13. März 2014, Alexander Eickelpasch aeickelpasch@diw.de
Das verarbeitende Gewerbe ist ein wichtiger Abnehmer von Dienstleistungen und hat damit einen wesentlichen Einfluss auf das Wachstum des Dienstleistungssektors. Umgekehrt sind die Impulse, die von Dienstleistungen auf das verarbeitende Gewerbe ausgehen, geringer. Zahlreiche Studien haben auf dieses Zusammenspiel von Industrie und Dienstleistungen hingewiesen. In der wirtschaftspolitischen Debatte sollten diese Zusammenhänge stärker als bisher beachtet werden. Eine eindimensionale Beurteilung der Triebfedern des wirtschaftlichen Wachstums allein auf der Basis der Wirtschaftsstruktur einer Volkswirtschaft greift zu kurz. Sie unterschätzt die Bedeutung des verarbeitenden Gewerbes und überschätzt diejenige des Dienstleistungssektors.
Wandeln sich aktuell die hoch entwickelten Volkswirtschaften zu reinen Dienstleistungsgesellschaften? Wird die Industrie künftig bedeutungslos? Ein Blick in die amtliche Statistik scheint diese Fragen zu bejahen: In allen hoch entwickelten Volkswirtschaften - so auch in Deutschland - ist ein langfristiger Trend zur Tertiarisierung zu beobachten: In den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist die reale Bruttowertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe jahresdurchschnittlich um 1,7 Prozent gewachsen, im Dienstleistungssektor dagegen mit 4,0 Prozent (70er Jahre) und 3,4 Prozent (80er Jahre) deutlich stärker. Auch nach der deutschen Vereinigung wuchs das verarbeitende Gewerbe mit 0,3 Prozent nur schwach, und der Dienstleistungssektor mit jahresdurchschnittlich 2,6 Prozent (1991 bis 2000) und 1,5 Prozent (2000 bis 2010) deutlich dynamischer.
Als Folge dieser Entwicklung ging der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der gesamten Wertschöpfung zurück: von 37 Prozent Anfang der 70er Jahre auf 29 Prozent Anfang der 90er Jahre. Der Anteil des Dienstleistungssektors stieg von 48 Prozent auf 62 Prozent. 2012 wurden nur noch 22 Prozent der Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe erwirtschaftet, dagegen 68 Prozent im Dienstleistungssektor. Seit Mitte der 90er Jahre hat sich der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der gesamten Wertschöpfung auf ein Niveau von etwas mehr als einem Fünftel eingependelt.
Studien zum sektoralen Strukturwandel verweisen auf die große Heterogenität des Dienstleistungssektors und zeigen, dass sich die verschiedenen Dienstleistungssparten ganz unterschiedlich entwickelt haben. Zugenommen haben vor allem die Branche Information und Kommunikation sowie unternehmensnahe Dienstleistungen wie Forschung und Entwicklung, technische Dienste, Finanzierung, Rechts- und Steuerberatung, Werbung und Marktforschung (Abbildung 1). Diese Entwicklung legt die Vermutung nahe, dass das Wachstum im Dienstleistungssektor nicht unerheblich von der Nachfrage der Industrie getrieben wird. Untersuchungen zur Bedeutung der industriellen Nachfrage nach Dienstleistungen werden im Folgenden dargestellt.
Verflechtungen zwischen Sektoren oder Branchen lassen sich auf der Basis von Input-Output-Tabellen näher untersuchen. Die Verflechtungen zwischen Industrie und Dienstleistungssektor auf der Basis der Input-Output-Tabellen sind vielfach untersucht werden:
Neben den Analysen auf der Basis von Input-Output-Tabellen gibt es auch Studien, die die Verflechtungsbeziehungen zwischen Industrie und Dienstleistungssektor durch Unternehmensumfragen ermitteln. Allerdings sind diese Studien nicht aktuell:
Untersuchungen zu den Bezugs- und Absatzverflechtungen zwischen Wirtschaftsbereichen zeigen, dass das verarbeitende Gewerbe ein wichtiger Nachfrager nach Dienstleistungen ist. Es wird auch gezeigt, dass Vorleistungsverflechtungen in die umgekehrte Richtung bestehen, jedoch die Impulse, die von der Dienstleistungsproduktion auf das verarbeitende Gewerbe ausgehen, geringer sind. In der wirtschaftspolitischen Debatte sollten diese Zusammenhänge stärker als bisher beachtet werden. Eine eindimensionale Beurteilung der Triebfedern des wirtschaftlichen Wachstums allein auf der Basis der Wirtschaftsstruktur einer Volkswirtschaft greift zu kurz.
Döhrn, R. et al. (2008): Potenziale des Dienstleistungssektors für Wachstum von Bruttowertschöpfung und Beschäftigung. Forschungsvorhaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Essen.
Edler, D., Eickelpasch, A. (2013): Die Industrie - ein wichtiger Treiber der Nachfrage nach Dienstleistungen. DIW Wochenbericht 34/2013 (PDF, 176.74 KB), S. 16 - 23, Berlin.
Eickelpasch, A. (2012): Industrienahe Dienstleistungen. Bedeutung und Entwicklungspotenziale. Expertise im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn.
Grömling, M. et al. (1998): Die Industrie. Drehscheibe der globalen Dienstleistungsgesellschaft. Köln.
Haß, H.-J. (1995): Industrienahe Dienstleistungen. Ökonomische Bedeutung und politische Herausforderung. Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, Köln.
Hauschild, W., Wallacher, L. (2004): Ad-hoc-Befragung über Unternehmenskooperationen. Ergebnisse für das Jahr 2003. Wirtschaft und Statistik (9), S. 1009 - 1016, Wiesbaden.
Kalmbach, P.; Krämer, H. (2005): Die Industrie als Produzent und Nachfrager von Dienstleistungen - Ergebnisse eines Forschungsprojekts. IAW-Report 33 (1), S. 33 - 62, Tübingen.
Klodt, H. et al. (1997): Tertiarisierung in der deutschen Wirtschaft. Tübingen.
Ludwig, U. et al. (2011): Dienstleistungsverbund stärkt Bedeutung der Industrie. Wirtschaftsdienst 91 (9), S. 648 - 650.
Schmidt, A. (2012): Industrie und Dienstleistungen heute: Eine Strukturanalyse der Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland. Eine Studie im Auftrag der Chemie-Stiftung Sozialpartner-Akademie (CSSA), Wiesbaden.
Stille, F. (2003): Produktbegleitende Dienstleistungen gewinnen weiter an Bedeutung. DIW Wochenbericht 21/2003 (PDF, 227.39 KB), S. 336 - 342, Berlin.
Tümmler, T. (2005): Dienstleistungsnachfrage durch Unternehmen. Ergebnisse für 2003. Wirtschaft und Statistik (10), S. 1080 - 1088, Wiesbaden.
Themen: Industrie
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/111785