Die Immobilienpreisblase in Deutschland ist geplatzt: Interview

DIW Wochenbericht 51/52 / 2023, S. 763

Konstantin A. Kholodilin, Erich Wittenberg

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Herr Kholodilin, die EZB hat den Leitzins angehoben und Kredite sind deutlich teurer geworden. Wie hat sich das auf die Immobilienpreise in Deutschland ausgewirkt? In der Regel gibt es einen negativen Zusammenhang zwischen Zinssätzen und der Dynamik der Immobilienpreise. Das heißt, wenn die Zinsen steigen und die anderen Bedingungen sich nicht ändern, dann gehen die Preise zurück und das ist genau das, was wir beobachten. Die Preise für Baugrundstücke und Einfamilienhäuser sind seit dem letzten Jahr im Durchschnitt um zwei Prozent zurückgegangen, aber es gibt eine sehr große regionale Spannbreite. In A-Standorten wie Berlin, Hamburg oder München sind die Immobilienpreise sogar um sechs bis sieben Prozent zurückgegangen, je nach Segment des Immobilienmarktes. Besonders stark sind die Preise bei den Einfamilienhäusern zurückgegangen. In den B-Standorten, also kleineren Orten, sind die Rückgänge minimal, also weniger als ein Prozent und bei Grundstücken steigen die Preise sogar weiter.

Wie ist die Situation auf dem Mietmarkt? Auf dem Mietmarkt geht die Entwicklung in eine andere Richtung. Die Mieten steigen weiter und das sogar ein bisschen stärker als in der Vergangenheit. Die Mietsteigerungen für das gesamte Land liegen im Vergleich zum Jahr 2022 in der Größenordnung von drei Prozent, in größeren Städten unter drei Prozent und in kleineren Städten sogar um rund fünf Prozent.

Wo liegen die Ursachen für die gegensätzlichen Entwicklungen? Die unterschiedlichen Entwicklungen der Kauf- und Mietpreise kann man durch verschiedene Faktoren erklären. Zum einen gibt es bei den Kaufpreisen für Immobilien eine spekulative Komponente, die es bei den Mietpreisen nicht gibt. Was wir jetzt beobachten, ist die Preiskorrektur. Das heißt, die sehr spekulative Komponente geht zurück und dadurch fallen auch die Kaufpreise. Zum anderen wirken bei den Mietpreisen nur die sogenannten Fundamentalfaktoren, also die Faktoren, die von der Nachfrage nach Immobilien als Wohnraum abhängig sind. Auf dem Immobilienmarkt wirken aktuell die Faktoren, die die Mietpreise nach oben treiben. Die Bevölkerung wächst sehr schnell und der Bau ist schleppend, während die Einkommen stagnieren. All das zusammen führt dazu, dass die Nachfrage nach Wohnraum und die Mieten weiter steigen.

Noch vor kurzer Zeit gab es Anzeichen einer Immobilienpreisblase. Ist diese Gefahr jetzt vorüber? In der Tat gab es bis Anfang 2022 eine spekulative Preisblase in Deutschland, eine der größten in den letzten 50 Jahren. Seitdem fallen die Preise, das bedeutet, dass die Blase schon geplatzt ist. Man kann erwarten, dass es noch Spielraum für einen weiteren Rückgang der Kaufpreise gibt, dass also die spekulative Komponente noch nicht komplett ausgeschöpft wurde. Die Preise werden wahrscheinlich auch noch im kommenden Jahr fallen, allerdings kann man danach mit einer Stabilisierung des Marktes und anschließend mit steigenden Preisen rechnen. Denn es gibt einen Mangel an Wohnraum und das wird sich in der mittleren Frist auch in steigenden Kaufpreisen widerspiegeln.

Was bedeuten Ihre Ergebnisse für die Wohnungspolitik? Der Staat kann dazu beitragen, die Lage auf dem Immobilienmarkt ein bisschen zu entspannen. Die Möglichkeiten dazu liegen vor allem im Bereich des Baus. Es geht darum, die Kosten des Bauens zu reduzieren und den Wohnungsbau zu beschleunigen, denn zurzeit ist der Bau zu langsam, die Kosten sind viel zu hoch. Das trägt dazu bei, dass die Bauherren weniger bereit sind, in Deutschland neue Wohnungen zu bauen. Eine Lockerung der Vorschriften und eine schnellere Vergabe von Baugenehmigungen könnten die Baukosten reduzieren.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Konstantin A. Kholodilin
Die Immobilienpreisblase in Deutschland ist geplatzt - Interview Konstantin A. Kholodilin

Konstantin A. Kholodilin

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie

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