DIW Wochenbericht 8 / 2022, S. 135
Simon Junker, Erich Wittenberg
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Herr Junker, die Corona-Pandemie nimmt erstmal kein Ende und die Omikron-Variante hat weltweit für erneute Einschränkungen und Probleme gesorgt. Wie hat sich die deutsche Wirtschaft in dieser Situation geschlagen? Wir haben die Hoffnung, dass die Infektionswelle ab dem Frühjahr deutlich abebbt. Das ist eine Annahme, die nicht zwingend so eintreffen muss, aber im Moment sieht es so aus, dass das ein relativ wahrscheinliches Szenario ist. Aktuell sind die kontaktintensiven Dienstleistungsbereiche von Einschränkungen oder individuellen Vorsichtsmaßnahmen betroffen. Die Umsätze im Gastgewerbe dürften daher deutlich sinken. Nicht nur das Schlussquartal 2021 ist wegen der neuen Pandemiewelle überraschend schlecht ausgefallen, auch im ersten Quartal 2022 werden wir wohl eine schrumpfende Wirtschaftsleistung sehen. Aber auch die Industrie kommt nicht so richtig aus dem Griff der Pandemie heraus.
Wie sind die Perspektiven für die deutsche Wirtschaft? Unter der Annahme, dass die Pandemie wirklich ab dem Frühjahr nachhaltig abebbt, werden sich die Dienstleistungsbranchen sehr rasch erholen. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren gesehen, dass die Menschen ihr Einkommen nutzen, um beispielsweise ins Restaurant zu gehen. In der Industrie ist die Auftragslage schon seit längerem sehr gut. Allerdings kommt sie aus verschiedenen Gründen nicht mit der Produktion nach. Diese Probleme hängen auch mit der Pandemieentwicklung zusammen und werden noch für geraume Zeit anhalten.
Die Lieferketten sind vielfach unterbrochen. Inwieweit ist ein Ende dieser Problematik abzusehen? Wenn wir davon ausgehen, dass die Pandemie ab dem Frühjahr oder Frühsommer weltweit allmählich abebbt, dann werden sich auch die Verwerfungen in den Lieferketten zurückbilden. Unter diesen Voraussetzungen sollte man nicht mehr befürchten müssen, dass es zum Beispiel in China erneut zu Hafenschließungen kommt. Wenn sich das alles wieder austariert, ist damit zu rechnen, dass in den darauffolgenden Monaten diese Knappheiten und die damit verbundenen Preisspannungen deutlich nachlassen.
Wie ist aktuell die Lage beim privaten Konsum? Wenn Infektionswellen wie zuletzt ausbrechen, dann sinken mit den Umsätzen im Gastgewerbe oder in kontaktintensiven Bereichen auch die Konsumausgaben. Die Menschen versuchen zwar, ihr Einkommen anderweitig auszugeben, weil das aber weltweit passiert, sind die Kapazitäten für diesen starken Nachfrageschub bei Waren nicht ausreichend, wie sich zum Beispiel bei Elektronikprodukten zeigt. Insofern wird der Konsum auch im Winter wieder deutlich Federn lassen.
Wie entwickeln sich die Verbraucherpreise? Die Energiepreise sind nahezu explodiert. Das hängt auch mit geopolitischen Verwerfungen zusammen. Die Futures-Märkte, die wir auch zugrunde legen, gehen davon aus, dass die Energiepreise auf einem hohen Niveau bleiben, sich die Situation aber Stück für Stück entspannt. So lange wird das aber die Verbraucherpreise dominieren, das heißt, der Preisdruck wird nur sehr allmählich nachlassen. Wir gehen davon aus, dass die Inflationsrate im Frühjahr den Höhepunkt erreicht und dann langsam sinkt. Sie wird aber dieses Jahr im Durchschnitt noch deutlich höher bleiben als wir uns das wünschen würden. Es sieht aber alles danach aus, dass die Entspannung dann im kommenden Jahr einsetzt.
Wann könnte das Vorkrisenniveau wieder erreicht sein? Wir erleben im Winter zwar erneut einen Rückschlag, sind aber nicht weit vom Vorkrisenniveau entfernt. Unter den Voraussetzungen, die wir jetzt annehmen, wird im Sommer gesamtwirtschaftlich wieder das Vorkrisenniveau erreicht. Bis wir den Vorkrisenpfad erreicht haben, der sich ja ohne Pandemie deutlich positiver entwickelt hätte, wird es jedoch noch länger dauern.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Konjunktur, Gesundheit
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2022-8-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/251415