Direkt zum Inhalt

„Die EZB sendet ein starkes Signal, aber kommuniziert riskant“

Statement vom 8. September 2022

Die Ergebnisse der heutigen Sitzung des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB) kommentiert Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), wie folgt:

BlockquoteMit ihrer stärker als erwarteten Erhöhung des Leitzinses sendet die EZB eine Mahnung an alle wirtschaftlichen Akteure, dass sie gewillt ist, die geldpolitischen Zügel so stark und so lange anzuziehen, bis die Inflation unter Kontrolle ist. Die deutliche Erhöhung des Leitzinses ist richtig und notwendig, zumal die Geldpolitik mit negativen Realzinsen auf Rekordniveau noch immer sehr expansiv ist. Ich erwarte zwei weitere Zinsschritte und eine weitere Erhöhung des Leitzinses in diesem Jahr um noch mal insgesamt 100 Basispunkte.

Allerdings läuft die EZB Gefahr, einen Fehler in ihrer Kommunikation zu begehen. Ihr Versprechen von weiteren starken Zinserhöhungen im Jahr 2023 und einer baldigen Rückkehr zur Preisstabilität wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit als unerfüllbar erweisen. Denn die EZB, wie die meisten anderen Zentralbanken, hat in diesen Krisenzeiten zu wenig Einfluss auf die Inflation über die kommenden eineinhalb Jahre, da diese hauptsächlich durch höhere Preise für Energie und andere vorrangig importierte Güter getrieben wird. Ich halte daher die EZB-Prognose einer Rückkehr zu einer Inflationsrate von knapp zwei Prozent im Jahr 2024 für unrealistisch.

Die Gefahr einer tiefen Rezession in der Eurozone 2023 und Risiken der Finanzstabilität werden es der EZB zudem kaum möglich machen, die Leitzinsen ähnlich stark zu erhöhen wie die US-Notenbank. Dabei ist nicht die Staatsverschuldung mancher Länder des Euroraums das Problem, sondern die Risiken bei privaten Investoren und einer noch tieferen Rezession. Die neue Kommunikationsstrategie der EZB ist gefährlich und könnte sich schädlich auf die Glaubwürdigkeit und damit die Effektivität der Geldpolitik auswirken. Dies könnte ultimativ bedeuten, dass die EZB die Inflationserwartungen weniger gut verankern kann und letztlich deutlich länger braucht, um ihrem Mandat der Preisstabilität wieder gerecht zu werden.

Themen: Geldpolitik

keyboard_arrow_up