführung der gesetzlichen Geschlechterquote war der extrem geringe Anteil von Frauen in Spitzengremien großer Unternehmen in Deutschland. Dieser Anteil stieg ohne staatlichen Eingriff nur sehr langsam im Vergleich zum rasanten Anstieg der Bildungsabschlüsse und Qualifikation von Frauen.Karl Brenke (2015): Wachsende Bedeutung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt. DIW Wochenbericht Nr. 5, 75–86 (online verfügbar, abgerufen am 14. Februar 2018. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt).
Das formelle Ziel der Reform war die Durchsetzung einer Geschlechterquote in Aufsichtsräten der betroffenen Firmen. Neben dem direkten Effekt auf die Zahl der Frauen in Aufsichtsräten sollte die Reform auch indirekt gemischte Führungsteams stärken und so einen „Kulturwandel“ im gesamten Unternehmen anstoßen.Pressemitteilung der SPD vom 30.12.2015: ASF zur Geschlechterquote in Aufsichtsräten: Ab jetzt gilt es! (online verfügbar).
Der vorliegende Bericht prüft, inwieweit die direkten und indirekten Ziele der Einführung der Geschlechterquote erreicht wurden. Die Analyse ergänzt bestehende Erkenntnisse durch den direkten Vergleich der betroffenen und nicht betroffenen Firmen in den Jahren sowohl vor als auch nach der Einführung der Geschlechterquote. Für die Analyse werden die Daten zu 500 großen deutschen Unternehmen genutzt, die genaue Informationen zur Zusammensetzung der Gremien sowie einige Performancemerkmale beinhalten (Kasten 1).
Die Daten für die empirische Analyse kommen aus der Sammlung „Die Großen 500. Deutschlands Top-Unternehmen mit Anschriften, Management und Geschäftszahlen“ des Müssig Verlags. Für die Analyse werden Daten aus den Jahren 2008 bis 2016 verwendet, die für folgende drei Unternehmensgruppen vorliegen: Banken, Versicherungen, Unternehmen (ohne Finanzsektor). Für die Jahre 2008 bis 2016 beinhaltet die Sammlung Daten für je nach Jahr zwischen 682 und 929 Firmen. Beispielsweise beinhalten die Daten für das Jahr 2016 Informationen über 56 Banken, 64 Versicherungen und 562 Unternehmen außerhalb des Finanzsektors. Hiervon waren fünf Banken, drei Versicherungen und 66 Unternehmen von der Geschlechterquote betroffen. Somit beinhaltet die analysierte Stichprobe etwa drei Viertel der insgesamt gut 100 Firmen, für die das Gesetz eine Geschlechterquote vorschreibt.Elke Holst und Katharina Wrohlich (2018): Spitzengremien großer Unternehmen: Geschlechterquote für Aufsichtsräte greift, in Vorständen herrscht beinahe Stillstand. DIW Wochenbericht Nr. 1+2, 3–17 (online verfügbar). Trotz der Unvollständigkeit dieser Daten handelt es sich hierbei um eine aufgrund des Erhebungsaufwands selten detaillierte Datenquelle zu Gremienzusammensetzungen und Firmeninformationen. (Tabelle)
2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 | 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Banken | 65 | 65 | 71 | 75 | 72 | 67 | 61 | 61 | 56 |
Versicherungen | 75 | 77 | 81 | 80 | 78 | 72 | 68 | 67 | 64 |
Unternehmen (o. Finanzsektor) | 731 | 751 | 763 | 771 | 779 | 686 | 688 | 687 | 562 |
871 | 893 | 915 | 926 | 929 | 825 | 817 | 815 | 682 | |
Davon durch die Reform betroffen: | |||||||||
Banken | 4 | 4 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 |
Versicherungen | 3 | 3 | 3 | 3 | 3 | 3 | 3 | 3 | 3 |
Unternehmen (o. Finanzsektor) | 59 | 63 | 65 | 64 | 65 | 65 | 67 | 68 | 66 |
Insgesamt | 66 | 70 | 73 | 72 | 73 | 73 | 75 | 76 | 74 |
Quelle: Müssig Verlag (2016): Die Großen 500.
Das DIW Berlin untersucht die Rolle von Frauen in Spitzengremien deutscher Firmen seit mehreren Jahren. Das jüngste DIW Managerinnen-Barometer zu diesem ThemaElke Holst und Katharina Wrohlich (2018): Spitzengremien großer Unternehmen: Geschlechterquote für Aufsichtsräte greift, in Vorständen herrscht beinahe Stillstand. DIW Wochenbericht Nr. 1+2, 3–17 (online verfügbar). dokumentiert, dass der Frauenanteil in Aufsichtsräten seit der Einführung der Geschlechterquote wächst. In Vorständen blieb der Anteil der Frauen beinahe unverändert.
Es zeigt sich jedoch, dass der Frauenanteil in Aufsichtsräten der betroffenen Unternehmen bereits vor der Einführung der Geschlechterquote gestiegen ist. Besonders stark nahm der Frauenanteil seit 2012 zu – von rund zwölf Prozent 2012 auf 22 Prozent 2016 (Abbildung 1). Um zu überprüfen, ob dieser Anstieg ganz allgemein mit dem Wandel in der Unternehmenskultur und dem allgemeinen Karriereaufstieg von Frauen einhergeht, ist der Vergleich mit den Frauenanteilen in Aufsichtsräten der vom Gesetz nicht betroffenen Firmen geeignet. Dort zeigt sich eine ähnliche Tendenz, aber in abgeschwächtem Ausmaß: Zwischen 2012 und 2016 wuchs der Frauenanteil in diesen Aufsichtsräten von acht auf 13 Prozent.
Eine eindeutige kausale Interpretation des Anstiegs des Frauenanteils in Aufsichtsräten durch die Einführung der Geschlechterquote ist nicht möglich. Für die kausale Interpretation spricht, dass der Anstieg des Frauenanteils in betroffenen Firmen zu dem Zeitpunkt eingesetzt hat, als in der politischen Debatte klar absehbar war, dass die Geschlechterquote kommt (Kasten 2). Gegen die kausale Interpretation spricht, dass Frauenanteile in Aufsichtsräten auch in nicht an die gesetzliche Regelung gebundenen Firmen gewachsen sind. Einerseits kann es sich hierbei um sogenannte Spillover-Effekte der Reform handeln, beispielsweise weil auch bisher nicht von der Regelung betroffene Firmen ein für sie geltendes Gesetz antizipieren. Andererseits besteht auch die Möglichkeit, dass der beobachtete Zuwachs einen allgemeinen Trend zu einer höheren Präsenz von Frauen in bestimmten Führungspositionen widerspiegelt.
Die empirischen Ergebnisse in diesem Bericht deuten darauf hin, dass die Geschlechterquote ihre Wirkung bereits seit dem Jahr 2013 zeigte, also noch vor ihrer Einführung.Das Gleiche wird berichtet in: Viktor Bozhinov, Christopher W. Koch und Thorsten Schank (2017): Has the Push for Equal Gender Representation Changed the Role of Women on German Supervisory Boards? IZA Discussion Paper Nr. 11057. Die Erklärung hierfür liegt in der langen Geschichte der Vorbereitung des Reformvorhabens. Die erneuten Diskussionen und Reformentwürfe, die auf die Bekämpfung der geringen Repräsentation von Frauen in Spitzengremien ausgerichtet waren, erzeugten einen Vorzieh- oder auch Antizipationseffekt. Ein wichtiger Grund dafür ist das hohe Niveau der Geschlechterquote, das einer von Firmenseite zeitlich gestreckten Anpassung bedarf. Im Folgenden werden die prägenden Meilensteine aufgelistet, die der Einführung der Geschlechterquote vorhergingen.
1998: Der rot-grüne Koalitionsvertrag thematisiert zum ersten Mal die Gleichstellung von Männern und Frauen und stellt ein Aktionsprogramm „Frau und Beruf“ auf.Koalitionsvertrag zwischen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 20. Oktober 1998: Aufbruch und Erneuerung – Deutschlands Weg ins 21. Jahrhundert (online verfügbar).
2001: Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft.Elke Holst und Anja Kirsch (2015): Weiterhin kaum Frauen in den Vorständen großer Unternehmen – auch Aufsichtsräte bleiben Männerdomänen. DIW Wochenbericht Nr. 4, 47–60 (online verfügbar).
2002: Veröffentlichung des von einer Regierungskommission erstellten Deutschen Corporate Governance Kodex .Regierungskommission DCGK (2002): Deutscher Corporate Governance – Kodex (2002) (online verfügbar).
2004: Richtlinie 2004/113/EG des Europäischen Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen.Europäischer Rat (2004): Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Amtsblatt der Europäischen Union L 373/37 (online verfügbar).
2006: Beschließung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.Deutscher Bundestag (2006): Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Bundesgesetzblatt I 1897–1910 (14. August 2006, online verfügbar).
2009: In ihren Bundestagswahlprogrammen erwähnen die SPD und die Grünen die Durchsetzung einer Frauenquote in Aufsichtsräten von mindestens 40 beziehungsweise 50 Prozent.SPD (2009): Sozial und Demokratisch. Anpacken. Für Deutschland. Das Regierungsprogramm der SPD (online verfügbar) und Bündnis 90/Die Grünen (2009): Der Grüne Neue Gesellschaftsvertrag (online verfügbar).
2010: Als erster DAX-Konzern kündigt die Deutsche Telekom eine selbstverpflichtende Frauenquote von mindestens 30 Prozent für obere und mittlere Führungspositionen an.Zeit Online (2010): Telekom führt Frauenquote ein. Veröffentlicht am 15. März 2010 (online verfügbar). Weitere Firmen kündigen moderate Geschlechterquoten an.Welt am Sonntag (2011): Die Angst vor der Quote sorgt endlich für Bewegung. Ausgabe vom 6. Februar 2011 (online verfügbar).
2011: Die Regierungskommission erweitert den Deutschen Corporate Governance Kodex durch die Empfehlung um eine „angemessene Berücksichtigung von Frauen“ bei der Besetzung von Aufsichtsräten und Vorständen.Elke Holst, Anne Busch-Heizmann und Anna Wieder (2015): Führungskräfte-Monitor 2015. Update 2001–2013. DIW Politikberatung kompakt, Nr. 100 (online verfügbar). Weitere Treffen der Bundesregierung mit Vertretern der DAX-Unternehmen und „Frauenquotengipfel“. Entstehung mehrerer (abgelehnter) Gesetzentwürfe zur Einführung einer Frauenquote in Vorständen und Aufsichtsräten. Die „Berliner Erklärung“Initiiert durch ein überparteiliches und gesellschaftliches Bündnis von Parlamentarierinnen aller im Bundestag vertretenen Parteien und führenden Frauenverbänden Berliner Erklärung (2011): Berliner Erklärung 2011 (online verfügbar). fordert eine Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent bei den Aufsichtsräten der börsennotierten, mitbestimmungspflichtigen und öffentlichen Unternehmen.
2012: Erfolgreiche Abstimmung über eine vorgeschriebene Geschlechterquote in DAX-Unternehmen im Bundesrat.Spiegel Online (2012): Bundesrat stimmt für gesetzliche Frauenquote. Veröffentlicht am 21. September 2012 (online verfügbar).
2014: Die Große Koalition vereinbart die Einführung der Geschlechterquote in den Koalitionsverhandlungen.
2015: Das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst tritt am 1. Mai 2015 in Kraft.
2016: Eine Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent der unterrepräsentierten Gruppe gilt nun in Aufsichtsräten von paritätisch mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen.
Darüber hinaus ist der Vergleich zwischen gebundenen und nicht gebundenen Firmen schwierig. Erstere sind deutlich größer und umsatzstärker, was andere Personalstrukturen und Entscheidungsprozesse mit sich bringen kann. Ein auffälliger Unterschied zwischen den Gruppen liegt in ihrer Belegschaftsgröße: Betroffene Firmen sind im Schnitt drei- bis viermal größer als nicht betroffene Firmen. Außerdem haben betroffene Firmen im Durchschnitt einen mehr als doppelt so hohen Umsatz (Abbildung 2).
Der Unterschied in der durchschnittlichen Größe der zwei Firmentypen spiegelt sich auch in der Größe ihrer Gremien wider. Aufsichtsräte der betroffenen Firmen sind fast doppelt so groß wie Aufsichtsräte der nicht an die Quote gebundenen Firmen: 2016 standen hier im Durchschnitt 14,3 Personen auf der einen Seite und 8,2 auf der anderen. Der Unterschied besteht auch bei Vorständen, wenn auch in geringerem Ausmaß. Ein durchschnittlicher Vorstand bestand 2016 aus 4,7 Personen in betroffenen Firmen und 4,1 Personen in nicht betroffenen Firmen (Abbildung 2).
Die Aufsichtsräte großer Kapitalgesellschaften werden zur Hälfte besetzt durch Arbeitnehmervertreter und -vertreterinnen. In dieser Hälfte ist der Anteil von Frauen besonders hoch (Abbildung 3). Bis zum Jahr 2012 verliefen die Anteile in von der Geschlechterquote betroffenen und nicht betroffenen Firmen auf einem ähnlich hohen Niveau. Seit 2013 nimmt der Anteil in betroffenen Firmen zu, wobei 2016 wieder eine relative Angleichung stattfand. Auf der Kapitalseite der Aufsichtsräte wächst der Frauenanteil sowohl in betroffenen als auch in nicht betroffenen Firmen seit 2011. In betroffenen Firmen ist das Wachstum besonders auffällig: Der Frauenanteil verdoppelte sich zwischen 2012 und 2016.
Das Gesetz schreibt die verpflichtende Geschlechterquote nur für Aufsichtsräte vor. Für Vorstände und die oberen zwei Managementebenen müssen sich die betroffenen Unternehmen eigenverantwortliche Ziele setzen, ein Sanktionsmechanismus besteht jedoch nicht. Auch durch ihre Vorbildfunktion soll die Geschlechterquote anregen, dass mehr Frauen in Führungspositionen gebracht werden. Anhand der Daten kann verglichen werden, ob sich der Anteil von Frauen in Vorständen von gesetztlich gebundenen und nicht gebundenen Unternehmen nach der Einführung der Geschlechterquote verändert hat. In Vorständen der betroffenen Firmen wächst der Frauenanteil nur leicht: von 5,1 Prozent 2012 auf 5,5 Prozent 2016. Der Unterschied zwischen betroffenen und nicht betroffenen Firmen ist dabei sehr klein (unter einem Prozentpunkt), was darauf hindeutet, dass die Einführung der Geschlechterquote keine Veränderung in der Zusammensetzung der Vorstände mit sich gebracht hat.
Die Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten könnte die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Frauen auch häufiger den Gremiumsvorsitz innehaben. Der Anteil von Frauen im Vorsitz von Aufsichtsräten und Vorständen in betroffenen und nicht betroffenen Firmen liegt jedoch auf einem sehr niedrigen Niveau – in keiner Kategorie und zu keinem Zeitpunkt wird ein Anteil von 4,2 Prozent überschritten. Über die Zeit ist kein nennenswerter Anstieg des Frauenanteils auf den Vorsitzposten zu beobachten (Abbildung 1). Zum gleichen Ergebnis kommen sowohl eine Studie für DeutschlandViktor Bozhinov, Christopher W. Koch und Thorsten Schank (2017): Has the Push for Equal Gender Representation Changed the Role of Women on German Supervisory Boards? IZA Discussion Paper Nr. 11057. als auch eine Studie zu Norwegen.Kenneth R. Ahern und Amy K. Dittmar (2012): The Changing of the Boards. The Impact on Firm Valuation of Mandated Female Board Representation. The Quarterly Journal of Economics, 1, 137–197. Erstere dokumentiert zudem, dass sich die Partizipation von Frauen an wichtigen Ausschüssen nicht verändert hat.
Obwohl die Einführung der Geschlechterquote darauf abzielt, mehr Frauen in Spitzenpositionen zu bringen, bestünde theoretisch die Möglichkeit, dass ein mechanisches Durchsetzen der Quote lediglich zu einer mehrfachen Besetzung bereits an Gremienarbeit beteiligter Frauen führt.Beispielsweise finden Ahern und Dittmar (2012), a. a. O., dass die Zahl der Mehrfachmandate von Frauen nach der Einführung der Geschlechterquote ansteigt. Daher kann die Einführung der Geschlechterquote eine Erhöhung von Mehrfachmandaten mit sich bringen. Hiermit ist die Gesamtzahl der Posten in Aufsichtsräten und Vorständen gemeint, die eine einzelne Person in allen analysierten Firmen in einem Jahr hält. Frauen, die in Vorstand oder Aufsichtsrat einer an die Geschlechterquote gebundenen Firma sitzen, haben im Durchschnitt 1,4 Mandate. In nicht betroffenen Firmen ist diese Zahl etwas kleiner – 1,2 Mandate pro Frau (Abbildung 4). Sowohl in betroffenen, als auch in nicht betroffenen Firmen sind Mehrfachmandate zum größten Teil durch eine Beteiligung an den Aufsichtsräten anderer Firmen zu erklären. Insgesamt belegen die Ergebnisse, dass die Zahl der Mehrfachmandate sich nach der Einführung der Geschlechterquote nicht geändert hat und kein Problem darstellt.Siehe auch Bozhinov, Koch und Schank (2017), a. a. O.
Männer haben im Durchschnitt mehr Mehrfachmandate als Frauen, die Differenz gleicht sich aber allmählich an. In betroffenen Firmen fiel die durchschnittliche Zahl der Mandate pro Mann von circa 2,2 im Jahr 2008 auf circa 1,6 im Jahr 2016. In nicht betroffenen Firmen fiel diese Zahl von 1,8 im Jahr 2008 auf knapp 1,5 im Jahr 2016. Zusammen mit dem kleiner werdenden Anteil von Männern in Aufsichtsräten führt das zu einer Verringerung des Gesamteinflusses von Männern auf die Aufsichtsräte der großen Firmen.
Nach der Einführung der Geschlechterquote in Aufsichtsräten großer Unternehmen zeigen sich erste Veränderungen. Zum einen steigt der Anteil der Frauen in Aufsichtsräten der betroffenen Firmen. In einem geringeren Ausmaß steigt dieser Anteil auch in nicht betroffenen Firmen. So folgt Deutschland anderen europäischen Ländern mit einer festen Geschlechterquote und wachsenden Frauenanteilen in Aufsichtsräten. Dieser Anstieg erfolgt hauptsächlich auf der Kapitaleignerseite der Aufsichtsräte, die zuvor einen deutlich geringeren Frauenanteil aufgewiesen hat als die Arbeitnehmerseite. Eine weitergehende Wirkung der Geschlechterquote hat sich bis jetzt noch nicht ergeben. Nach der Einführung der Geschlechterquote hat sich weder der Frauenanteil in Vorständen noch die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen den Vorsitz eines Gremiums innehaben, verändert. Eine befürchtete ErhöhungZu potentiellen negativen Konsequenzen der Quote s. beispielsweise Jana Oehmichen, Marc Steffen Rapp und Michael Wolff (2010): Der Einfluss der Aufsichtsratszusammensetzung auf die Präsenz von Frauen in Aufsichtsräten. Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 62 (5), 503–532. der Mehrfachmandate blieb ebenfalls aus.
Insgesamt belegen die ersten empirischen Analysen, dass eine verpflichtende Geschlechterquote in Aufsichtsräten in der kurzen Frist nur eine eingeschränkte Wirkung hat. Dies entspricht jedoch den Erwartungen, da der Mechanismus der Quote per Gesetz langfristig angelegt ist, beispielweise da sie nur bei Neubesetzungen in Aufsichtsräten greift. Allerdings schließt dies eine stärkere Rolle der Geschlechterquote auf allen Hierarchieebenen in der mittleren und langen Frist nicht aus.Norma Schmitt (2015): Zum Potential einer festen Geschlechterquote. DIW Wochenbericht Nr. 40, 887–897 (online verfügbar). Dazu können zwei Mechanismen entscheidend beitragen. Zum einen schafft eine Geschlechterquote mehr Frauen in Spitzenpositionen und somit weibliche Vorbilder, die Stereotypen über Frauen in Führungspositionen entgegenwirken.Astrid Kunze und Amalia R. Miller (2015): Women helping Women? Evidence from Private Sector Data on Workplace Hierarchies. Discussion Paper Series in Economics 15/2015, Norwegian School of Economics, Department of Economics. Zum anderen kann die Quote Frauen auf allen Karrierestufen animieren, stärker in Wettbewerbssituationen zu treten, um Führungsaufgaben zu übernehmen. So kann die Quote langfristig zu einem Wandel in der Unternehmenskultur beitragen. Dieser Wandel bedarf allerdings weiterer pragmatischer Instrumente, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern, beispielsweise flexiblere Arbeitszeiten, Ausbau der Vätermonate bei der Elternzeit und bessere Kindertagesbetreuung. Diese Instrumente sollen beiden Geschlechtern im gleichen Maße zur Verfügung stehen, damit die traditionelle Teilung der Aufgaben im Job und zu Hause weniger geschlechterspezifisch ist. Die Bereitstellung solcher Instrumente liegt sowohl in der Hand der Unternehmen als auch der Politik. Unternehmen sollten ihren Einfluss nutzen, um eine Gleichstellung der Geschlechter stärker zu forcieren und auf einen Wandel ihrer Unternehmenskultur hinzuarbeiten. Die Politik sollte die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, die über die Unternehmenskultur hinausgehen.
Themen: Gender
JEL-Classification: D22;J16;J78;M14
Keywords: corporate boards, board composition, boards of directors, board diversity, gender equality, gender quota, supervisory boards, executive boards
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2018-9-1
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/175445