Direkt zum Inhalt

Studie: Volksvertreter sind risikofreudiger als das Volk

Pressemitteilung vom 13. Juni 2018

Survey von Mitgliedern des Deutschen Bundestags und von Abgeordneten in vier Landtagen zeigt empirisch die erhöhte Risikobereitschaft von Politikerinnen und Politikern

Mitglieder des Deutschen Bundestags und Landtagsabgeordnete sind einer wissenschaftlichen Studie zufolge deutlich risikofreudiger als die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland. Wie ein Survey von Abgeordneten ergab, liegt die Risikofreude von Volksvertreterinnen und Volksvertretern noch über der von selbständig Berufstätigen, die ihrerseits risikobereiter sind als Angestellte oder Beamtinnen und Beamte. Für die Studie hatten die Befragten ihr Risikoverhalten auf einer Skala von null (= gar nicht risikobereit) bis zehn (= sehr risikobereit) selbst eingeschätzt. Die Politikerinnen und Politiker kamen auf einen Durchschnittwert von 6,2, die Bürger und Bürgerinnen auf einen Durchschnittswert von 4,7. Eine höhere Risikobereitschaft findet sich in sämtlichen Risikobereichen, die für die Studie erfragt wurden: Autofahren, Geldanlagen, Sport und Freizeit, Karriere, Gesundheit und Vertrauen in die Mitmenschen. Für die Studie wurden unter anderem Daten der für Deutschland repräsentativen Langzeitstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) am DIW Berlin ausgewertet. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Palgrave Communications veröffentlicht.

Die Autorinnen und Autoren, Forschende des DIW Berlin, der Freien Universität Berlin, des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, der Technischen Universität Dortmund und des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) bewerten die überdurchschnittliche Risikofreude der Bundestagsabgeordneten positiv. „Andernfalls würden wichtige gesellschaftliche Entscheidungen angesichts der kaum überschaubaren Risiken und Gefahren oft nicht getroffen“, sagt der Soziologe und Hauptautor der Studie Moritz Heß von der Technischen Universität Dortmund. „Die Folge wären Stagnation und gesellschaftlicher Stillstand.“

Eine Gefahr für die Demokratie sehen die Forscher in der gesteigerten Risikofreude der Parlamentarier nicht. „Das Ergebnis zeigt eine gelungene sinnvolle Arbeitsteilung zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Wählerinnen und Wählern sowie Politikerinnen und Politikern“, sagt der Berliner Ökonom Gert G. Wagner, Senior Research Fellow des Sozio-oekonomischen Panels am DIW Berlin. Denn die individuelle Risikofreude der Abgeordneten und Politikerinnen und Politiker werde durch demokratische Strukturen und parlamentarische Abläufe gebremst.

Dass auch höhere Ministerialbeamtinnen und -beamte eine geringere Risikoneigung als Politikerinnen und Politiker haben, konnten Gert G. Wagner und seine Kollegen Moritz Heß und Tobias Thomas in einer ergänzenden Studie belegen, für die höhere Beamtinnen und Beamte in Ministerien zu ihren Risikoeinstellungen befragt wurden. „Auch dies trägt zur Kontrolle von risikofreudigen Politikerinnen und Politikern bei“, sagt Wagner.

Für die Studie zu Parlamentariern und Parlamentarierinnen hatten die Forscher Ende 2011 alle 620 Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestags schriftlich befragt. Davon antworteten 28 Prozent. Im Frühjahr 2012 wurden die Mitglieder der Landtage Baden-Württemberg, Brandenburg und Niedersachen sowie des Berliner Abgeordnetenhauses angeschrieben. Von diesen antworteten 24 Prozent. Vergleiche mit statistischen Merkmalen aller Abgeordneten zeigen, dass die Stichproben der Studien die Gesamtheit aller Abgeordneten gut abbilden. Die Befragung der Ministerialbeamtinnen und -beamten fand im Sommer 2014 online statt; 106 Personen antworteten.

Um einen Vergleichswert für die Risikofreude der Bevölkerung zu erhalten, wurden Daten des SOEP ausgewertet. Die Fragen an die Bundestags- und Landtagsabgeordneten sowie an die Ministerialbeamtinnen und -beamten waren analog zu den entsprechenden Fragen im SOEP formuliert: Auf einer Skala von null (= gar nicht risikobereit) bis zehn (= sehr risikobereit) schätzten die Befragten ihre allgemeine Risikobereitschaft selbst ein. Die Politikerinnen und Politiker gaben auch ihre Risikobereitschaft beim Autofahren, bei Geldanlagen, in Freizeit und Sport, in der beruflichen Karriere sowie mit Blick auf ihre Gesundheit und Vertrauen in fremde Menschen an. Darüber hinaus machten sie Angaben zu ihrer Risikoneigung bei politischen Entscheidungen. Auf eine Frage nach der parteipolitischen Zugehörigkeit der Abgeordneten wurde bewusst verzichtet, um auszuschließen, dass die Ergebnisse der Studie für parteipolitische Zwecke genutzt werden.

Links

Themen: Persönlichkeit

keyboard_arrow_up