Der deutschen Wirtschaft geht es zurzeit nicht besonders gut: Interview

DIW Wochenbericht 50 / 2024, S. 840

Geraldine Dany-Knedlik, Erich Wittenberg

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Frau Dany-Knedlik, die Spatzen pfeifen es sozusagen von den Dächern, dass es der deutschen Wirtschaft schlecht geht. Haben Sie bessere Nachrichten? Leider nein. Der deutschen Wirtschaft geht es zurzeit nicht besonders gut. Zwar war das dritte Quartal mit einem Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 0,1 Prozent etwas positiver als wir das noch zuletzt erwartet haben, insgesamt aber war das Wachstum im Sommer enttäuschend. Auch für die Prognose sieht es eher düster aus.

Mit welchen Wachstumszahlen rechnen Sie? Wir rechnen mit einem leichten Rückgang im vierten Quartal, sodass wir für dieses Jahr insgesamt bei einem Rückgang von 0,2 Prozent liegen. Die deutsche Wirtschaft schrumpft also das zweite Jahr in Folge. Mit Blick auf das kommende Jahr erwarten wir, dass sich die deutsche Wirtschaft mit einem Plus von 0,2 Prozent kaum von der Stelle bewegen wird. Im Jahr 2026 wird dann eine allmähliche Erholung einsetzen und die Wirtschaftsleistung um rund 1,2 Prozent steigen. Mit diesen Wachstumszahlen haben wir unsere Prognose stark nach unten revidiert, vor allen Dingen für das kommende Jahr, denn es sieht so aus, als würden die strukturellen Anpassungsprozesse deutlich stärker auf der wirtschaftlichen Entwicklung lasten, als wir das bislang angenommen haben.

Wie sieht es denn in dieser Situation mit den Investitionen aus? Man sieht entsprechende Bremsspuren bei den Investitionen. Jetzt sind wir aber in einer völlig neuen Situation. Durch den Bruch der Ampelkoalition, aber auch durch die Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten. Das sind zwei Komponenten, die die nochmals Investitionstätigkeit belasten. Binnenwirtschaftlich ist im Moment unklar, welche unternehmensrelevanten Maßnahmen eine neue Regierung beschließen wird. Das heißt, die Unternehmen warten ab, bis sie Klarheit über die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen haben. Außenwirtschaftlich hat sich das Risiko durch die Wiederwahl Trumps vergrößert, vor allem durch die bereits jetzt angekündigten Verhandlungen über zukünftige Handelshemmnisse. Das belastet nicht nur unseren Export, sondern das belastet auch unsere Investitionstätigkeit.

Wie sieht es beim privaten Konsum aus? In der Vergangenheit haben die Verbraucher*innen viel konsumiert, auch weil es große Zuwächse bei den real verfügbaren Einkommen gab. Aber die aktuelle Situation verunsichert die Haushalte. Die Wirtschaft stagniert, die Beschäftigung ist rückläufig, die Arbeitslosigkeit steigt und die gesamte wirtschaftspolitische Situation ist unsicher. Wenn ich jedoch verunsichert bin, ob ich meinen Job nächstes Jahr noch habe, dann werde ich natürlich nicht meinen Konsum steigern, sondern werde eher vorsichtig agieren. Das sehen wir auch in einer weiterhin steigenden Sparquote.

Wo sehen Sie positive konjunkturelle Impulse? Was positiv ist und bleibt, ist trotzdem die Kaufkraft der privaten Haushalte und der private Konsum. Wir gehen davon aus, dass die real verfügbaren Einkommen und die Löhne weiterhin steigen; zwar mit einem geringeren Tempo, als wir das zuletzt noch beobachtet haben, aber sie werden weiter steigen. Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass die Verunsicherung der privaten Haushalte im Laufe des kommenden Jahres etwas abnehmen wird. Die Industrie wird sich langsam erholen, wenn einmal klar ist, was für eine Regierung wir in Deutschland haben und wie die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen aussehen werden. Das bringt Sicherheit und Planbarkeit für Unternehmen und damit auch Investitionen, aber auch Sicherheit für die privaten Haushalte und ihre Beschäftigungssituation. Der private Konsum dürfte dann wieder die Erholung stützen, aber nur in einem sehr allmählichen Tempo.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Geraldine Dany-Knedlik
Der deutschen Wirtschaft geht es zurzeit nicht besonders gut - Interview mit Geraldine Dany-Knedlik

Geraldine Dany-Knedlik

Leitung Prognose und Konjunkturpolitik in der Abteilung Makroökonomie

Themen: Konjunktur



Keywords: Business cycle forecast, economic outlook
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2024-50-3

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