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Bankrott mit Ansage

Kommentar vom 19. April 2013

Soll die Rettung Zyperns ein Erfolg werden, muss der IWF eine stärkere Rolle einnehmen, sagt Marcel Fratzscher.

Gastkommentar im Handelsblatt vom 18.04.2013

In Gabriel Garcia Marquez „Chronik eines angekündigten Todes“ ist der Tod der Hauptperson von Anfang an vorgezeichnet. Alle Nachbarn wissen vom geplanten Mord bereits vor der Tat, nur das Opfer selbst ist ahnungslos. Ist dies das Schicksal Zyperns, ist ein Staatsbankrott unvermeidlich? Oder wird Zypern sich reformieren können, und dem Schicksal Griechenlands entgehen?

Es gab ein kollektives Aufatmen nach der Einigung über ein Rettungspaket zwischen Zypern, EU und Internationalem Währungsfond (IWF) in Höhe von zehn Mrd. Euro im März. Der schwierige Teil der Wegstrecke liegt indes noch vor uns. Die wichtigste Frage für Europa ist dabei: Was wird passieren, wenn das EU-IWF-Programm nicht funktioniert? Bei den Programmen die der IWF alleine durchführt, ist der IWF glaubhaft, weil er Zahlungen beendet, wenn die Bedingungen nicht erfüllt werden. Dies erhöht massiv den Druck auf die Regierungen, denn sie haben bei einem Scheitern kaum eine Chance, sich an Finanzmärkten zu finanzieren.

Im Fall der EU-IWF Programme, in denen der IWF nur Juniorpartner ist, trifft das Gegenteil zu. Der Fall Griechenlands zeigt, dass die EU ein Land nicht fallen lässt. Ein Verfehlen der Programmziele führt eher zu einer Erleichterung der Konditionen. Ziele werden aufgeweicht, Kreditzinsen reduziert und Zahlungen gestreckt.

Die Antizipation dieses Verhaltens begünstigt „moral hazard“, bei dem Programmländer ihr Verhalten entsprechend anpassen. Dies ist rational und nachvollziehbar, denn Regierungen sind in erster Linie auf das Wohl ihrer eigenen Bürger und deren Wählerstimmen fokussiert; nicht auf das Wohl Europas.
Im Fall Zyperns bedeutet dies, dass die Regierung versuchen wird, am Geschäftsmodell des Landes festzuhalten, und die fiskalische Konsolidierung, die mit schmerzhaften Einschnitten im Sozialsystem verbunden ist, zu reduzieren. Sie wird versuchen, vor allem ausländische Investoren im Land zu halten. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Rezession tiefer sein wird als im Programm angenommen. Die Grenze zwischen fehlendem Willen und fehlendem Können wird so verwischt. Und damit ist ein Konflikt zwischen Zypern und der EU vorprogrammiert.

Diese Chronik des angekündigten Staatsbankrotts wird so den Zweifel an der Zukunft des Euro und Europas weiter verstärken. Gleichzeitig sind die Kosten vor allem für Deutschland hoch. Denn Deutschland ist der perfekte Sündenbock: Das Land steht wirtschaftlich gut da, es stellt sich häufig diplomatisch ungeschickt an, und ihre Geschichte macht es für andere verlockend, alte Vorurteile hervorzuholen.

Um die Erfolgschancen des Programms zu gewährleisten, müsste Europa dem IWF eine viel bedeutendere, wenn nicht sogar die führende Rolle geben - vor allem, wenn es um die Einhaltung des Programms geht. Zumal die Kompetenz des IWF bei Hilfsprogrammen die der EU klar übersteigt. So lange es keine glaubwürdigen europäischen Institutionen gibt, die Programme effektiv implementieren und Wirtschaftspolitik koordinieren können, ist eine stärkere Rolle des IWF die beste Option, um die Krisenländer zu reformieren und Programme erfolgreich umzusetzen.

Der Gastkommentar wird mit freundlicher Genehmigung des Handelsblatts auf der Website www.diw.de veröffentlicht. 

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