DIW Wochenbericht 1/2 / 2021, S. 15
Claus Michelsen, Erich Wittenberg
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Herr Michelsen, viele Bereiche der deutschen Wirtschaft leiden unter der Corona-Pandemie. Inwieweit macht sich die Krise auch in der deutschen Bauwirtschaft bemerkbar? Die Corona-Pandemie geht auch an der deutschen Bauwirtschaft nicht spurlos vorbei, allerdings muss man klar sagen, dass die Baukonjunktur eine Stütze der deutschen Wirtschaft ist. Die Bauleistung wurde auch im Jahr 2020 kräftig ausgeweitet und dürfte in den kommenden Jahren weiterhin zum Wachstum in Deutschland beitragen. Probleme sind durchaus vorhanden, allerdings ist die Krise für die Bauwirtschaft weitaus weniger bedrohlich als beispielsweise für den Einzelhandel oder die Gastronomie.
Wie groß sind die Einbußen im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit? Die Einbußen im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit sind nicht besonders kräftig – gemessen daran, was die anderen Wirtschaftsbereiche zu erleiden haben. Wir sind im vergangenen Jahr davon ausgegangen, dass wir vor allem auch in der Neubautätigkeit noch kräftige Zuwächse sehen werden. Das wurde im Frühjahr etwas gestört, weil einige Bauarbeiter nicht auf die Baustellen konnten und auch Aufträge storniert wurden, insbesondere im Wirtschaftsbau. Allerdings sprechen wir hier von relativ glimpflichen Verlusten von ein bis zwei Prozentpunkten.
Wo liegen die Gründe für die vergleichsweise gute Lage der Bauwirtschaft? Die Bauwirtschaft konnte ihre Tätigkeit weiterhin ausüben. Es gab keine Restriktionen, die dazu geführt haben, dass ganze Baustellen brachliegen mussten. Handwerksbetriebe durften weiterhin ihrer Tätigkeit nachkommen und das hat dazu geführt, dass die Aufträge, die ja in großer Zahl vorhanden waren, auch abgearbeitet werden konnten. Einige Probleme haben wir im Wirtschaftsbau gesehen. Dort, wo Unternehmen typischerweise in neue Produktionsstätten oder in die Sanierung von bestehenden Gebäuden investieren, wurden einige Aufträge storniert. Der Wohnungsbau, aber auch die öffentliche Hand haben jedoch weiterhin kräftig in die Taschen gegriffen und dafür gesorgt, dass die Bauwirtschaft ganz gut durch das Krisenjahr 2020 gekommen ist.
Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung des Baugewerbes ein? Das Jahr 2021 wird mit deutlich geringeren Wachstumsraten und Wertschöpfungssteigerungen einhergehen. Für das Jahr 2022 sind wir aber wieder deutlich optimistischer, denn gerade im Wohnungsbau ist die Nachfrage anhaltend hoch, weil der Wunsch nach den eigenen vier Wänden nach wie vor groß ist. Wenn wir die Pandemie in den Griff bekommen, dürften auch die Unternehmen wieder vermehrt in ihre Produktionskapazitäten investieren und auch der Wirtschaftsbau sich erholen. Für die öffentliche Bautätigkeit sind ohnehin sehr viele Mittel eingeplant, sodass wir die Hoffnung haben, dass diese auch verbaut werden und damit die Konjunktur stützen.
Was wäre nötig, um die Bauwirtschaft auf Dauer zu stabilisieren? Die Bauwirtschaft hat eigentlich ein goldenes Jahrzehnt hinter sich. Die Frage für viele Bauunternehmen ist, wie sich die Nachfrage der öffentlichen Hand in den nächsten Jahren entwickeln wird. Es wurde jetzt viel Geld in die Hand genommen. Es wurde aber auch angekündigt, dass man in den kommenden Jahren die jetzt aufgenommenen Schulden wieder abtragen muss. Typischerweise leiden in solchen Konsolidierungsphasen der öffentlichen Haushalte insbesondere die Investitionen in die Infrastruktur. Hier gibt es aber besonders hohen Bedarf. In Zukunft brauchen wir eine gute Infrastruktur, beispielsweise um die Elektromobilität oder Digitalisierung voranzutreiben. Hier wäre es wichtig zu signalisieren, dass man diese Investitionen in den kommenden zehn Jahren realisieren möchte.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Konjunktur, Immobilien und Wohnen
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2021-1-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/229921