Direkt zum Inhalt

Informelle Pflege

Informelle Pflege

Pflegen die Tochter oder der Sohn ihre Eltern oder kümmern sich um die nicht mehr mobilen Nachbarn, spricht man von informeller Pflege. Dabei handelt es sich größtenteils um unentgeltliche Tätigkeiten, die nicht durch die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung abgedeckt sind. Dem Europäischen Haushaltspanel (EU SILC) zufolge gab es im Jahr 2011 in Deutschland insgesamt 5,4 Millionen Personen, die nicht die Kriterien für den Bezug von Leistungen der Pflegeversicherung erfüllten, aber auf Pflege und Hilfe angewiesen waren. Nur ein sehr geringer Teil davon lebte in Pflegeheimen (etwa 10.000 Personen), da diese fast ausschließlich Personen aufnehmen, die zumindest Leistungen der Pflegestufe I erhalten. Ein Teil der Bedürftigen lebte in Apartments, in sogenannten Seniorenresidenzen (rund 200.000 Personen). Der weit überwiegende Teil lebte zu Hause und wurde zumeist durch Familienangehörige betreut oder konnte sich noch selbst versorgen, eventuell mit Hilfe technischer Einrichtungen oder privat finanzierter Hilfe. Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erhielten rund 3,3 Millionen Personen, die keine Leistungen der Pflegeversicherung bekamen, informelle Pflege und Hilfe. Rechnet man die Empfänger von Pflegegeldleistungen für selbst beschaffte informelle Pflege hinzu, erhöht sich die Zahl sogar auf etwa 4,7 Millionen Personen.

Zwischen fünf und sechs Prozent aller Erwachsenen leisten regelmäßig informelle Pflege. Rund 60 Prozent dieser Frauen und Männer sind im erwerbsfähigen Alter. Der Anteil der Erwerbstätigen an allen informell Pflegenden unter 65 Jahren ist in den Jahren 2001 bis 2012 von knapp 53 auf fast 66 Prozent gestiegen. Bei den Vollzeitbeschäftigten war der Anstieg stärker als bei den Teilzeitbeschäftigten, wenngleich Vollzeitbeschäftigte im Durchschnitt wesentlich seltener Pflege und Beruf kombinieren.

Dem informellen Pflegesektor kommt schon heute eine zentrale Rolle im deutschen Pflegesystem zu. Aufgrund der demografischen Entwicklung dürfte seine Bedeutung noch steigen: Da das Risiko der Pflegebedürftigkeit mit dem Alter zunimmt, ist künftig eine stetig wachsende Zahl an Pflegebedürftigen zu erwarten. Auf der einen Seite kommen auf Personen im erwerbsfähigen Alter also in zunehmendem Maße Pflegetätigkeiten zu. Auf der anderen Seite sollen sie durch eine stärkere Erwerbsbeteiligung und mehr Arbeitsstunden den demografischen Wandel und den mit ihm einhergehenden Rückgang der Erwerbsbevölkerung abmildern. Zwar hat die Politik mit dem Pflegezeitgesetz und der Familienpflegezeit erste Maßnahmen implementiert, dennoch dürfte sich die Frage nach einer besseren Vereinbarkeit von Pflege und Beruf immer drängender stellen.

Lesen Sie mehr zum Thema:
Gastbeitrag von Gert. G. Wagner: "Eine bessere Pflege ist überfällig" (Tagesspiegel, 24. Dezember 2018)
DIW Wochenbericht 14/2014 (PDF, 0.54 MB) "Who cares? Die Bedeutung der informellen Pflege durch Erwerbstätige in Deutschland“


keyboard_arrow_up