DIW Wochenbericht 11 / 2019, S. 162-182
Claus Michelsen, Martin Bruns, Marius Clemens, Max Hanisch, Simon Junker, Konstantin Kholodilin, Thore Schlaak
get_appDownload (PDF 409 KB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 2.97 MB)
Die Hochkonjunktur in Deutschland ist vorüber, eine Rezession droht indes nicht: Trotz der jüngst schwächeren Konjunktur dürfte die Wirtschaft in diesem Jahr um 1,0 Prozent wachsen. Eine tragende Säule bleibt der Konsum: Im Jahresdurchschnitt wird die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wohl um knapp eine halbe Million steigen. Die Inflation dämpft mit 1,5 Prozent die Kaufkraft kaum; zusammen mit den finanzpolitischen Einkommensschüben wird dies in einem spürbar steigenden privaten Konsum münden. Die Nachfrage aus dem Ausland entwickelt sich hingegen verhalten – dies liegt einerseits an der konjunkturellen Schwäche Chinas, aber auch daran, dass in vielen wichtigen Absatzmärkten die Industrie an Schwung verliert. Die enormen politischen Risiken werden die Unternehmensinvestitionen dämpfen.
Der kräftige Aufschwung der deutschen Wirtschaft ist vorüber, denn die Weltwirtschaft verliert merklich an Fahrt – und dies trifft die hiesige Wirtschaft in besonderem Maße. Während der Konsum in vielen Ländern nämlich noch robust zulegt, schwächt sich die Nachfrage nach Investitionsgütern weltweit ab. Diese Entwicklung dämpft die deutschen Ausfuhren, die sich überproportional aus dieser Gütergruppe zusammensetzen. Zudem steht Deutschland als Standort für die Automobilindustrie mittelfristig vor strategischen Herausforderungen: Besonders nachgefragte Pkw-Modelle – etwa die vielerorts beliebten SUV – werden teilweise heute schon in anderen Ländern produziert. Bereits im vergangenen halben Jahr war es vor allem die Kfz-Industrie, die mit deutlichen Produktionsrückgängen die deutsche Wirtschaft insgesamt gebremst hatte. Hierzu hatten jedoch nicht zuletzt Probleme mit dem neuen Zertifizierungsverfahren WLTP beigetragen (Kasten 1): Diese sind wohl mittlerweile gelöst und die deswegen ausgebliebene Produktion dürfte zumindest zum Teil nachgeholt werden. Anzeichen einer Erholung gibt es seit Ende vergangenen Jahres, Nachholeffekte dürften sich jedoch erst ab Frühjahr deutlicher bemerkbar machen (Tabelle 1 ); zum Jahresauftakt war die Produktion in der Industrie erneut rückläufig. Deswegen wird der Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt auch im ersten Quartal schwach ausfallen (Abbildung 1). Trotz kräftigerer Raten im weiteren Verlauf (Tabelle 2) – für diese sprechen auch die hohen Auftragsbestände in der Industrie (Abbildung 2) – wird die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr nur um 1,0 Prozent wachsen (Abbildung 3). Im kommenden Jahr dürfte das Wachstum mit 1,8 Prozent kräftiger ausfallen (Tabelle 3), wenngleich der Zuwachs ohne die gut dreieinhalb zusätzlichen Arbeitstage nur 1,4 Prozent betragen würde. Im Zuge der schwächeren Wachstumsraten normalisiert sich die im vergangenen Jahr noch hohe gesamtwirtschaftliche Kapazitätsauslastung (Abbildung 4).
2018 | 2019 | 20174) | 20184) | 20194) | 20204) | |||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
I | II | III | IV | I | II | III | IV | |||||
Bruttoinlandsprodukt1) | 0,2 | 0,6 | 0,5 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 2,2 | 1,4 | 1,0 | 1,8 |
Effekt der Nettogütersteuern | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 |
Bruttowertschöpfung2) | ||||||||||||
insgesamt | 0,2 | 0,6 | 0,5 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 2,2 | 1,4 | 1,0 | 1,8 |
Verarb. Gewerbe | −0,5 | 1,3 | 0,8 | 0,5 | 0,5 | 0,5 | 0,5 | 0,5 | 2,7 | 1,0 | −0,2 | 3,2 |
Baugewerbe | 0,2 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 2,4 | 3,0 | 3,2 | 2,5 |
Handel, Gastgew., Verkehr | 0,7 | 0,9 | 0,7 | 0,5 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 3,4 | 2,1 | 2,1 | 2,4 |
Unternehmensdienstleister | 0,1 | 0,9 | 0,8 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 2,6 | 1,7 | 0,9 | 1,9 |
Öff. Dienstl., Erziehung, Gesundheit | 0,2 | 0,2 | 0,2 | 0,2 | 0,2 | 0,2 | 0,2 | 0,2 | 1,4 | 1,4 | 1,1 | 0,8 |
Erwerbstätige3) | ||||||||||||
insgesamt | 139 | 75 | 76 | 61 | 60 | 60 | 60 | 60 | 627 | 569 | 404 | 253 |
Prod. Gewerbe (o. Bau) | 41 | 16 | 14 | 12 | 11 | 11 | 11 | 11 | 89 | 139 | 108 | 48 |
Baugewerbe | 18 | 10 | 8 | 5 | 5 | 5 | 5 | 5 | 38 | 40 | 44 | 23 |
Handel, Gastgew., Verkehr | 29 | 13 | 12 | 12 | 15 | 15 | 15 | 15 | 107 | 101 | 67 | 55 |
Unternehmensdienstleister | 10 | 10 | 12 | 12 | 12 | 12 | 12 | 12 | 142 | 57 | 14 | 48 |
Öff. Dienstl., Erziehung, Gesundheit | 34 | 20 | 25 | 16 | 14 | 14 | 14 | 14 | 201 | 187 | 131 | 63 |
1 Änderung des preis-, kalender- und saisonbereinigten Bruttoinlandsprodukts im Vergleich zum Vorquartal in Prozent.
2 Bruttowertschöpfung: insgesamt - preis-, kalender- und saisonbereinigtene Änderung im Vergleich zum Vorquartal in Prozent.
3 Änderung der saisonbereinigten Zahl der Erwerbspersonen im Vergleich zum Vorquartal in Tausend.
4 Jahre: Änderungen (Wirtschaftsbereiche: Wachstumsbeiträge) gegenüber Vorjahr, basierend auf Ursprungswerten; Erwerbstätige - absolute Änderung in Tausend (Jahresmittel).
Quelle: DIW Frühjahrsgrundlinien 2019; Prognose ab dem ersten Quartal 2019.
Saison- und kalenderbereinigte Veränderung gegenüber dem Vorquartal in Prozent
2018 | 2019 | 2020 | ||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
I | II | III | IV | I | II | III | IV | I | II | III | IV | |
Privater Verbrauch | 0,4 | 0,2 | −0,3 | 0,2 | 0,5 | 0,7 | 0,5 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 |
Öffentliche Konsumausgaben | −0,4 | 0,8 | −0,3 | 1,6 | 0,3 | 0,5 | 0,4 | 0,4 | 0,6 | 0,5 | 0,3 | 0,3 |
Bruttoanlageinvestitionen | 1,0 | 0,6 | 0,4 | 0,9 | 0,7 | 0,8 | 0,7 | 0,7 | 0,6 | 0,6 | 0,6 | 0,6 |
Ausrüstungen | 2,2 | 0,3 | 0,0 | 0,7 | 0,7 | 1,3 | 1,0 | 0,9 | 0,8 | 0,8 | 0,8 | 0,8 |
Bauten | 0,8 | 0,9 | 0,7 | 1,3 | 0,7 | 0,6 | 0,6 | 0,6 | 0,5 | 0,5 | 0,5 | 0,5 |
Sonstige Investitionen | −0,5 | 0,3 | 0,2 | 0,5 | 0,7 | 0,7 | 0,6 | 0,6 | 0,6 | 0,6 | 0,6 | 0,6 |
Lagerveränderung1 | 0,0 | 0,3 | 0,8 | −0,6 | −0,1 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 |
Inländische Verwendung | 0,4 | 0,7 | 0,8 | 0,0 | 0,4 | 0,7 | 0,5 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,4 |
Außenbeitrag1 | 0,0 | −0,2 | −0,9 | 0,0 | −0,2 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | −0,1 | −0,1 | −0,1 | −0,1 |
Export | −0,2 | 0,8 | −0,9 | 0,7 | 0,5 | 0,9 | 0,8 | 0,6 | 0,5 | 0,5 | 0,5 | 0,5 |
Import | −0,3 | 1,5 | 1,3 | 0,7 | 1,2 | 1,0 | 0,9 | 0,8 | 0,7 | 0,7 | 0,7 | 0,7 |
Bruttoinlandsprodukt | 0,4 | 0,5 | −0,2 | 0,0 | 0,2 | 0,6 | 0,5 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 |
1 Wachstumsbeitrag in Prozentpunkten.
Quelle: Statistisches Bundesamt; DIW Frühjahrsgrundlinien 2019; Prognose ab dem ersten Quartal 2019.
2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | |
---|---|---|---|---|---|---|
Reales Bruttoinlandsprodukt1 (Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent) | 1,7 | 2,2 | 2,2 | 1,4 | 1,0 | 1,8 |
Erwerbstätige im Inland (1000 Personen) | 43071 | 43642 | 44269 | 44838 | 45242 | 45494 |
Erwerbslose, ILO | 1949 | 1775 | 1621 | 1472 | 1321 | 1180 |
Arbeitslose, BA | 2795 | 2691 | 2533 | 2340 | 2171 | 2044 |
Erwerbslosenquote, ILO2 | 4,6 | 4,1 | 3,8 | 3,4 | 3,0 | 2,7 |
Arbeitslosenquote, BA2 | 6,4 | 6,1 | 5,7 | 5,2 | 4,8 | 4,5 |
Verbraucherpreise3 | 0,5 | 0,5 | 1,5 | 1,8 | 1,5 | 1,7 |
Lohnstückkosten4 | 1,8 | 1,2 | 1,5 | 2,6 | 3,2 | 1,4 |
Finanzierungssaldo des Staates5 | ||||||
in Mrd. Euro | 23,9 | 28,7 | 34,0 | 58,0 | 42,9 | 37,1 |
in Prozent des BIP | 0,8 | 0,9 | 1,0 | 1,7 | 1,2 | 1,0 |
Leistungsbilanzsaldo in Prozent des BIP | 8,9 | 8,5 | 8,0 | 7,4 | 6,6 | 6,5 |
1 In Preisen des Vorjahres.
2 Bezogen auf die inländischen Erwerbspersonen insgesamt (ILO) bzw. zivilen Erwerbspersonen (BA).
3 Verbraucherpreisindex.
4 Im Inland entstandene Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmerstunde bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt in Preisen des Vorjahres je Erwerbstätigenstunde.
5 In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG).
Quellen: Angaben nationaler und internationaler Institutionen; DIW Frühjahrsgrundlinien 2019; Prognose ab dem Jahr 2019.
Die Produktion in der Kfz-Industrie wurde im vergangenen Sommer aufgrund fehlender WLTP-Zertifikate gedrosselt. Zunächst sanken die Auftragszahlen (Abbildung 1): Dies hat möglicherweise daran gelegen, dass die Hersteller keine Aufträge mehr angenommen haben. Es wurde nämlich zusehends absehbar, dass sie die bestellten Fahrzeuge nicht mehr rechtzeitig vor Inkrafttreten der WLTP-Richtlinie ausliefern konnten. Ab Juli sanken die Umsätze und die Produktion wurde zurückgefahren. Im Verlauf des Herbstes dürfte der Zertifizierungsprozess für wichtige Modellklassen nach und nach durchlaufen worden sein; die Zahl der Neubestellungen ist ab Oktober in die Höhe geschnellt. Auch wenn es jüngst einen Rücksetzer gab: Ab Dezember wurde auch die Produktion wieder ausgeweitet, stärker stiegen noch die Umsätze – wohl, weil zunächst die Lagerbestände reduziert wurden. Im gesamten Zeitraum nahmen die Auftragsbestände zu; dies spricht für produktionsseitige Probleme und gegen einen Nachfragemangel. Dies zeigt sich auch daran, dass vor allem die Kfz-Exporte in die EU rückläufig waren, die von den fehlenden Zertifikaten betroffen waren, und weniger die Fahrzeugausfuhren in den Rest der Welt oder die übrigen Exporte in die EU (Abbildung 2). Im Februar hat sich zudem auch die vom ifo-Institut erhobene Unternehmenseinschätzung zur Produktion in der Automobilindustrie merklich aufgehellt und die vom Verband der Automobilindustrie erfasste Zahl an produzierten Pkw ist saisonbereinigt deutlich gestiegen, was eine Fortsetzung der Erholung signalisiert.
Die deutschen Exporte werden alles in allem moderat steigen: So setzt sich etwa in den USA der Aufwärtstrend mit vermindertem Tempo fort und in China, wo die Wirtschaft zuletzt geschwächelt hatte, dürften ab Mitte des Jahres 2019 allmählich geld- und nicht zuletzt finanzpolitische Stimuli wirken. Auch die Wirtschaft des übrigen Euroraums wird mit etwas geringerem Tempo zulegen als zuvor.
Vor allem der heimische Konsum steigt spürbar: Der anhaltende Beschäftigungsaufbau und die Lohnzuwächse schieben die Einkommen an: Im Jahresdurchschnitt 2019 steigt die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um 470 000, im kommenden Jahr um 280 000. Die Löhne steigen auf Monatsbasis pro Jahr um etwa drei Prozent. Auch die Teuerung entwickelt sich aus Verbrauchersicht günstig: In diesem Jahr dürfte sie bei 1,5 Prozent liegen und damit die Kaufkraft vergleichsweise wenig belasten; im kommenden Jahr steigt sie etwas, auf dann 1,7 Prozent. Hinzu kommt ein Einkommensschub bei den privaten Haushalten als Folge gesetzlicher Neuregelungen. Insbesondere die nun wieder paritätische Finanzierung der Krankenkassenbeiträge beschert den abhängig Beschäftigten seit Jahresbeginn 2019 ein merkliches Plus beim Nettoeinkommen. Auch der Staat weitet seinen Konsum deutlich aus.
Die Unternehmensinvestitionen steigen hingegen nur verhalten: Angesichts der derzeit hohen Risiken dürften die Unternehmen ihre Produktionskapazitäten nur vorsichtig ausweiten. Die Investitionen im Wohnungsbau, wie auch im öffentlichen Bau, entwickeln sich indes weiter dynamisch.
Die Risiken und die Unwägbarkeiten für die vorliegende Prognose sind derzeit hoch: Der Ausgang der Verhandlungen zum Brexit ist noch völlig unklar, mittlerweile scheint auch ein ungeregelter Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union nicht völlig ausgeschlossen. Der Handelskonflikt der EU mit den USA schwelt weiter und es ist nicht auszuschließen, dass die Vereinigten Staaten Zölle auf aus der EU importierte Fahrzeuge erhöhen. Auch kann das Nachholen vorübergehender Produktionsausfälle nur zu einem geringen Teil oder gar nicht erfolgen, etwa dann, wenn sich die globale Nachfrage deutlicher als erwartet abschwächt. Letzteres ist auch ein Risikofaktor: So hat sich zumindest die Stimmung in vielen Ländern zuletzt überraschend deutlich eingetrübt.
Die Inflation hat zuletzt nachgegeben: Im Februar lag sie mit 1,6 Prozent deutlich niedriger als noch im Herbst. Im gesamten Jahr 2019 dürfte sie mit 1,5 Prozent auch geringer sein als im vergangenen Jahr, und im kommenden Jahr etwas anziehen, auf 1,7 Prozent.Das 68-Prozent-Konfidenzintervall, das sich aus den Prognosefehlern der vergangenen fünf Jahre ergibt, liegt dieses Jahr – gerundet auf eine Nachkommastelle – zwischen 1,4 Prozent und 1,6 Prozent; für das kommende Jahr liegt es zwischen 1,4 Prozent und 2,1 Prozent.
Ein Faktor für die gesunkene Inflationsrate sind die rückläufigen Energiepreise – in Euro gerechnet ist der Brent-Ölpreis seit Oktober um ein Fünftel gesunken. Im Durchschnitt des vergangenen Jahres hatte sich Rohöl noch um ein Viertel verteuert und damit die Inflation insgesamt um knapp ein halbes Prozent nach oben getrieben. Nach den Rückgängen der vergangenen Monate verharren die Rohöl-Notierungen annahmegemäß (Tabelle 4) in etwa auf dem derzeitigen Niveau, was im jahresdurchschnittlichen Vergleich zu rund acht Prozent niedrigeren Ölpreisen führen wird; im kommenden Jahr ergeben sich nahezu keine Änderungen. Damit tragen auch die Energiepreise insgesamt – abgesehen von teils durch die EEG-Umlage bedingten Strompreisanstiegen – kaum zum Preisauftrieb bei, anders als noch im Winter erwartet.
2018 | 2019 | 2020 | ||
---|---|---|---|---|
EZB-Leitzins | 0,0 | 0,0 | 0,13 | |
Geldmarktzins | EURIBOR-Dreimonatsgeld in Prozent | −0,23 | −0,29 | −0,24 |
Kapitalmarktzins | Rendite für Staatsanleihen im Euroraum mit 10-jähriger Restlaufzeit | 1,12 | −1,31 | 1,36 |
Kapitalmarktzins | Rendite für Staatsanleihen in Deutschland mit 10-jähriger Restlaufzeit | 0,46 | 0,26 | 0,44 |
Wechselkurs | US-Dollar/Euro | 1,18 | 1,13 | 1,13 |
Erdölpreis | US-Dollar/Barrel | 71,5 | 63,5 | 63,8 |
Erdölpreis | Euro/Barrel | 60,6 | 56,0 | 56,2 |
Quelle: DIW Frühjahrsgrundlinien 2019.
Aber auch die Teuerungsrate ohne die Preise für Energie und Nahrungsmittel, die sogenannte Kernrate, dürfte geringer ausfallen als zuletzt prognostiziert. Dies liegt vor allem an der Revision des Verbraucherpreisindex durch das Statistische Bundesamt – aufgrund der Aktualisierung des Wägungsschemas fällt die Kerninflation ab 2016 (weiter zurückliegende Daten liegen nicht vor) fast durchweg ein bis zwei Zehntel niedriger aus als bisher ausgewiesen. Hinzu kommt, dass durch die mittlerweile deutlich gesunkenen Ölpreise für die Unternehmen auch ein Kostentreiber wegfällt, der ansonsten zu einer höheren Teuerung beigetragen hätte. Angesichts der zusätzlichen Konsumimpulse in diesem Jahr und der zunehmend kräftigen Lohnzuwächse dürfte die Kerninflation aber im Verlauf der nächsten zwei Jahre etwas anziehen. Nach 1,3 Prozent im vergangenen Jahr dürfte die Kernrate in diesem Jahr 1,7 Prozent betragen, im kommenden 1,9 Prozent.
Der Beschäftigungsaufbau hat sich, zuletzt beschleunigt, fortgesetzt. Rückgänge bei der Zahl der Selbständigen und geringfügig Beschäftigter wurden vom Aufbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung in nahezu allen Wirtschaftszweigen überkompensiert. Bei der Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit) wird die Beschäftigung dagegen seit Jahresbeginn 2018 deutlich reduziert. Ähnlich wie etwa im Jahr 2013 könnte dies zunächst als Ausdruck einer wirtschaftlichen Eintrübung interpretiert werden, denn Unternehmen nutzen diese Beschäftigungsform in der Regel, um in Zeiten konjunktureller Schwankungen ihre Belegschaften flexibel anzupassen. Allerdings hat infolge der Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes aus dem Jahr 2017 die Leiharbeit für viele Unternehmen an Attraktivität eingebüßt. Dafür spricht, dass spiegelbildlich zum Rückgang der Leiharbeit ab dem Winter 2017 insbesondere das verarbeitende Gewerbe eine deutlich höhere Dynamik beim Aufbau der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung aufweist (Abbildung 5). Die Arbeitslosigkeit sank – getrieben von der abnehmenden Arbeitslosenzahl im Rechtskreis des zweiten Sozialgesetzbuches – im vierten Quartal 2018 etwas stärker als noch im Vorquartal.
Für das laufende Quartal deuten vorliegende Monatswerte auf einen kräftigen Beschäftigungsaufbau – um gut 150 000 Personen – hin. Frühindikatoren signalisieren eine Fortsetzung des Beschäftigungsaufbaus: So liegt etwa der Zugang von nichtarbeitslosen Arbeitssuchenden aus Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt (dies sind im Normalfall Personen, deren Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis innerhalb der nächsten drei Monate endet) weiterhin auf sehr geringem Niveau. Darüber hinaus sind der Zugang von Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen und -Empfängern sowie deren Bestand zuletzt leicht gesunken.
Die Arbeitszeit je Arbeitnehmerin beziehungsweise Arbeitnehmer dürfte, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe und in den konsumnahen Dienstleistungsbereichen, vorübergehend deutlich ausgeweitet werden, da Nachfrageschüben im Sommerhalbjahr zum Teil durch Mehrarbeit begegnet wird. Der Beschäftigungsaufbau wird mit dem sich im Trend abschwächenden Produktionswachstum im weiteren Verlauf jedoch an Schwung verlieren (Abbildung 6). Im jahresdurchschnittlichen Vergleich nimmt die Zahl der Erwerbstätigen in diesem Jahr um rund 400000 Personen zu, im kommenden Jahr um rund 250 000 Personen.
Die Arbeitslosigkeit dürfte weiter abgebaut werden, denn die Nachfrage nach Arbeitskräften ist unvermindert hoch, wie sich etwa am Bestand unbesetzter Stellen sowie an dem Stellenindex der Bundesagentur für Arbeit ablesen lässt. Die Arbeitslosigkeit sinkt auch deswegen, weil die Arbeitsnachfrage nicht allein durch Migrationsgewinne und eine zunehmende Partizipation der heimischen Bevölkerung am Erwerbsleben gedeckt werden kann. In diesem und im kommenden Jahr machen sich weiterhin demografische Entwicklungen bemerkbar: Stark besetzte Alterskohorten erreichen das Rentenalter und der Trend zum Studium verlängert die Ausbildungszeit der nachwachsenden Generation. Die Zahl der Arbeitslosen beläuft sich in diesem Jahr auf voraussichtlich 2,3 Millionen, im kommenden Jahr auf 2,1 Millionen; dies entspricht Arbeitslosenquoten von 4,8 beziehungsweise 4,5 Prozent (Tabelle 6).Das 68-Prozent-Konfidenzintervall, das sich aus den Prognosefehlern der vergangenen fünf Jahre ergibt, liegt dieses Jahr – gerundet auf eine Nachkommastelle – bei 4,8 Prozent; für das kommende Jahr liegt es zwischen 4,2 Prozent und 4,8 Prozent.
In Millionen Personen
2014 | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Erwerbstätige im Inland | 42,67 | 43,07 | 43,64 | 44,27 | 44,84 | 45,24 | 45,49 |
Selbständige und mithelfende Familienangehörige | 4,41 | 4,36 | 4,33 | 4,31 | 4,22 | 4,20 | 4,18 |
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte1 | 30,22 | 30,86 | 31,54 | 32,27 | 33,00 | 33,44 | 33,73 |
BeamtInnen, RichterInnen, Zeit- und BerufssoldatInnen | 1,85 | 1,84 | 1,84 | 1,84 | 1,84 | 1,84 | 1,84 |
Ausschließlich geringfügig Beschäftigte (Minijobber) | 5,03 | 4,85 | 4,80 | 4,74 | 4,67 | 4,65 | 4,63 |
Sonstige | 1,16 | 1,17 | 1,13 | 1,11 | 1,11 | 1,11 | 1,11 |
+/− Pendler, Beschäftigtigte in staatlichen Einrichtungen des Auslandes bzw. im Ausland etc. | −0,06 | −0,08 | −0,09 | −0,11 | −0,12 | −0,12 | −0,12 |
Erwerbstätige Inländer | 42,61 | 42,99 | 43,55 | 44,16 | 44,71 | 45,12 | 45,37 |
Erwerbslose | 2,09 | 1,95 | 1,78 | 1,62 | 1,47 | 1,32 | 1,18 |
Erwerbspersonen | 44,70 | 44,94 | 45,32 | 45,78 | 46,19 | 46,44 | 46,55 |
Nachrichtlich: | |||||||
Arbeitslose | 2,90 | 2,79 | 2,69 | 2,53 | 2,34 | 2,17 | 2,04 |
Arbeitslosenquote BA1 (Prozent) | 6,7 | 6,4 | 6,1 | 5,7 | 5,2 | 4,8 | 4,5 |
Arbeitslosenquote SGB2 (Prozent) | 8,8 | 8,3 | 7,9 | 7,3 | 6,6 | 6,1 | 5,7 |
Erwerbslosenquote VGR3 (Prozent) | 4,7 | 4,3 | 3,9 | 3,5 | 3,2 | 2,8 | 2,5 |
Erwerbslosenquote ILO-Statistik (Prozent) | 5,0 | 4,6 | 4,1 | 3,8 | 3,4 | 3,0 | 2,7 |
Erwerbstätige am Wohnort nach ILO | 39,74 | 40,06 | 41,11 | 41,49 | 41,83 | 42,37 | 42,62 |
1 Registrierte Arbeitslose bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen.
2 Registrierte Arbeitslose bezogen auf die Summe von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und registrierten Arbeitslosen.
3 Erwerbslose bezogen auf die Summe der Erwerbstätigen nach VGR und der Erwerbslosen.
Quellen: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; DIW Frühjahrsgrundlinien 2019.
Die Tariflohnentwicklung (inklusive Sonderzahlungen) schwächt sich ab: In diesem Jahr ist der tarifliche Anstieg mit rund 2,1 Prozent geringer als noch im vergangenen Jahr (Tabelle 5); hierbei ist bereits berücksichtigt, dass sich der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst der Länder günstig für die abhängig Beschäftigten auswirkt. Betrachtet man ausschließlich die verhandelte Tariflohnsteigerung um 3,2 Prozent, die für alle Landesbeschäftigten gilt, liegt der Abschluss rund acht Zehntel-Prozentpunkte über den bisher erzielten durchschnittlichen Tariferhöhungen des laufenden Jahres in der Gesamtwirtschaft.Für die Jahre 2019 und 2020 liegen bereits für rund 70 beziehungsweise 30 Prozent der Beschäftigten (in tarifgebundenen Unternehmen) gültige Tarifvereinbarungen vor. Auslaufende Tarifverträge werden im Normalfall nicht nahtlos verlängert. Deswegen liegt der Anteil der ArbeitnehmerInnen mit gültigen Tarifverträgen durchschnittlich bei 83 Prozent. In den kommenden Tarifverhandlungen dürften die Arbeitgeber geltend machen, dass sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit der Wiederherstellung der Parität bei den Beiträgen zur gesetzlichen Krankversicherung bereits zusätzliche Nettoeinkommen finanzieren.
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent
2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | |
---|---|---|---|---|---|
Verdienst | |||||
je ArbeitnehmerIn | 2,4 | 2,5 | 3,2 | 3,2 | 2,9 |
je Stunde | 2,8 | 2,4 | 2,7 | 2,7 | 2,2 |
Tariflohn | |||||
je Monat/Stunde (ohne Sonderzahlungen) | 2,1 | 2,9 | 2,6 | 2,4 | 2,0 |
je Monat/Stunde (inkl. Sonderzahlungen) | 2,1 | 2,5 | 2,9 | 2,1 | 2,0 |
Lohndrift (ohne Sonderzahlungen) | |||||
Monat | 0,4 | −0,3 | 0,6 | 0,8 | 0,8 |
Stunde | 0,7 | −0,4 | 0,1 | 0,2 | 0,2 |
Lohndrift (inkl. Sonderzahlungen) | |||||
Monat | 0,3 | 0,0 | 0,3 | 1,1 | 0,9 |
Stunde | 0,7 | −0,1 | −0,2 | 0,6 | 0,2 |
Durchschnittliche Arbeitszeit | −0,9 | 1,0 | 0,4 | 0,6 | −1,0 |
Quellen: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; DIW Frühjahrsgrundlinien 2019.
Die effektiv gezahlten Monatslöhne dürften im Zuge der anhaltenden Beschäftigungsgewinne aber kräftig zulegen, im Jahresdurchschnitt 2019 um 3,2 Prozent. Im kommenden Jahr entspannen sich die Knappheitsverhältnisse am Arbeitsmarkt etwas und die Löhne legen mit 2,9 Prozent geringfügig schwächer zu. Hier macht sich auch bemerkbar, dass sich die Struktur der Beschäftigung zu qualifizierten und hochqualifizierten Tätigkeiten verschiebt. Aufgrund der moderaten Teuerung entspricht dies spürbaren Reallohnzuwächsen – in diesem Jahr um 1,7 Prozent, im kommenden Jahr um 1,1 Prozent.
Der private Verbrauch war im vergangenen halben Jahr rückläufig. Ein Grund ist wohl, dass viele potentielle Autokäuferinnen und Autokäufer aufgrund von Zulassungsproblemen auf Seiten der Hersteller ihre Käufe aufschieben mussten. Das verfügbare Budget wurde auch anderweitig nicht ausgegeben, sondern gespart. Schon im Dezember (neuere Daten liegen noch nicht vor) sind die Umsätze im Kfz-Einzelhandel merklich gestiegen; im Januar verzeichnete auch der übrige Einzelhandel einen deutlichen Umsatzanstieg. Letzteres dürfte auch mit dem Einkommensschub zusammenhängen, der den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufgrund rechtlicher Änderungen ab Jahresbeginn zufließt. Vor allem die Umstellung auf die paritätische Finanzierung des Zusatzbeitrags zur Krankenversicherung schlägt hier zu Buche. Maßgeblich für die merklichen Einkommenszuwächse bleibt aber die anhaltend dynamische Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt.
Im laufenden Jahr dürften die Bruttolöhne und -gehälter in der Summe um 4,4 Prozent steigen. Da der Beschäftigungsaufbau etwas Schwung verliert und auch die Lohnzuwächse leicht nachgeben, fällt die Rate im kommenden Jahr mit 3,6 Prozent geringer aus. Netto fällt der Anstieg in diesem Jahr sogar höher aus als brutto; dies liegt maßgeblich daran, dass die Arbeitgeber mit der paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung nun einen zusätzlichen Teil der Sozialbeiträge übernehmen. Hinzu kommen kräftig steigende Sozialleistungen; dieses Jahr wirkt sich die Ausweitung der Mütterrente aus. Die Vermögenseinkommen der Haushalte dürften, auch mit Blick auf die Aktienmarktentwicklung im letzten halben Jahr, im Jahresdurchschnitt 2019 kaum steigen. Auch die Entnahmen werden sich wohl verhalten entwickeln; hier wirken sich die konjunkturelle Abkühlung und die im Rahmen der paritätischen Finanzierung steigenden Kosten aus. Für das kommende Jahr ist an dieser Stelle wieder eine insgesamt höhere Dynamik zu erwarten. Alles in allem werden die verfügbaren Einkommen um 3,4 Prozent in diesem Jahr und um 3,0 Prozent im Jahr 2020 steigen. Zudem ist zuletzt die Sparquote deutlich gestiegen. Auch wenn die Ausgaben für später als ursprünglich geplante Kfz-Käufe aus den zuvor gesparten Einkommen bestritten werden, bleibt die Quote im Jahresdurchschnitt wohl höher als im vergangenen Jahr.
Nach einem schwachen dritten Quartal hat die Investitionstätigkeit im vierten Quartal wieder zugelegt (Abbildung 7). Die Unternehmen haben hierbei die deutlich gedämpfte Investitionsbereitschaft des Staates mehr als kompensiert. Die Investitionen dürften im weiteren Verlauf diesen Aufwärtstrend fortsetzen, zumal die Geldpolitik weniger restriktiv ausgerichtet sein wird als bislang angekündigt. Insgesamt werden die Zuwächse jedoch verhalten bleiben, denn die Kapazitätsauslastung ist mittlerweile deutlich gesunken und angesichts vielschichtiger Risiken – die sich etwa in erhöhten Werten globaler UnsicherheitsmaßeVgl. Economic Policy Uncertainty: Economic Policy Uncertainty Index (online verfügbar; abgerufen am 11. März 2019. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). widerspiegeln – disponieren die Unternehmen vorsichtig. Bei alldem wird aber unterstellt, dass die unmittelbaren Risiken nicht eintreten, es also nicht zu einem ungeregelten Brexit kommt und die USA vorerst keine Erhöhung der Zölle auf Kfz beschließen; die Unsicherheit über den Fortgang beider Entwicklungen bleibt aber bestehen. Im Verlauf dieses Jahres dürften zudem diejenigen Unternehmen ihren Fuhrpark ausweiten, die dies im vergangenen Jahr aufgrund der seitens der Hersteller fehlenden Zertifizierungen noch aufschieben mussten.
Die Bauinvestitionen haben auch im vierten Quartal kräftig zugelegt. Zwar haben die deutlich rückläufigen staatlichen Bauinvestitionen dämpfend gewirkt; der Wohnungsbau, insbesondere aber der gewerbliche Bau expandierten jedoch stark. Die dynamische Baukonjunktur wird im Prognosezeitraum angesichts prall gefüllter Auftragsbücher wohl noch weiter anhalten, auch wenn sich die Stimmung der Bauunternehmen leicht eingetrübt hat.
Die Wohnungsbauinvestitionen entwickeln sich weiterhin rege (Tabelle 7), gestützt durch anhaltend niedrige, zum Jahresende sogar leicht gesunkene Zinsen auf neu vergebene Wohnungsbaukredite und die kräftig steigenden Einkommen der privaten Haushalte. Einzig zum Jahresbeginn kam es zu witterungsbedingten Beeinträchtigungen (Abbildung 8). Im weiteren Verlauf ist mit einer ähnlichen Entwicklung zu rechnen. Leicht eingetrübte Erwartungen bezüglich der Geschäftslage seitens der Bauunternehmen sowie weniger günstige Finanzierungskonditionen deuten auf eine geringe Verlangsamung hin. Der Anteil an Firmen, die einen Materialmangel beklagen, ist hingegen zuletzt leicht gesunken. Die zunehmende Auslastung auf dem Arbeitsmarkt und die damit verbundenen Schwierigkeiten, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden, wirken allerdings dämpfend.
Konstante Preise, Veränderung in Prozent
2017 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 | 2020 | |
---|---|---|---|---|---|---|
Anteile in Prozent | Veränderungen gegenüber dem Vorjahr | |||||
Wohnungsbau | 60,8 | 5,0 | 3,0 | 2,9 | 3,2 | 3,3 |
Nichtwohnungsbau | 39,2 | 2,0 | 2,9 | 1,6 | 3,0 | 2,9 |
Gewerblicher Bau | 27,2 | 1,3 | 3,1 | 0,5 | 3,0 | 2,8 |
Öffentlicher Bau | 11,9 | 3,9 | 2,4 | 4,4 | 3,1 | 2,9 |
Bauinvestitionen | 100,0 | 3,8 | 2,9 | 2,4 | 3,2 | 3,1 |
Ausrüstungen | 2,3 | 3,7 | 4,2 | 3,0 | 4,7 |
Quelle: Statistisches Bundesamt, DIW Frühjahrsgrundlinien 2019.
Der Wirtschaftsbau dürfte, nach einem außergewöhnlich starken vierten Quartal 2018, ähnlich wie die Ausrüstungsinvestitionen nur verhalten expandieren. Das Tempo wird sich wohl weiter verlangsamen. Hierauf deutet die leicht rückläufige Anzahl an Baugenehmigungen sowohl bei den Büro- und Verwaltungsgebäuden als auch bei den Handels- und Lagergebäuden hin. Die öffentlichen Auftraggeber haben angekündigt, ihre Bauaktivitäten auszuweiten. Der Koalitionsvertrag sieht investive Maßnahmen vor, unter anderem beim Neu- und Ausbau von Kindertagesstätten sowie der Wohnungsbauförderung. Daher ist zu erwarten, dass der öffentliche Bau auch im weiteren Prognoseverlauf kräftig zulegt.
Die Baupreise dürften weiterhin mit hohem Tempo steigen. Dafür sprechen die Kosten für Material und die durch zunehmende Knappheiten getriebenen Arbeitskosten. Etwas entlasten dürften die zuletzt geringeren Energiepreise.
Die Impulse von der Auslandsnachfrage fallen etwas schwächer aus: Zwar entwickeln sich die Importe der meisten Abnehmerländer mit nur etwas geringeren Raten als zuvor, hiervon profitieren die deutschen Exporteure jedoch nur unterdurchschnittlich: Denn der Welthandel wird zunehmend durch die vielerorts robusten Konsumzuwächse getragen, die für die deutsche Exportwirtschaft bedeutsameren Investitionsgüter werden dagegen nur verhalten nachgefragt. Dies hängt zum Teil auch damit zusammen, dass die Unsicherheit aufgrund der schwelenden Handelskonflikte der USA mit China und der EU sowie der bevorstehende Brexit (Kasten 3) die globale Investitionsdynamik belasten. Allerdings dürften die zuletzt ausgebliebenen Kfz-Ausfuhren in die übrigen EU-Länder teilweise nachgeholt werden: Die Nachfrage nach deutschen Fahrzeugen ist nach wie vor hoch – nur aufgrund vorübergehend fehlender Zertifikate wurden die Exporte aufgeschoben.
Die Ausgestaltung der zukünftigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich ist weiterhin unklar. So liegen auch nach der am 12. März getroffenen Entscheidung des britischen Parlaments, das mit der EU ausgehandelte Abkommen erneut abzulehnen, verschiedene Optionen auf dem Tisch (Stand 13. März, 15 Uhr): Ein Austritt Ende März ohne Abkommen, ein Austritt zu einem späteren Zeitpunkt mit oder ohne nachverhandeltem Abkommen oder gar eine erneute Abstimmung über den Brexit.Für ein zweites Referendum zeichnet sich jedoch trotz der zuletzt seitens des Oppositionsführers vage angekündigten Unterstützung bisher keine breite Mehrheit ab.
Als wahrscheinlich gilt, dass das britische Unterhaus am 14. März für eine Verschiebung des Brexit-Termins stimmen wird, wodurch weitere Spielräume für Verhandlungen eröffnet würden. An deren Ende soll dann ein für alle Verhandlungsseiten akzeptables Abkommen stehen. Eine solche Vereinbarung dürfte in jedem Fall eine mindestens zweijährige Übergangsphase im Anschluss an den EU-Austritt vorsehen. Somit bliebe die der Prognose zugrundeliegende Annahme unveränderter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen auch im Falle einer Verschiebung des Austrittstermins – vorausgesetzt, dass es dann zu einer Einigung bis zum neuen Austrittstermin kommt – bestehen.
Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Vereinigte Königreich die Europäische Union auch zu einem späteren Zeitpunkt ohne Austrittsabkommen verlässt. Ein solcher „harter“ Brexit würde die wirtschaftliche Entwicklung im Vereinigten Königreich vermutlich massiv beeinträchtigen. Dies dürfte sich auch auf den deutschen Außenhandel auswirken, da insbesondere der Güterverkehr von den dann in Kraft tretenden verschärften Zollbestimmungen und Verzögerungen beim Grenzübertritt betroffen wäre. Im Folgenden wird untersucht, wie stark ein Rückgang der Exporte ins Vereinigte Königreich im Zuge eines Austritt ohne Handelsabkommen die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland direkt beeinträchtigen würde.Neben dem hier betrachteten Exportkanal dürfte ein harter Brexit die deutsche Wirtschaft auch auf andere Weise beeinträchtigen. So könnte ein Rückgang der Importe, etwa von Vor-und Zwischenprodukten, die Produktion belasten. Auch die mit dem Ausscheiden aus dem Binnenmarkt mögliche Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zwischen beiden Wirtschaftsräumen stellt ein Risiko für die deutsche Wirtschaft dar. Allerdings sollen nach jüngstem Verhandlungsstand die im derzeit vorliegenden Abkommen vereinbarten Rechte für EU-BürgerInnen in Großbritannien auch im Falle eines Austritts ohne Abkommen gelten.
Hierbei wird unterstellt, dass ein harter Brexit einen Rückgang der britischen Importe von etwa sechs Prozent in diesem und neun Prozent im kommenden Jahr nach sich ziehen würde. Diese Werte beruhen auf einer Szenarioanalyse des National Institute of Economic and Social Research (NIESR), die mit Hilfe des dort entwickelten NiGEM-Modells durchgeführt wurde.Vgl. Arno Hantzsche, Amit Kara und Garry Young (2019): Prospects for the UK Economy. National Institute Economic Review (247), February (online verfügbar). Diese Simulationen ermöglichen eine detaillierte Analyse der Entwicklung der britischen Wirtschaft sowohl im Falle eines geregelten EU-Austritts als auch im Falle eines harten Brexit. Hierbei wurde unterstellt, dass ein solcher Schritt politische Reaktionen hervorrufen dürfte. So wurde unter anderem angenommen, dass ein Ausscheiden ohne Abkommen expansive Maßnahmen der Geld- und Finanzpolitik nach sich ziehen dürfte, um die negativen Effekte eines harten Brexit teilweise zu kompensieren.Für eine detaillierte Übersicht über die der Analyse zugrundeliegenden Annahmen vgl. Box A in Hantzsche, Kara und Young (2019), a.a.O. Basierend auf der in der ursprünglichen Studie ermittelten Abweichung der britischen Importe vom Basisszenario kann der Effekt eines harten Brexit auf die deutschen Ausfuhren ins Vereinigte Königreich ermittelt werden.
Den mit Abstand größten Teil der deutschen Ausfuhren ins Vereinigte Königreich nimmt der Fahrzeugbau ein (Abbildung), gefolgt von Maschinen und Maschinengeräten. Diese industrielastigen Gütergruppen machen bereits rund 50 Prozent der Ausfuhren dorthin aus. Das Vereinigte Königreich ist einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands: Von den gesamten Ausfuhren gehen rund sechs Prozent in das Vereinigte Königreich, von den Fahrzeugausfuhren sind es sogar zehn Prozent.
Ausgehend von der NIESR-Szenarioanalyse lassen sich die infolge eines harten Brexit sinkenden Importe des Vereinigten Königreichs entsprechend ihres Anteils an den deutschen Exporten umlegen, um einen direkten Effekt auf den deutschen Außenhandel abzuschätzen. Das NIESR rechnet mit einer Verringerung der gesamten britischen Importe von etwa sechs Prozent im Jahr 2019 und rund neun Prozent im Jahr 2020. Dies überträgt sich auf um 0,4 Prozent geringere deutsche Exporte im Jahr 2019 und um knapp 0,6 Prozent im Jahr 2020. Dabei handelt es sich um eine zurückhaltende Berechnung, denn sie beinhaltet nur die direkten Effekte unter der Annahme, dass alle Importgüter gleichmäßig betroffen sind. Werden Industrien wie der Fahrzeugbau stärker betroffen, ergäbe sich eine deutlichere Rückwirkung auf die deutschen Exporte. Des Weiteren sind negative Effekte auf andere Länder nicht berücksichtigt, die ihrerseits eine geringere Nachfrage nach deutschen Produktion zur Folge haben würden.
Die Importe entwickeln sich in der Tendenz ähnlich gedämpft wie die Exporte, werden aber von dem kräftigen privaten Verbrauch in den ersten Quartalen des Jahres deutlich angeschoben. Alles in allem steigen die Importe aber schneller als die Exporte. Trotz der geringeren Kosten für importierte Energieträger sinkt deswegen der Überschuss der Leistungsbilanz in diesem Jahr auf 6,6 Prozent; im kommenden Jahr geht er zusätzlich leicht zurück, auf dann 6,5 Prozent.
Die Importpreise sinken infolge der gefallenen Rohölpreise in der ersten Jahreshälfte 2019, was zu einer Verbesserung der Terms of Trade führt; danach laufen diese Effekte langsam aus.
Im Jahr 2018 erzielte der Staat mit 58 Milliarden Euro den höchsten Finanzierungsüberschuss seit der Wiedervereinigung. Bezogen auf das nominale Bruttoinlandsprodukt ergab sich eine Überschussquote von 1,7 Prozent (Tabelle 8). Wesentliche Ursache dafür war vor allem die gute konjunkturelle Entwicklung, die zu anhaltend hohen Einnahmen aus Steuern und Sozialbeiträgen führte. Gleichzeitig wurden die Ausgaben im Zuge der verzögerten Regierungsbildung und von Sondereffekten nur leicht erhöht. Alles in allem dürfte damit die Schuldenstandsquote Deutschlands mittlerweile in etwa dem von der EU in den Maastricht-Kriterien festgelegten 60-Prozent-Wert entsprechen.
In Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts
Staatseinnahmen | Staatsausgaben | Finanzierungssaldo | Nachrichtlich: Zinssteuerquote2 | |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
insgesamt | darunter: | insgesamt | darunter: | |||||
Steuern | Sozialbeiträge | Zinsausgaben | Bruttoinvestitionen | |||||
1991 | 43,2 | 22,0 | 16,3 | 46,4 | 2,6 | 3,1 | −3,2 | 11,9 |
1992 | 44,6 | 22,4 | 16,7 | 47,2 | 3,1 | 3,3 | −2,6 | 13,7 |
1993 | 44,9 | 22,3 | 17,2 | 48,0 | 3,1 | 3,1 | −3,1 | 14,0 |
1994 | 45,4 | 22,4 | 17,7 | 47,9 | 3,2 | 2,9 | −2,5 | 14,5 |
1995 | 45,2 | 22,0 | 18,1 | 48,2 | 3,4 | 2,6 | −3,0 | 15,6 |
1996 | 45,4 | 21,8 | 18,7 | 48,9 | 3,4 | 2,5 | −3,5 | 15,6 |
1997 | 45,1 | 21,5 | 19,0 | 48,1 | 3,3 | 2,3 | −2,9 | 15,5 |
1998 | 45,2 | 21,9 | 18,7 | 47,7 | 3,3 | 2,3 | −2,5 | 15,1 |
1999 | 46,0 | 22,9 | 18,5 | 47,7 | 3,0 | 2,3 | −1,7 | 13,3 |
20003 | 45,6 | 23,2 | 18,1 | 47,1 | 3,1 | 2,3 | −1,5 | 13,5 |
2001 | 43,8 | 21,4 | 17,8 | 46,9 | 3,0 | 2,3 | −3,1 | 14,0 |
2002 | 43,3 | 21,0 | 17,8 | 47,3 | 2,9 | 2,2 | −3,9 | 14,1 |
2003 | 43,6 | 21,1 | 18,0 | 47,8 | 2,9 | 2,1 | −4,2 | 13,8 |
2004 | 42,6 | 20,6 | 17,6 | 46,3 | 2,8 | 1,9 | −3,7 | 13,5 |
2005 | 42,8 | 20,8 | 17,4 | 46,2 | 2,7 | 1,9 | −3,4 | 13,2 |
2006 | 43,0 | 21,6 | 16,9 | 44,7 | 2,7 | 2,0 | −1,7 | 12,5 |
2007 | 43,0 | 22,4 | 16,1 | 42,8 | 2,7 | 1,9 | 0,2 | 11,9 |
2008 | 43,4 | 22,7 | 16,1 | 43,6 | 2,7 | 2,1 | −0,2 | 11,8 |
2009 | 44,3 | 22,4 | 16,9 | 47,6 | 2,6 | 2,4 | −3,2 | 11,8 |
2010 | 43,0 | 21,4 | 16,5 | 47,4 | 2,5 | 2,3 | −4,4 | 11,6 |
2011 | 43,8 | 22,0 | 16,4 | 44,7 | 2,5 | 2,3 | −1,0 | 11,4 |
2012 | 44,3 | 22,5 | 16,5 | 44,3 | 2,3 | 2,2 | 0,0 | 10,2 |
2013 | 44,5 | 22,9 | 16,5 | 44,7 | 2,0 | 2,1 | −0,1 | 8,6 |
2014 | 44,6 | 22,8 | 16,4 | 44,1 | 1,6 | 2,0 | 0,6 | 7,0 |
2015 | 44,5 | 22,9 | 16,4 | 43,7 | 1,4 | 2,1 | 0,8 | 6,1 |
2016 | 44,8 | 23,2 | 16,6 | 43,9 | 1,2 | 2,2 | 0,9 | 5,1 |
2017 | 45,0 | 23,4 | 16,7 | 43,9 | 1,0 | 2,2 | 1,0 | 4,4 |
2018 | 45,4 | 23,6 | 16,8 | 43,7 | 0,9 | 2,4 | 1,7 | 3,9 |
2019 | 45,2 | 23,5 | 16,9 | 43,9 | 0,9 | 2,4 | 1,3 | 3,6 |
2020 | 44,9 | 23,3 | 16,9 | 43,9 | 0,8 | 2,5 | 1,1 | 3,4 |
1 In der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.
2 Zinsausgaben des Staates in Relation zum Steueraufkommen.
3 Ohne Erlöse aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen (50,8 Milliarden Euro).
Quellen: Statistisches Bundesamt; Bundesministerium der Finanzen; DIW Frühjahrsgrundlinien 2019.
Im Prognosezeitraum wird der Finanzierungssaldo weiterhin positiv bleiben, denn der Staat dürfte trotz einer etwas schwächeren wirtschaftlichen Grunddynamik sowie der bereits berücksichtigten und geplanten expansiv wirkenden Maßnahmen des Koalitionsvertrages weiterhin deutliche Überschüsse generieren. Allerdings wird das Plus etwas sinken – auf rund 43 Milliarden Euro in diesem Jahr (beziehungsweise 1,2 Prozent in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt) und 38 Milliarden Euro im Jahr 2020 (beziehungsweise 1,0 Prozent). Bereinigt um konjunkturelle Effekte liegt der strukturelle Finanzierungssaldo in Relation zum Produktionspotential bei 1,2 Prozent im laufenden Jahr und bei 1,0 im Jahr 2020.
Auf der Einnahmeseite werden die Zuflüsse aus der Gewinn- und Umsatzsteuer infolge der schwächeren Produktionsdynamik deutlich schwächer steigen als noch zuletzt. Die Lohnsteuereinnahmen werden zwar in den beiden kommenden Jahren durch die Anhebung der Grund- und Kinderfreibeträge sowie eine Verschiebung der Tarifeckwerte leicht gedämpft. Allerdings steigen sie alles in allem weiterhin kräftig, denn es gibt derzeit wenig Anzeichen, dass der Beschäftigungsaufbau und die Lohndynamik im Prognosezeitraum substanziell unterbrochen werden. Die Sozialbeiträge werden von verschiedenen – sich teilweise kompensierenden – Effekten beeinflusst: Im laufenden Jahr steht der Beitragssatzsenkung bei der Arbeitslosenversicherung ein entsprechender Anstieg in der Pflegeversicherung gegenüber. Gleichzeitig reduziert sich der Mindestbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung für Selbstständige. Die staatlichen Vermögenseinkommen werden im laufenden Jahr aufgrund der erhöhten Abführung der Bundesbank zunehmen. Abzuwarten bleibt, wann und wieviel die Verkäufe der 5G-Mobilfunklizenzen tatsächlich einbringen werden, denn entgegen den ursprünglich im Koalitionsvertrag veranschlagten zwölf Milliarden dürfte die Bietersumme deutlich geringer ausfallen; zudem ist mit Verzögerungen bei der Versteigerung zu rechnen. Insgesamt werden die staatlichen Einnahmen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt in den kommenden beiden Jahren leicht abnehmen.
Auf der Ausgabenseite werden die Arbeitnehmerentgelte des Staates aufgrund von Tariflohnsteigerungen und des Beschäftigungsaufbaus weiter deutlich expandieren, die sozialen Sachleistungen in der Summe dagegen vergleichsweise moderat: Der Leistungsausweitung in der Pflegeversicherung stehen rückläufige Ausgaben aufgrund der abnehmenden Effekte bei der Fluchtmigration gegenüber. Die monetären Sozialleistungen werden im laufenden Jahr infolge von Leistungsausweitungen wie der Erweiterung der Mütterrente und der Erhöhung des Kindergeldes ansteigen. Ab dem Jahr 2020 wird der Abrechnungszeitraum für Arbeitslosengeld I verlängert, wodurch mehr Menschen einen Anspruch darauf erwerben. Außerdem wird davon ausgegangen, dass eine Form der derzeit diskutierten Grundrente im Jahr 2020 umgesetzt wird. Die staatlichen Bruttoinvestitionen werden wohl infolge diverser Maßnahmenpakete, wie der KI-Strategie, dem Digitalpakt und dem Breitbandausbau, dynamisch zunehmen. Entscheidend für die weitere Entwicklung der staatlichen Ausgaben dürfte auch die Geldpolitik der EZB sein: Da die Europäische Zentralbank – wie zuletzt angekündigt – auch über das Jahr 2020 hinaus an ihrer Niedrigzinspolitik festhält, dürften sich die Zinsausgaben weiterhin auf einem niedrigen Niveau von unter einem Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts bewegen. In diesem Fall würde die staatliche Ausgabenquote im Prognosezeitraum wohl weiterhin nur moderat steigen (Tabelle 9).
Haushaltsentlastungen (+) und Haushaltsbelastungen (−) in Milliarden Euro gegenüber 2018
2019 | 2020 | |
---|---|---|
Einnahmen der Gebietskörperschaften | ||
Alterseinkünftegesetz | −1,4 | −2,8 |
Erhöhung von Kindergeld, Grund- und Kinderfreibetrag 2017 und 2018, Verschiebung der Tarifeckwerte | −0,4 | −0,5 |
Altkapitalerstattungen 2008 und 2009c | 0,1 | 0,1 |
Erhöhung des Grundfreibetrags | −1,0 | −2,9 |
Erhöhung der Kinderfreibeträge 2019 und 2020 | ||
Tarifverschiebung 2019 und 2020 | −2,0 | −4,2 |
Steuerliche Förderung von F&E-Ausgaben | −0,6 | −1,1 |
LKW-Maut (Ausweitung auf alle Bundesstraßen und Anhebung der Mauttarife zum 1. Januar 2019) | 1,8 | 1,9 |
Einnahmen der Sozialversicherungen | ||
Erhöhung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte zum 1. Januar 2019 | 7,0 | 7,2 |
Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung um 0,5 Prozentpunkte im Jahr 2019 | −5,9 | −6,1 |
Ausweitung der Gleitzone bei Midijobs zum 1. Januar 2019 | −0,5 | −0,5 |
Änderung der Bemessungsgrundlage von Selbstständigen in der gesetzlichen Krankenversicherung | −0,8 | −0,8 |
Ausgaben der Gebietskörperschaften | ||
Parität beim Zusatzbeitrag zur GKV: Beschäftigte im Öffentlichen Dienst | −0,9 | −0,9 |
Ausbau der Kinderbetreuung | −0,5 | −1,0 |
Baukindergeld | −0,3 | −0,7 |
Starke-Familien-Gesetz | −0,2 | −0,9 |
Erhöhung des Kindergeldes um 10 Euro/Monat ab dem 1. Juli 2019 | −0,9 | −1,7 |
Aufstockung des BAFöG | −0,4 | −0,9 |
Austiegsfortbildung in der beruflichen Bildung | −0,1 | −0,1 |
Zusätzliche Mittel für die Eingliederung Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt | −0,6 | −0,7 |
Familiengeld in Bayern | −0,5 | −0,5 |
Verteidigung | −3,0 | −4,0 |
Mehrausgaben für Entwicklungshilfe | −0,5 | −1,1 |
Mehrpersonal innere Sicherheit | −0,3 | −0,6 |
Gute-KiTA-Gesetz | −0,5 | −1,0 |
Zusätzliche investive Ausgaben2 | −1,2 | −2,5 |
Ausgaben der Sozialversicherungen | ||
Maßnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung | −0,7 | −0,8 |
Mütterrente II | −3,8 | −3,9 |
Parität beim Zusatzbeitrag zur GKV: Beiträge der Rentenversicherung zur Krankenversicherung der RentnerInnen | −1,3 | |
Pflegepersonalstärkungsgesetz | −1,4 | −1,7 |
Grundrente | −1,2 | |
Insgesamt | −20,7 | −34,0 |
In Relation zum Bruttoinlandsprodukt in Prozent | −0,6% | −0,9% |
1 Ohne makroökonomische Rückwirkungen, ohne Maßnahmen im Zusammenhang mit der Banken- und EU-Schuldenkrise.
2 Fonds für Breitbandausbau, Digitalpakt, Investitionsprogramm zur Mikroelektronik, Investitionspakt für sozialen Zusammenhalt, Förderung des Breitbandausbaus, Wohnbauförderung, Rückführung von Fluchthilfemaßnahmen, Kaufbonus E-Mobilität, Gemeindeverkehrsfinanzierung, Regionale Strukturpolitik, Förderung ländlicher Räume
Quelle: Bundesregierung; DIW Frühjahrsgrundlinien 2019.
Über den gesamten Projektionszeitraum hinweg folgt die weltwirtschaftliche Entwicklung dem Trend zum Ende der kurzen Frist. Die entwickelten Volkswirtschaften wachsen um 1,6 Prozent pro Jahr und die Schwellenländer um 4,9 Prozent. Ölpreis und Dollar-Euro-Wechselkurs verharren über den gesamten Projektionszeitraum bei den für Ende 2020 unterstellten Werten. Der Ölpreis beträgt demnach 63,8 Dollar pro Barrel, der Wechselkurs 1,13 US-Dollar pro Euro.
Angenommen wird, dass die Europäische Zentralbank den Restriktionsgrad der Geldpolitik ab 2021 erhöht. Damit dürften die Zinsen in Deutschland bis 2023 dem leicht aufwärtsgerichteten Trend zum Ende der kurzen Frist folgen. Die Finanzpolitik in Deutschland dürfte in der mittleren Frist expansiv bleiben. Neben den bereits in der kurzen Frist berücksichtigten Maßnahmen des Koalitionsvertrages könnte in der mittleren Frist insbesondere der für 2021 geplante erste Schritt zur Abschaffung des Solidaritätszuschlages einen zusätzlichen Konjunkturimpuls in Höhe von bis zu zehn Milliarden Euro liefern.
Die Produktionslücke schließt sich bis 2023. Die Potentialwachstumsrate liegt im Projektionszeitraum bei jahresdurchschnittlich 1,4 Prozent (Kasten 4), dürfte jedoch demografisch bedingt zum Ende des Zeitraums um 0,4 Prozentpunkte niedriger sein.
Die Berechnung des Produktionspotentials beruht auf dem Verfahren, das von der Europäischen Kommission vorgeschrieben wird.Für eine ausführliche Beschreibung dieser Methode siehe Karel Havik et al. (2010): The Production Function Methodology for Calculating Potential Growth Rates and Output Gaps. Europäische Kommission in ihrer Reihe European Economy – Economic Papers Nummer 420. Dieses basiert auf einer Cobb-Douglas-Produktionsfunktion mit den Einsatzfaktoren Arbeitsvolumen, Kapitalstock und der totalen Faktorproduktivität (TFP). Absehbare demografische Struktureffekte werden berücksichtigt, indem die Entwicklung der Komponenten des Arbeitsvolumens für unterschiedliche Alterskohorten fortgeschrieben, geglättet und anschließend mit den Altersanteilen zu einer gesamtwirtschaftlichen Komponente aggregiert werden.
Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird im Wesentlichen anhand der im März 2017 aktualisierten Bevölkerungsprojektion (Variante 2-A) fortgeschrieben. Diese wurde vor dem Hintergrund der hohen Zuwanderung angepasst. Der Wanderungssaldo für das Jahr 2017 betrug 416 000 Personen, gut 231 000 Personen davon sind per saldo aus EU-Ländern, insbesondere den osteuropäischen, gekommen.Vgl. Marius Clemens und Janine Hart (2018): EU-Zuwanderung hat das Wirtschaftswachstum in Deutschland erhöht. DIW Wochenbericht Nr. 44, 955–963 (online verfügbar). Die Nettozuwanderung aus Drittstaaten lag bei rund 185 000 Personen, die Hälfte davon kam aus den acht wichtigsten Fluchtherkunftsländern. Die ersten amtlichen Schätzungen gehen davon aus, dass der Wanderungssaldo im Jahr 2018 zwischen 340 000 und 380 000 Personen gelegen haben dürfte.Vgl. Statistisches Bundesamt: Schätzung für 2018: Bevölkerungszahl auf 83,0 Millionen gestiegen. Pressemitteilung Nr. 029 vom 25.01.2019 (online verfügbar). Angenommen wird, dass der Saldo bis zum Jahr 2023 weiter zurückgehen wird, aufgrund der attraktiven Arbeitsmarktsituation in Deutschland aber mit rund 275 000 Personen oberhalb des Wertes der Bevölkerungsvorausberechnung bleibt. Für den Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung bei den Erwerbszuwanderern und den Nicht-Erwerbszuwanderern wird der aktuelle Wert aus dem Ausländerzentralregister angesetzt.Nahezu 90 Prozent der EU-Zuwanderer sind im erwerbsfähigen Alter. Allerdings ist der Anteil der Erwerbsauswanderer im erwerbsfähigen Alter mit rund 95 Prozent noch höher. Bei der Nicht-Erwerbszuwanderung beträgt der Anteil 71 Prozent. Vgl. Statistisches Bundesamt (2018): Fachserie 1, Reihe 2. Ausländische Bevölkerung – Ergebnisse des Ausländerzentralregisters 2017. Insgesamt können die positiven Wanderungssalden allerdings den altersbedingten Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung bis 2023 nur teilweise kompensieren.
Die Partizipationsquote wird getrennt für Geflüchtete und die übrige Bevölkerung geschätzt. Für Geflüchtete ergibt sie sich aus einem kalibrierten Suchmodell. Die Partizipationsquote der übrigen Erwerbsbevölkerung wird in der mittleren Frist mit Hilfe eines Alterskohortenmodells für Fünf-Jahres-Altersgruppen getrennt nach Geschlecht und Herkunft fortgeschrieben. Die trendmäßige Partizipationsquote der gesamten Bevölkerung wird anschließend als gewichteter Durchschnitt der trendmäßigen Partizipationsquoten für Geflüchtete und der übrigen Bevölkerung berechnet. Sie steigt von gut 74 Prozent im Jahr 2018 mit einer abnehmenden Zuwachsrate um rund dreiviertel Prozentpunkte bis 2021 an. Zum Ende des Projektionszeitraumes geht sie dann leicht zurück.
Die NAWRU im Projektionszeitraum ergibt sich als gewichteter Durchschnitt der natürlichen Erwerbslosenquoten für Geflüchtete und der übrigen Bevölkerung. Für die Geflüchteten wird sie ähnlich wie die Partizipationsquote aus dem Suchmodell abgeleitet. Die natürliche Erwerbslosenquote der übrigen Bevölkerung ergibt sich als Trend der Erwerbslosenquote, die über die Mittelfrist konstant ist. Die strukturelle Erwerbslosenquote liegt im Jahr 2018 bei 3,5 Prozent und geht bis 2023 auf 2,6 Prozent zurück. Ein Grund hierfür ist nicht nur, dass verglichen mit dem heutigen Stand immer mehr Geflüchtete eine Arbeitsstelle finden, sondern dass auch immer mehr ältere Langzeitarbeitslose in Rente gehen und junge Arbeitssuchende aufgrund der Arbeitsmarktlage gute Beschäftigungsperspektiven haben.
Der Kapitalstock wird über den gesamten Projektionszeitraum anhand der Nettoinvestitionen fortgeschrieben. Zum Kapitalstock des Vorjahres kommen dementsprechend die Bruttoanlageinvestitionen abzüglich der Abschreibungen hinzu. Die Abschreibungsrate wird bis 2020 an den Wert aus der kurzen Frist angepasst und anschließend konstant auf den Wert des letzten Beobachtungszeitpunktes gesetzt. Der Kapitalstock wird nicht geglättet.
Die durchschnittliche Wachstumsrate des Arbeitsvolumens bis 2023 dürfte bei einem halben Prozentpunkt liegen, hauptsächlich getrieben durch den Anstieg der Partizipationsquote und die sinkende NAWRU. Die durchschnittliche trendmäßige Arbeitszeit bleibt über den gesamten Zeitraum nahezu konstant. Trotz der relativ hohen Nettozuwanderung in den Jahren 2016 und 2017 wird auch die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter im Durchschnitt keine spürbaren Wachstumsimpulse liefern. Alles in allem dürfte das potentielle Arbeitsvolumen in Stunden bis 2023 damit durchschnittlich einen Wachstumsbeitrag von einem Drittel-Prozentpunkt leisten. Die Wachstumsrate des Kapitalstocks liegt mit 1,3 Prozentpunkten unterhalb der Wachstumsrate des Produktionspotentials. Der Beitrag des Faktors Kapital zum Potentialwachstum dürfte im gesamten Projektionszeitraum einen halben Prozentpunkt ausmachen.
Zusammen mit dem Wachstumsbeitrag der totalen Faktorproduktivität in Höhe von knapp zwei Drittel-Prozentpunkten ergibt sich schließlich, dass das reale Produktionspotential bis 2023 um jahresdurchschnittlich 1,4 Prozent zunehmen wird (Tabelle). Allerdings verlangsamt sich das Tempo, mit dem das Potential in der kurzen Frist wächst, deutlich: Demografisch bedingt geht es auf etwa ein Prozent zurück.
Jahresdurchschnittliche Veränderung in Prozent
2012–2017 | 2017–2023 | |
---|---|---|
Produktionspotential | 1,6 | 1,4 |
Wachstumsbeiträge | ||
Arbeitsvolumen | 0,6 | 0,3 |
Kapitalvolumen | 0,4 | 0,5 |
Totale Faktorproduktivität | 0,6 | 0,6 |
Anmerkung: Differenzen bei der Aggregation entstehen durch Rundungseffekte.
Quellen: Statistisches Bundesamt; Europäische Kommission; Projektion des DIW Berlin.
Das Erwerbspersonenpotential nimmt in Folge der natürlichen Bevölkerungsentwicklung schon seit längerem ab. Trotzdem wird zu Beginn der mittleren Frist weiter Beschäftigung aufgebaut. Dies gelingt nur deshalb, weil jahresdurchschnittlich per Saldo rund 275000 Personen – insbesondere aus Ländern der EU – auf den Arbeitsmarkt kommen. Die Erwerbsbeteiligung, die bisher einen großen Beitrag zum Anstieg der Zahl der Erwerbspersonen leistete, wird in der mittleren Frist aufgrund des Alterskompositionseffekts allerdings stagnieren (Tabelle 10). Die strukturelle Erwerbslosenquote wird zwar bis zum Ende des Projektionszeitraums auf einem niedrigen Niveau bleiben, aber nicht mehr ganz so stark sinken wie in der kurzen Frist. All das zusammen genommen führt dazu, dass sich der Beschäftigungsaufbau verlangsamen wird. Ab 2022 dürften das Erwerbspersonenpotential und die Beschäftigung sogar sinken, denn die in Rente gehenden Arbeitskräfte können nicht mehr vollständig durch Zuwanderung oder eine steigende Erwerbsbeteiligung ersetzt werden. Die Arbeitsproduktivität steigt im Projektionszeitraum um durchschnittlich 1,2 Prozentpunkte und damit deutlich mehr als während der vergangenen fünf Jahre. Dies liegt auch daran, dass in Folge der Arbeitskräfteknappheit die Bruttolöhne und -gehälter im Projektionszeitraum stärker steigen.
Erwerbstätige (Inland) | beschäftigte Arbeitnehmer (Inland) | Arbeitszeit je Erwerbstätigen | Bruttoinlandsprodukt | |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
preisbereinigt, verkettete Volumenwerte | in jeweiligen Preisen | Deflator | ||||||
insgesamt | je Erwerbstätigen | je Erwerbstätigenstunde | ||||||
in Millionen | in Millionen | in Stunden | in Milliarden Euro | in Euro | in Euro | in Milliarden Euro | 2010 = 100 | |
2013 | 42319 | 37853 | 1363 | 2701 | 63818 | 47 | 2826 | 105 |
2018 | 44838 | 40619 | 1363 | 2974 | 66334 | 49 | 3386 | 114 |
2023 | 45385 | 41274 | 1369 | 3161 | 69650 | 51 | 3937 | 125 |
Jahresdurchschnittliche Veränderung in Prozent | ||||||||
2018/2013 | 1,16 | 1,42 | 0,00 | 1,95 | 0,78 | 0,78 | 3,68 | 1,70 |
2023/20181 | 0 | ½ | 0 | 1 | 1 | 1 | 3 | 2 |
1 In dieser Projektion sind die Vorausschätzungen auf ¼-Prozentpunkte gerundet.
Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW Frühjahrsgrundlinien 2019.
Die Einkommen der privaten Haushalte werden durch die Abschaffung des Solidaritätszuschlages ab dem Jahr 2021 angeschoben. Sieht man von diesem Einmaleffekt ab, bleiben die Wachstumsraten des privaten Konsums pro Kopf allerdings in etwa konstant. Der öffentliche Konsum dürfte hingegen etwas an Bedeutung gewinnen, da die alternde Bevölkerung zunehmend Leistungen beispielsweise der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen wird.
Die restriktiveren Finanzierungsbedingungen dämpfen die Anlageinvestitionen zwar etwas. Die Investitionsquote dürfte im Jahr 2023 dennoch über dem Niveau des Jahres 2017 liegen, denn die schwächere Dynamik des Erwerbspersonenpotentials erfordert auch eine höhere Kapitalintensität in der Produktion. Das Exportwachstum lässt entsprechend der weltwirtschaftlichen Nachfrage etwas nach. Der Außenbeitrag ist in der mittleren Frist wachstumsneutral (Tabelle 11).
Bruttoinlandsprodukt | Konsumausgaben | Bruttoinvestitionen | Außenbeitrag | ||
---|---|---|---|---|---|
private Haushalte | Staat | ||||
in Milliarden Euro | |||||
2013 | 2826,2 | 1563,5 | 542,9 | 551,5 | 168,4 |
2018 | 3386,0 | 1776,7 | 662,2 | 717,9 | 229,2 |
2023 | 3937 | 2044,1 | 806,7 | 865,1 | 220,9 |
Anteile am BIP | |||||
2013 | 100 | 55,3 | 19,2 | 19,5 | 6,0 |
2018 | 100 | 52,5 | 19,6 | 21,2 | 6,8 |
2023 | 100 | 52 | 20 | 22 | 6 |
Jahresdurchschnittliche Veränderung in Prozent | |||||
2018/2013 | 3,7 | 2,6 | 4,1 | 5,4 | – |
2023/20181 | 3 | 3 | 4 | 4 | – |
1 In dieser Projektion sind die Vorausschätzungen auf ¼-Prozentpunkte gerundet.
Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW Frühjahrsgrundlinien 2019.
Über den gesamten Projektionszeitraum wird der Deflator des Bruttoinlandsprodukts um durchschnittlich 1,8 Prozent zunehmen. Zum einen dürften von den im Koalitionsvertrag angelegten fiskalischen Impulsen Preiseffekte ausgehen. Zum anderen dürften die höheren Lohnkosten an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben werden. Die Wachstumsrate des nominalen Bruttoinlandsprodukts liegt jahresdurchschnittlich bei gut 3,1 Prozent.
Um eine modellbasierte Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung am aktuellen Rand für jede Verwendungskomponente des Bruttoinlandsprodukts zu erstellen, sollte möglichst vielen relevanten Einflussfaktoren Rechnung getragen werden. Aus diesem Grund übersteigt in der Praxis die Zahl der vorliegenden Indikatorvariablen für die jeweilige Verwendungskomponente bei weitem die Anzahl der Variablen, die aus statistischen Gründen in traditionelle Eingleichungsmodelle aufgenommen werden können. Die Prognosen des DIW Berlin beruhen deshalb auf den Vorhersagen aus zwei Modellklassen, die durch die Möglichkeit zur Aufnahme einer hohen Anzahl erklärender Variablen charakterisiert sind. Einerseits kommen Faktormodelle zur Prognose der Verwendungskomponenten des Bruttoinlandsprodukts zur Anwendung. Andererseits werden die Verwendungskomponenten mit sogenannten Model-Averaging-Ansätzen prognostiziert.Für eine Erläuterung vgl. Ferdinand Fichtner et al. (2017): Deutsche Wirtschaft in Wohlfühlkonjunktur. DIW Wochenbericht Nr. 24, 475-485 (online verfügbar).
Für das Bruttoinlandsprodukt zeichnet sich ein schwacher Jahresauftakt ab, der zwischen 0,1 und 0,4 Prozent liegen dürfte. Insbesondere die Signale aus der Industrie sind schwach: Die Auftragseingänge sind zwar im vergangenen Quartal wieder gestiegen, im Januar waren sie aber wieder rückläufig; und auch die Industrieproduktion lag zuletzt ein Prozent unter dem Niveau des Vorquartals.
Der private Verbrauch dürfte dagegen merklich zulegen, um 0,4 bis 0,5 Prozent. Neben den fiskalischen Einkommensschüben profitiert er von der geringen Teuerung, den spürbar steigenden Arbeitseinkommen und zuvor zur Seite gelegten Ersparnissen – möglicherweise aufgrund verschobener Fahrzeugkäufe. Die Umsätze im Kfz-Einzelhandel sind zumindest zuletzt in die Höhe geschnellt und auch die realen Einzelhandelsumsätze sind kräftig in das laufende Quartal gestartet.
Die Exporte werden wohl verhalten expandieren: Die Warenausfuhr in Abgrenzung des preisbereinigten Spezialhandels für den Monat Januar verzeichnete nur einen leichten Anstieg – damit liegt sie 1,4 Prozent über dem Niveau des Schlussquartals. Die Auftragseingänge aus dem Ausland (ohne Großaufträge) befinden sich weiterhin nahe der Höchststände aus dem Vorjahr. Andererseits belasten eine Reihe von Unwägbarkeiten: etwa der Zeitpunkt sowie die Ausgestaltung des Brexit oder der Zollkonflikt der USA mit China beziehungsweise der Europäischen Union. Auch die chinesische Wirtschaft entwickelt sich weniger schwungvoll. Diese Faktoren spiegeln sich etwa in deutlichen Rückgängen des ifo-Auftragsbestands und in den ifo-Exporterwartungen der exportierenden Unternehmen im Durchschnitt der Monate Januar und Februar gegenüber dem Vorquartal wider.
Die Importe dürften im ersten Quartal weitaus kräftiger ausgeweitet werden als die Exporte. Zwar deutet nur eine Minderheit der Verteilung des Modell-Averaging-Ansatzes auf einen Anstieg der Einfuhren um über ein Prozent hin (der gewichtete Durchschnitt lieg bei etwa 0,9 Prozent). Jedoch dürften die zu erwartenden Impulse des privaten Konsums – etwa durch die Erhöhung des Grund- und Kinderfreibetrags oder die paritätische Finanzierung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung – zu Jahresbeginn auch einen höheren Zuwachs der Importe nach sich ziehen. Dafür spricht auch, dass die preisbereinigte Wareneinfuhr in der Abgrenzung des Spezialhandels im Januar ein deutliches Plus verzeichnete und um knapp drei Prozent höher liegt als im Durchschnitt des Vorquartals.
Die Ausrüstungsinvestitionen dürften mit gedrosseltem Tempo expandieren. Die Stimmung unter den Investitionsgüterherstellern hat sich deutlich eingetrübt. Dies gilt sowohl für die derzeitige Geschäftslage als auch für die Erwartungen. Die Umsätze der Investitionsgüterhersteller stagnierten zum Jahresanfang, während die Fahrzeugbauer zuletzt ihre Umsätze wieder leicht steigern konnten. Die Anzahl neuer Aufträge der Investitionsgüterhersteller aus dem Inland war niedriger als zuvor.
Die Bauinvestitionen werden im ersten Quartal wohl weiter expandieren. Zwar hat sich die Stimmung unter den Bauunternehmen leicht eingetrübt. Hohe Auftragsbestände, zum Jahresende stark gestiegene Auftragseingänge sowie eine leicht gestiegene Produktion deuten jedoch auf einen anhaltend starken Aufwärtstrend hin.
Themen: Konjunktur
JEL-Classification: E22;E66;F01
Keywords: Business cycle forecast, ecoomic outlook
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2019-11-3
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/195136