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Corona-Impfungen: Politik braucht eine wirksame Überzeugungsstrategie: Kommentar

DIW Wochenbericht 51 / 2020, S. 986

Gert G. Wagner

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Großbritannien startete vergangene Woche mit den ersten Corona-Impfungen, Kanada und die USA folgen in diesen Tagen. Auch in Deutschland wird es bald soweit sein. Mehrere hundert Impfzentren werden aufgebaut, damit nicht nur zügig geimpft werden kann, sondern auch die Prioritätenliste mit alten und pflegebedürftigen Menschen ganz oben in der richtigen Reihenfolge abgearbeitet wird. Viele Jüngere würden sich auch gerne impfen lassen, müssen sich aber vorerst gedulden. Nicht wenige Menschen geben in Umfragen jedoch auch an, dass sie sich – zumindest vorerst – nicht impfen lassen möchten.

Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) hat im Mai ergeben, dass sich nur etwa 70 Prozent der Erwachsenen in Deutschland freiwillig gegen das Corona-Virus impfen lassen würden, sofern ein Impfstoff ohne nennenswerte Nebenwirkungen vorhanden ist. Die COMPASS-Erhebung, die repräsentativ für die Wahlberechtigten mit Online-Zugang ist, zeigt nun für den Dezember ein ähnliches Bild: Gegenwärtig wollen sich rund 30 Prozent nicht impfen lassen – und das liegt ganz überwiegend nicht daran, dass diese Gruppe schon infiziert war und davon ausgehen kann immun zu sein. Vielmehr glaubt ein Drittel der Befragten, die sich nicht impfen lassen möchten, dass die Erkrankung „nicht wirklich schwerwiegend sein wird“. Viel größer ist allerdings mit etwa 85 Prozent der Anteil derer, die sich „große“ oder „sehr große“ Sorgen um mögliche Nebenwirkungen machen.

Etwas weniger als 20 Prozent aller Befragten sind sich in ihrer Entscheidung für oder gegen eine Impfung noch unsicher. Gut 50 Prozent geben an, sich „sicher“ oder „wahrscheinlich“ impfen zu lassen. Für fast alle, die sich impfen lassen wollen, spielt der Schutz der eigenen Gesundheit eine „wichtige“ Rolle (95 Prozent), der Schutz der Familie und der Angehörigen (98 Prozent) aber sogar noch eine etwas größere.

Was bedeutet es für die Bekämpfung der Pandemie, wenn sich 30 Prozent der Bevölkerung nicht impfen lassen will? Würden tatsächlich alle anderen geimpft werden, wäre die vielzitierte „Herdenimmunität“ gerade so erreicht. Dass alle, die sich impfen lassen wollen oder dies zumindest nicht ausschließen, tatsächlich auch geimpft werden, ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Zumal es bei bestimmten Vorerkrankungen nicht möglich ist zu impfen. Insofern stellt sich die Frage, wie die Impfbereitschaft gesteigert werden kann, wenn eine Impfpflicht politisch weiterhin ausschlossen bleibt. Die Politik muss sich in den nächsten Wochen vor allem auf eine wirksame Überzeugungsstrategie fokussieren. Etwas Zeit bleibt noch, denn im Moment wird noch nicht geimpft und der neuerliche harte Lockdown dürfte zumindest vorübergehend die Zahl der akut Infizierten reduzieren. Aber es wird eine Zeit nach dem Lockdown kommen, in der dann auch in großem Stil geimpft werden wird und muss, um die Pandemie nachhaltig einzudämmen.

Vieles hängt von der Kommunikation ab. Dabei geht es nicht darum, Impfrisiken zu verschweigen. Sie sollten aber in ein nachvollziehbares Verhältnis zu den Risiken einer Infektion gesetzt und zudem der persönliche wie auch der gesellschaftliche Nutzen hervorgehoben werden. Diese Risiken einer Covid-19-Erkrankung bestehen ja nicht nur in einem für kurze Zeit schweren Verlauf und im schlimmsten Falle dem Tod. Vielmehr wächst die empirische Evidenz, derzufolge es nach der akuten Infektion bei einem signifikanten Teil der Erkrankten zu Langzeitschäden kommen kann. Dies kann man mit modernen Methoden der Risikokommunikation deutlich machen. Nicht, indem mit Wahrscheinlichkeiten hantiert wird, mit denen viele Menschen nichts anfangen können, sondern indem man zum Beispiel zeigt, wie viele von 1000 Menschen an oder mit Covid-19 sterben, wie viele akut schwer erkranken und wie viele mit Langzeitschäden zu rechnen haben. Und diesen Zahlen dann die wahrscheinlichen Zahlen von Impfschäden gegenüberstellt.

Doch jetzt gilt es zuerst einmal, dass wir als Gesellschaft den Lockdown akzeptieren und uns vor allem an die Kontaktreduktion halten. Nur so können im Frühjahr die Rückkehr zu einer neuen Normalität erfolgen und derzeit viel vermisste Freiheiten sukzessive in unser alltägliches Leben zurückkehren.

Der Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Nico A. Siegel, Geschäftsführer infratest-dimap, Gesellschaft für Trend- und Wahlforschung.

Themen: Gesundheit

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