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Populismus: Warum es Grund zur Hoffnung gibt: Kommentar

DIW Wochenbericht 44 / 2023, S. 622

Lorenz Meister

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Dass Populismus global auf dem Vormarsch ist, scheinen die Wahlen in Argentinien und der Schweiz jüngst zu bestätigen. Doch es gibt auch andere Tendenzen, die Hoffnung machen: In Polen hat sich die Wählerschaft mehrheitlich gegen die rechtspopulistische Regierungspartei PiS ausgesprochen. Wie ist der weltweite Vormarsch des Populismus zu erklären? Vor allem die ökonomischen Ursachen sind mittlerweile gut erforscht. Kennt man erstmal die Ursachen, kann man sie in der Regel bekämpfen.

Zwei Faktoren haben den Populismus weltweit befördert: die Globalisierung und die Finanzkrise. Durch die global stärkeren wirtschaftlichen Verflechtungen sind viele Branchen und Unternehmen plötzlich einem nie dagewesenen Wettbewerb ausgesetzt. Davon können einige Menschen enorm profitieren, anderen kostet es den Job. Die Verwerfungen der Finanzkrise haben ebenfalls viele private Haushalte belastet. Gleichzeitig mussten sie beobachten, wie große Banken gerettet wurden, was vielfach als ungerecht wahrgenommen wurde.

Die disruptiven Umbrüche der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass sich viele Menschen von der Politik im Stich gelassen fühlen und ihr Vertrauen in staatliche Institutionen rapide gesunken ist. Den Populist*innen ist es gelungen, den Ereignissen ein Narrativ zu geben, das Hass gegen das „Establishment“ und Misstrauen in staatliche Institutionen schürt. Populismus lebt vom Feindbild staatlicher Institutionen, zeigt sich auch im krisengebeutelten Argentinien. Wenig überraschend fand das Versprechen des libertären Präsidentschaftskandidaten Milei, die Notenbank einfach abzuschaffen, bei der Wahl Anklang.

Mit der Klimakrise steht uns aber ein weitaus größerer Umbruch bevor, für den Vertrauen und Solidarität entscheidend sein werden. Die Klimakrise erfordert Maßnahmen, die der Bevölkerung viel abverlangen, deren Wirkung sich aber nicht sofort zeigt. Präventiv verhinderte Klimaschäden werden sogar nie sichtbar. Die Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen ist deshalb teilweise schwer zu vermitteln. Außerdem ergeben sich Verteilungseffekte, die als ungerecht empfunden werden könnten.

Klimapolitik und Sozialpolitik müssen demnach zusammen gestaltet werden, um nicht die Versäumnisse der Finanzkrise und der Globalisierung zu wiederholen. Diesmal muss verhindert werden, dass sich ein großer Teil der Bevölkerung zurückgelassen fühlt. Aufgabe der Politik und auch der Medien wird es also sein, Klimaschutz nicht als Herzensthema einiger kosmopolitischer Großstadtmenschen mit Universitätsabschluss darzustellen, sondern zur gemeinsamen Sache zu machen. Dass das möglich ist, haben Bewegungen in Polen bereits bewiesen – und für eine Abwahl der PiS-Regierung gesorgt.

Auch weiterhin wird der Populismus am Fundament der Demokratie rütteln. Aber nicht jede Krise spielt ihm in die Hände. Das hat die Corona-Pandemie gezeigt. Zu Beginn der Pandemie hat die AfD stark an Zustimmung eingebüßt. Die Wählerschaft bevorzugt bei akuter Bedrohung offensichtlich kompetentes Krisenmanagement gegenüber wissenschaftsfeindlicher Rhetorik. Das hat auch Trump zu spüren bekommen. Ein starkes Mittel gegen Populismus liegt also in kompetenter, verlässlicher Politik. Zudem sollte Politik transparent gestaltet werden, sodass die breite Bevölkerung Entscheidungen und Abläufe versteht. So kann der Eindruck, politische Entscheidung seien das Resultat eines von der Bevölkerung entkoppelten, undurchsichtigen Apparates, entkräftet werden. Außerdem müssen emotional aufgeladene Feindbilder entkräftet werden. Hier tragen auch die Medien Verantwortung.

Sobald Populist*innen Regierungsverantwortung tragen, müssen sie ihre Versprechen einlösen. Gelingt ihnen das nicht, kann es schon auch mal zu einer Entzauberung kommen, wie das der PiS in Polen nun passiert ist. Der größte Feind des Populismus ist oft der Populismus selbst. Seine inhärenten Widersprüche und oft überzogenen Versprechungen können seine größte Schwäche sein. Es ist die Pflicht der Demokrat*innen, diese Widersprüche aufzudecken.

Lorenz Meister

Doktorand in der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel

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