Statement vom 30. Januar 2020
Die Folgen der Ausbreitung des Corona-Virus auf die deutsche Wirtschaft kommentiert DIW-Präsident Marcel Fratzscher wie folgt:
Es ist noch deutlich zu früh, um eine seriöse Analyse über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Corona-Virus erstellen zu können. Wenn die Ausbreitung des Corona-Virus in China und weltweit erfolgreich eingedämmt werden kann, dann sollten sich die wirtschaftlichen Kosten in Grenzen halten und sich auf einen kurzfristigen Produktionsausfall in China beschränken. Im extremen Fall einer deutlichen Ausbreitung des Corona-Virus, vor allem in China, dürften sich die wirtschaftlichen Auswirkungen über drei Kanäle materialisieren. Zum einen würde die Konsumentennachfrage deutlich sinken, vor allem für Konsumgüter und für Reisen. Die Entscheidung von Lufthansa, die Flüge von und nach China bis zum 9. Februar auszusetzen, macht deutlich, dass auch deutsche Unternehmen davon betroffen sein werden. Zum zweiten könnte das temporäre Schließen von Fabriken in China die globalen Wertschöpfungsketten stören und somit es auch deutschen Unternehmen erschweren, benötigte Vorleistungen aus China (oder anderen betroffenen Ländern) zu beziehen. Gerade für deutsche Unternehmen ist es nicht selten, dass mehr als die Hälfte des Wertes ihrer Exporte aus Vorleistungen aus dem Ausland besteht. Als drittes schafft die Ausbreitung des Corona-Virus eine erhöhte Unsicherheit, die Unternehmen von Investitionen sowie Finanzinstitutionen von der Kreditvergabe abhalten könnte. Vor allem deutsche Unternehmen sind stark gegenüber China exponiert. Allein die vier großen deutschen Autobauer Audi, VW, Daimler und BMW erzielen mehr als ein Drittel ihrer Gewinne in China. Das Sars-Virus, das 2002/2003 in China ausbrach, kostete die chinesische Volkswirtschaft zwei Prozent an Wirtschaftsleistung innerhalb eines halben Jahres. Selbst wenn die aktuelle Situation keine so besorgniserregenden Ausmaße annehmen sollte wie damals, ist Vorsicht geboten: Die chinesische Volkswirtschaft ist heute gut dreimal größer und sehr viel stärker in die Weltwirtschaft integriert als im Jahr 2003. Die negative Reaktion der Finanzmärkte zeigt, dass Wirtschaft und Investoren diese Sorgen und Risiken sehr ernst nehmen.
Themen: Konjunktur