Leistungsanreize in Unternehmen

DIW Roundup 32, 5 S.

Hannes Ullrich

2014

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12. August 2014 I Hannes Ullrich hullrich@diw.de

In der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung wird seit langem diskutiert, wie Karriereüberlegungen die Leistung am Arbeitsplatz beeinflussen. Ist eine leistungsorientierte Bezahlung, zum Beispiel in Form von Boni, überhaupt notwendig, um junge Arbeitnehmer zu motivieren? Diese könnten ohnehin stark durch die Aussicht auf zukünftige Beförderungen, die von ihrer Leistung abhängen, angetrieben sein. Die Suche nach empirisch belastbaren Erkenntnissen zu solch impliziten Leistungsanreizen gestaltet sich bislang schwer.

In ihrer Erwerbslaufbahn bewegen sich Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt sowohl zwischen als auch innerhalb von Unternehmen. Unternehmensinterne Arbeitsmärkte, ihre Ausgestaltung und ihr Zusammenspiel mit externen Arbeitsmärkten spielen eine entscheidende Rolle für Arbeitnehmer, an ihrem Arbeitsplatz Leistung zu erbringen. Die Ausgestaltung von Beförderungsentscheidungen und leistungsgerechter Entlohnung haben daher eine große unternehmerische Bedeutung. In der Praxis ist man sich dieser Problematik und verschiedener Lösungsansätze (NZZ 2010, Zeit Online 2011) bewusst, die personalökonomische Forschung zeigt jedoch weiter bestehende offene Fragen auf und steht dabei vor Herausforderungen empirischer Natur, die zu überwinden sind.

Explizite und implizite Leistungsanreize

Explizite Leistungsanreize werden in der Regel durch Instrumente gesetzt, die erbrachte Leistungen direkt, zum Beispiel als Teil des Gehalts, entlohnen. Diese können verschiedene Formen annehmen, wie zum Beispiel Boni bei Erreichen individuell definierter Ziele, die Beteiligung am Unternehmenserfolg durch gewinnabhängige Barauszahlungen oder Aktienoptionen oder auch (nicht-)monetäre Auszeichnungen für einzelne Arbeitnehmer oder Teams.

Implizite Leistungsanreize hingegen entstehen aus vorausschauenden Überlegungen der Arbeitnehmer selbst. Diese wissen, dass sie höhere Löhne erzielen können, wenn die Erwartungen an ihre Leistungsfähigkeit am Markt hoch sind. Diese Erwartungen können vom Arbeitnehmer durch mit Anstrengung verbundene sichtbare Leistungen beeinflusst werden (Fama 1980, Holmström 1999, Dewatripont et al. 1999).

Beförderungen als Anreiz- und Auswahlmechanismus


In der Regel ist individuelle Leistung jedoch nur für den aktuellen Arbeitgeber beobachtbar. Beförderungen können helfen, dem Markt zu signalisieren, dass man als Arbeitnehmer zu starken Leistungen in der Lage ist. Der aktuelle Arbeitgeber ist so zu Gehaltserhöhungen gezwungen, da alternative Arbeitgeber nach einer beobachteten Beförderung bereit sind einen höheren Lohn anzubieten (Ghosh und Waldman 2010).

Ein Unterscheidungsmerkmal von Beförderungen als Instrument zur Anreizbildung ist die Ausgestaltung des Entscheidungskriteriums. Nicht nur die Höhe des erwarteten Gehaltsanstiegs ist entscheidend, sondern auch das Kriterium, gemäß welchem eine beförderungswirksame Leistung als erreicht gilt. Hier wird zwischen absoluten und relativen Leistungszielen unterschieden. Bei absoluten Leistungszielen genügt zur Lohnerhöhung oder Beförderung das Erreichen eines vorbestimmten Leistungsniveaus. Relative Leistungsziele berücksichtigen unternehmens- oder teamweite Leistungsschwankungen und führen innerhalb der Vergleichsgruppen zu Wettbewerb zwischen Arbeitnehmern. Die zu erreichenden Gehaltszuwächse können entweder im Voraus vom Unternehmen festgelegt werden (wie im klassischen Turnier nach Lazear und Rosen 1981) oder sie entstehen endogen aufgrund der Wirksamkeit öffentlich wahrnehmbarer Signale wie Auszeichnungen oder Beförderungen, die den zu erwartenden Marktlohn des Arbeitnehmers beeinflussen (wie im marktbasierten Turnier nach Waldman 1984). Die Wirkung dieser Wettbewerbsstrukturen hängt unter anderem von ihrer genauen Ausgestaltung, den Informationen, über die Marktteilnehmer verfügen (Miklós-Thal und Ullrich 2014) und der Zusammensetzung der konkurrierenden Arbeitnehmer (Brown 2011, Miklós-Thal und Ullrich 2013) ab.

Der Wert von Beförderungen hängt dabei entscheidend von anderen beobachtbaren Merkmalen des Arbeitnehmers ab, wie zum Beispiel Bildung (DeVaro und Waldman 2012). Ist aufgrund von solchen Merkmalen erkennbar, dass ein Arbeitnehmer hochproduktiv ist, trägt eine Beförderung nur wenig zum „Marktwert“ des Arbeitnehmers außerhalb des Unternehmens bei. Sind solche positiven Merkmale nicht bekannt, hat eine Beförderung eine starke positive Signalwirkung nach außen. Darüber hinaus ist relevant, wie präzise anhand von beobachtbaren Merkmalen Erwartungen bezüglich der Produktivität des Arbeitnehmers gebildet werden können. Miklós-Thal und Ullrich (2014) zeigen, dass die Anreize, positive aber für den Arbeitnehmer aufwendige Zeichen zu setzen, die seine wahrgenommene Produktivität verbessern, im Detail davon abhängen wie Produktivitätserwartungen gebildet werden.

Die Überlegungen zu Beförderungsentscheidungen offenbaren einen Zielkonflikt. Zwar können Beförderungen zur Anreizbildung eingesetzt werden, ihre wichtigste Bedeutung bleibt aber das Besetzen einer anspruchsvolleren Stelle durch den am besten geeigneten Kandidaten (Baker et al. 1988). Insbesondere bei marktbasierten Turnieren sind die Handlungsspielräume für Arbeitgeber jedoch begrenzt, da zum einen Leistungsanreize durch Aussicht auf Beförderungen bestehen, und zum anderen die mit einer Beförderung einhergehende Gehaltserhöhung durch den Wettbewerb auf dem externen Arbeitsmarkt bestimmt wird. Somit liegt die Prämie der Beförderung nur eingeschränkt im Ermessen des Arbeitgebers (Zabojnik und Bernhardt 2001).

Empirische Erkenntnisse über implizite Leistungsanreize

Belastbare empirische Erkenntnisse über die Bedeutung impliziter Leistungsanreize in Form von zukünftigen Gehaltszuwächsen in höheren Managementpositionen gibt es bisher kaum. Zwar sind die bestehenden Theorien intuitiv gut nachvollziehbar, auf der Suche nach Evidenz für aus den Theorien folgende kausale Wirkungszusammenhänge sind jedoch beträchtliche methodische Hindernisse zu bewältigen. Darüber hinaus ist empirisch ungeklärt, ob Unternehmen für Beförderungsentscheidungen auf klassische oder marktbasierte Turniermechanismen, oder sogar lediglich auf absolute Auswahlkriterien zurückgreifen. DeVaro (2006) findet Hinweise auf die Verwendung relativer Auswahlkriterien in Form von Turniermechanismen für Unternehmen aus vier US-amerikanischen Metropolregionen.

Zum einen vermischen sich mit unterschiedlichen Karriereaussichten, die zu unterschiedlichen Leistungsanreizen führen könnten, stets Faktoren wie zum Beispiel individuelles Können, Bildungsinvestitionen oder die Dauer der verbleibenden Karriere. Zum anderen entscheiden Führungskräfte bei Beförderungen nicht mit dem Ziel, möglichst viel über ihren Beförderungsmechanismus zu lernen sondern mit Blick auf den Unternehmenserfolg oder auch ihr eigenes Vorankommen. Um jedoch eine kausale Wirkung unterschiedlicher Ausprägungen von Karriereaussichten auf unterschiedliche erbrachte Leistungen zu überprüfen, wäre zumindest eine zufällige Zuweisung von Karriereaussichten notwendig, beispielsweise anhand von Beförderungswahrscheinlichkeiten. Koch et al. (2009) zeigen in einem Laborexperiment, dass Individuen zumindest in der Lage sind, die mit Karriereaussichten verbundenen komplexen Leistungsanreize kognitiv zu verstehen. Eine Durchführung solch eines Experiments erscheint in Unternehmen jedoch zu kostspielig, da diese mit den langfristigen personellen und finanziellen Konsequenzen leben müssten.

Die bekanntesten Studien konnten daher bislang implizite Leistungsanreize lediglich für unterschiedliche Altersgruppen identifizieren. Naturgemäß haben Karriereüberlegungen im jungen Alter die größte Bedeutung (Chevalier und Ellison 1999, Hong et al. 2000). Im Gegenzug werden explizite Leistungsanreize mit steigendem Alter wichtiger (Gibbons und Murphy 1992). Gleichzeitig ändern sich jedoch mit steigendem Alter weitere Merkmale von Arbeitnehmern (wie Erfahrung und Arbeitszeit- vs. Freizeitpräferenzen) und Arbeitgebern (Nachfrage nach unterschiedlichen Qualitäten jüngerer und älterer Arbeitnehmer).

Einen neueren Versuch zeigt Hansen (2009), der variierende Karriereaussichten von Lehrern durch Wechsel von deren Schulleitungen nutzt, um Leistungsanreize in Abhängigkeit von Karriereüberlegungen zu messen. Zu Beginn einer Schulleiteramtszeit sind die Anreize groß, sich anzustrengen. Hat sich der Ruf eines Lehrers etabliert, sind geringere Anstrengungen zu beobachten. Diese werden durch eine erhöhte Zahl von im Ermessen des Lehrers liegenden Fehltagen gemessen. Ein weiterer Versuch, implizite Leistungsanreize aufzudecken und dabei die Altersproblematik zu umgehen, wurde von Miklós-Thal und Ullrich (2013) unternommen. Sie dokumentieren die beobachteten Leistungszunahmen aufgrund einer besonderen Karrieremöglichkeit, der Aussicht auf Teilnahme an der Europameisterschaft 2008 als wichtiges Sprungbrett für Profifußballer, und ziehen Parallelen zur Unternehmenswelt.

Die Verwendung detaillierter administrativer Datensätze verspricht weiterreichende empirische Erkenntnisse. Anhand von diesen Daten können langfristige Betriebs- und Beschäftigteninformationen verknüpft werden und damit Karrierepfade innerhalb von Unternehmen sowie Interaktionen zwischen internen und externen Arbeitsmärkten analysiert werden. Beispielsweise decken Cassidy et al. (2012) in einer großflächigen Untersuchung Faktoren auf, die Beförderungen beeinflussen. Sie greifen auf finnische und deutsche Daten zurück, deren Informationsgehalt die Berücksichtigung von Boni als expliziten Anreizmechanismus zulässt.

Fazit

Entlohnungssysteme und Beförderungen spielen in Unternehmen eine wichtige Rolle, um Leistungsanreize zu setzen und offene Stellen mit geeigneten Kandidaten zu besetzen. Zwar bietet die personalökonomische Literatur weitreichende theoretische Erkenntnisse zu Anreizwirkungen innerhalb von Unternehmen. Empirische Erkenntnisse über die Bedeutung impliziter Leistungsanreize in Form von zukünftigen Gehaltszuwächsen oder der Aussicht auf attraktivere Stellen, und ihre Interaktion mit unternehmerischen Instrumenten zur expliziten Anreizbildung, gibt es bisher jedoch kaum. Auch empirische Untersuchungen optimaler Stellenbesetzungen angesichts der genannten Zielkonflikte stehen noch weitgehend aus.

Dabei liegt die grundlegende Frage im Kern der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung: Reagieren Menschen auf Anreize und wenn ja, wie und mit welcher Intensität? Erkenntnisse aus Feldexperimenten, in welchen eine zufällige Auswahl von Personen in Versuchs- und Kontrollgruppen nötig ist, sind aufgrund der weitreichenden personellen und finanziellen Implikationen solcher Eingriffe kaum vorhanden (es müssten beispielsweise Mitarbeitern zufällig Beförderungen in Aussicht gestellt werden und bei Erfolg auch gewährt werden). Dagegen erscheint eine kreative Nutzung umfassender administrativer Datensätze, die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinformationen zusammenführen, für die Zukunft vielversprechend.

Quellen

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Hannes Ullrich

Stellvertretender Abteilungsleiter in der Abteilung Unternehmen und Märkte


Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/111811

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