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Bankenchampions sind keine Lösung: Kommentar

DIW Wochenbericht 9 / 2019, S. 124

Dorothea Schäfer

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„Champions“ haben derzeit Hochkonjunktur: nationale Champions, europäische Champions, Bankenchampions, Industriechampions ... Frei nach dem Lied „Es muss was Wunderbares sein“ scheint es also wunderbar zu sein, von Champions zu träumen. Wie konnte das passieren? Champions sind die Zwillingsbrüder von Unternehmen, die „too big to fail“ sind, also zu groß und bedeutend, um ihnen im Fall der Fälle nicht unter die Arme greifen und sie mit Steuergeld retten zu müssen. Zumindest im Finanzsektor sollte das mit der Bankenunion eigentlich der Vergangenheit angehören. Warum also ist die Politik ganz offensichtlich bemüht, mit einer Fusion von Commerzbank und Deutscher Bank einen nationalen Bankenchampion zu schmieden?

Für den europäischen Bankenabwicklungsmechanismus wäre das ein herber Rückschlag. Denn der sogenannte Bail-in greift für Bankenchampions nicht. Sie sind schlichtweg zu groß, als dass sich das Finanzsystem die eigentlich vorgeschriebene Verlustbeteiligung der privaten Investoren in Höhe von acht Prozent der Verbindlichkeiten „leisten“ könnte. „Bail-in“ bedeutet einen Teil- oder sogar Totalverlust von Anlagekapital. Tritt dieser im dreistelligen Milliarden-Euro-Bereich auf, ist ein Bank-Run der kurzfristig anlegenden Geldmarktfonds nicht fern, und das Finanzsystem könnte nur durch den Einstieg der Gemeinschaft der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vor dem Zusammenbruch bewahrt werden.

So wird die Bankenunion von zwei Seiten ausgehebelt. Auf der einen Seite stellen sogenannte nationale Bankenchampions den EU-Abwicklungsmechanismus einfach kalt. Auf der anderen Seite erzwingen Kleinanleger, die bei einem Bail-in zuhauf ihre Ersparnisse verlieren würden, regelmäßig den staatlichen Beistand. Es scheint, als könnten sich nur die besser gestellten EU-Mitgliedstaaten oder diejenigen, die rechtzeitig vor Inkrafttreten die heiklen Engagements in staatlich alimentierte Bad Banks ausgelagert haben, den Abwicklungsmechanismus leisten. Und auch diese Regel kennt schon die Ausnahme. Deutschland fängt gerade die NordLB mit Steuergeldern auf, EU-Abwicklungsmechanismus hin oder her.

In erstaunlich kurzen Abständen wird also die Glaubwürdigkeit der Bankenunion auf die Probe gestellt. Ungleiche Startbedingungen und nicht bereinigte Bankbilanzen setzen der Funktionsfähigkeit des Abwicklungsmechanismus zu. Ein Single-Bad-Bank-Mechanismus, an den anfällige Banken ihre Altbestände an notleidenden Krediten übertragen könnten, wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Und europäische Megabanken sollten nicht noch größer gemacht werden. Gleichzeitig sollten auch bessere Voraussetzungen geschaffen werden, den Megabanken rasch staatliches Eigenkapital aufzwingen und sie zumindest vorübergehend verstaatlichen zu können. Das könnte den Dominoeffekt stoppen und vor allem die Möglichkeit eröffnen, den Bail-in zeitlich zu strecken und ihm damit jene Schärfe der gegenseitigen Ansteckungseffekte zu nehmen, die nun seine Anwendung zumeist verhindern würde.

Die Funktionsfähigkeit der Bankenunion ist darauf angewiesen, dass im globalen Krisenfall nicht alle Banken gleichzeitig in eine Schieflage geraten. Das gelingt am besten durch die Bewahrung der Vielfalt im Bankensektor. Die Koexistenz unterschiedlicher Geschäfts- und Finanzierungsmodelle sowie vielfältiger Bankengrößen und -typen sorgt am ehesten dafür, dass in einer Krise zumindest Teile des Finanzsystems intakt und funktionsfähig bleiben. Das ist auch für die Bankenunion zentral. Proportionalität muss daher in deren Regelwerk fest verankert werden. Klar, die Aufsichtsregeln für kleine und mittlere (Regional-)Banken sollten innerhalb der Bankenunion einheitlich sein. Aber sie müssen einfacher sein als jene Aufsichtsregeln, die auf das Gefährdungspotential von Großbanken abgestimmt sind und dementsprechend hohe Regulierungskosten verursachen.

Im Gegensatz zur Fokussierung auf Bankenchampions wäre das eine Politik, die der Funktionsfähigkeit der Bankenunion und damit letztlich den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zugutekäme – und nicht der Sehnsucht der Politik nach „Champions“ und nicht den Großbanken, die sonst weiter einen Anreiz hätten, Risiken auf die Allgemeinheit abzuwälzen.

Dieser Beitrag ist in einer längeren Version am 19. Februar 2019 in der Börsen-Zeitung erschienen.

Dorothea Schäfer

Forschungsdirektorin Finanzmärkte in der Abteilung Makroökonomie

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