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Lebenseinkommen in Deutschland werden ungleicher

Pressemitteilung vom 3. Dezember 2014

Ungleichheit der Lebenseinkommen von Arbeitnehmern in Westdeutschland hat sich zwischen dem Jahrgang 1935 und dem Jahrgang 1972 in etwa verdoppelt – Grund sind längere Zeiten der Arbeitslosigkeit und eine zunehmende Lohnspreizung

Höhere Arbeitslosigkeit im unteren Einkommensbereich und eine wachsende Lohnspreizung lassen die Lebenseinkommen von Arbeitnehmern in Westdeutschland seit Jahrzehnten immer ungleicher werden. Das zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) in Zusammenarbeit mit der Freien Universität Berlin (FU Berlin). Demnach ist das Lebenseinkommen, also die Gesamtheit aller über das Erwerbsleben erzielten Löhne und Gehälter, im unteren Lohnbereich über die letzten Jahrzehnte real gesunken. Im mittleren Bereich blieb es in etwa stabil, im oberen Lohnbereich nahm es eher zu. Insgesamt hat sich die Ungleichheit der Lebenseinkommen – gemessen am Gini-Koeffizienten – zwischen den Geburtsjahrgängen 1935 und 1972 in etwa verdoppelt. „Es wird vor allem für die Arbeitnehmer in den mittleren und unteren Lohnbereichen zunehmend schwerer, eigenes Vermögen aufzubauen“, fasst Holger Lüthen, DIW-Mitarbeiter und einer der Autoren der Studie, die Folgen der wachsenden Ungleichheit zusammen. „Gerade die Bezieher niedriger Einkommen können so auch weniger Vermögen als Erbschaft an die nächste Generation weitergeben.“

Die Ungleichheit von Einkommen wird bislang meist an den Jahreseinkommen gemessen. Um eine längerfristige Perspektive einzunehmen und verzerrende Effekte wie Lohnunterschiede zwischen Berufseinsteigern und erfahrenen Angestellten oder unterschiedliche Erwerbsverläufe gleichaltriger Personen herauszufiltern, haben Wissenschaftler unter Beteiligung von Holger Lüthen vom DIW Berlin und Timm Bönke von der FU erstmals neue Daten der Deutschen Rentenversicherung ausgewertet. Mit diesem neuartigen Datensatz können die Wissenschaftler nun alle rentenversichungspflichtigen Einkommen seit 1949 analysieren und die Lebenseinkommen von westdeutschen, männlichen Angestellten ab dem Jahrgang 1935 vergleichen. Bei den Frauen zeigt sich den Wissenschaftlern zufolge eine ähnliche Entwicklung wie bei den Männern. Da aber die Fallzahlen der Frauen besonders in frühen Geburtsjahrgängen recht gering waren, stützt sich die Untersuchung hauptsächlich auf den größeren Datensatz der männlichen Angestellten. Um mehr Jahrgänge miteinander vergleichen zu können, haben sich die Wissenschaftler in der weiteren Auswertung auf das bis zum 40. Lebensjahr erzielte Gesamteinkommen konzentriert.

Das Ergebnis ist ein deutlicher Trend immer weiter divergierender Lebenseinkommen. Der Gini-Koeffizient, das übliche Maß für Ungleichheit, lag für das bis zum 40. Lebensjahr erzielte Lebenseinkommen des Geburtsjahrgangs 1935 noch bei 0,12. Dabei würde der Wert 0 einer völligen Gleichheit aller Einkommen, der Wert 1 einer völligen Ungleichverteilung entsprechen. Für den Geburtsjahrgang 1972 lag der Gini-Koeffizient bei 0,25. „Bis zu 40 Prozent dieser Verdoppelung lassen sich durch die erhöhte Arbeitslosigkeit erklären“, so die Autoren. Besonders für die Bezieher niedriger Einkommen steigt das Risiko beschäftigungsloser Zeit deutlich an. Waren Vertreter des Jahrgangs 1935 bis zum 40. Lebensjahr im Durchschnitt etwa fünf Monate arbeitslos, so waren es im Jahrgang 1972 bereits 40 Monate. Die restlichen 60 Prozent des Anstiegs der Ungleichheit führen die Wissenschaftler auf die seit Jahrzehnten steigende Lohnspreizung zurück.

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